Von Elisabeth Grupp
„Am schönsten war die Kindheit und am wichtigsten war die Arbeit mit den und für die Dorfhelferinnen“, sagte Elisabeth Schwander am Ende ihres Lebens. Gründerin des Berufes der Dorfhelferinnen sowie Vordenkerin der deutschen Landfrauenbewegung.
Aus dem Leben von Elisabeth Schwander
Sie wurde am 25. April 1917 als achtes Kind in Bad Säckingen geboren, es war in der Schlussphase des ersten Weltkrieges. Nach ihrem Schulabschluss erlernte sie den Beruf der Kindergärtnerin. Danach folgte ein Seminar von drei Jahren, das zur Ausbildung für die Seelsorgehilfe führte. Im Dritten Reich wurde sie wegen engagierter Jugendarbeit verhaftet und musste ein Vierteljahr im Freiburger Gefängnis in Einzelhaft einsitzen.
Nur Dr. Rappenäcker, damals beim Caritasverband tätig, ist es zu verdanken, dass Elisabeth Schwander im September 1942 entlassen wurde mit dem Hinweis: Landesverweis!
Landesverweis
Landesverweis und harte Prüfungen im Krieg, Begegnungen mit Tod und Chaos.
Ihr Neuanfang war in Klagenfurt, wo sie für die Jugendarbeit zuständig war. Hier erlebte sie eine Massenerschießung von 50 Männern und Buben, weil ein Nationalsozialist von einem Dorfbewohner erschossen wurde. Sie erlebte auch, wie normale Wanderer willkürlich erschossen wurden.
Im Juni 1943 bekam sie einen Stellungsbefehl zum Militär nach Böhmen-Mähren in ein Lager zur Ausbildung als Fronthelferin. Von dort aus kam sie direkt an die Front, in die Normandie in eine Flugzeugwerft und hatte die Stelle eines Feldwebels in einem Büro, wo auch Französinnen arbeiteten. In diesem Jahr, das trotz vieler Schikanen gut war, empfand sie, dass die Invasion schon deutlich zu spüren war.
Als der Rückzug begann, sprang sie wegen Zudringlichkeiten eines Offiziers in einem Schloss aus dem zweiten Stock und aus ähnlichen Gründen aus einem fahrenden Zug.
Fazit: Dass sie beide Ereignisse und vieles mehr ohne besonderen Schaden überstanden hatte, bezeichnete sie als großes Glück, das sie mit Dankbarkeit erfüllte.
Von Zerstörung und Not zur Hilfe
Die deutschen Städte lagen in Schutt und Asche, doch die Zerstörung war man gewohnt und hat alles hingenommen. Dazu kam der Hunger, der bis zur Währungsreform anhielt, es gab auf allen Gebieten eine unbeschreibliche Not.
Elisabeth Schwander schreibt:“Man hat geholfen, da es wichtig war, dass es jemand tat…“
Wieder blieb vieles an den Frauen hängen, weil viele Männer entweder nicht mehr oder krank nach Hause gekommen sind. Es wurde zu einer dringend notwendigen Angelegenheit, die Landfrauenarbeit wieder zu aktivieren.
Da sie in einer großen Bauernfamilie aufwuchs, waren ihr von Kind auf die Arbeit, wie auch alle Nöten und Sorgen, die dieser Berufsstand mit sich brachte, sehr vertraut. Dabei kam erstmals der Gedanke nach einer Helferin für die Bäuerinnen auf. Aus der Idee wurde Wirklichkeit.
Der Beruf der Dorfhelferin
Nach mehreren Stationen in sozialen kirchlichen Einrichtungen wurde sie 1949 Landfrauenreferentin beim katholischen Frauenbund in der Erzdiözese Freiburg. In dieser Funktion gründete sie 1954 das erste Dorfhelferinnenwerk und eine spezielle Schule zur Ausbildung der Dorfhelferinnen in Sölden bei Freiburg im Breisgau. Das geschah aus der Motivation heraus: „Hilfe für die Bäuerinnen im Krankheitsfall und die Schaffung einer Ausbildungsmöglichkeit für Mädchen vom Land“.
Beim Begriff Dorfhelferin denkt der eine oder andere an Frauen, die auf dem Dorf aushelfen. Das trifft die Realität – und trifft sie doch nicht:
Dorfhelferin – das wird man durch eine komplexe Fachausbildung. Dorfhelferinnen – das sind Fachfrauen – auf allen Gebieten im ländlichen Haushalt und drum herum, das beweisen sie Tag für Tag im Einsatz.
Die Ausbildung
Die Ausbildungszeit beinhaltet eine abgeschlossene ländliche hauswirtschaftliche Lehre. Danach folgt ein Jahr Schule mit dreimonatiger Säuglings,- und Krankenpflege und anschließendem Prüfungsabschluss zur staatlich geprüften Dorfhelferin.
Anschließend erfolgt eine Anstellung in einer ländlichen Gemeinde mit unterschiedlichen Anstellungsträgern.
Im Anstellungsvertrag aus dem Jahr 1960 war das Anfangsgehalt 320 Mark und die tägliche Arbeitszeit sollte (einschließlich Essenszeit) 10-12 Stunden nicht übersteigen. Heute haben sich natürlich die Verträge den jetzt gültigen Richtlinien angepasst.
Der erste Kurs begann in Löffingen (Hochschwarzwald) mit ungefähr 10-12 Mädchen, bis die kirchliche Einrichtung ihr Einverständnis und Zusage für das Kloster in Sölden gab. Zur Entwicklung und im Aufbau des Berufes waren Helfer der ersten Stunde: Regierungsdirektor Bürkel und die Herren Nadler, Wollmann und Buchholz, die Damen Ungewitter, Katzenmaier und andere.
Ende und Schließung in Sölden
Bis alles unter Dach und Fach war, hatte Elisabeth Schwander besonders auch in finanzieller Hinsicht enorme Kämpfe auszutragen. Nur ihrem unermüdlichen Kampf und ihrer Energie ist das Gelingen letztendlich zuzuschreiben. Trotzdem blieben immer die geldlichen Probleme.
Ein zuständiger Finanzminister bewilligte einmal Elisabeth Schwander für ein Bauvorhaben 500.000 Mark mit der Bemerkung, er habe gerade diesen Betrag für die Schweinehaltung bewilligt, da könne er auch 500.000 Mark für die Dorfhelferinnen bewilligen – ein durchaus passender Vergleich.
Von 1954 bis 2001 haben 1130 Frauen die Berufsausbildung zur Dorfhelferin in Sölden durchlaufen. Heute leisten sie allerdings nur noch 15 Prozent ihrer Einsätze in landwirtschaftlichen Betrieben, was den Anlass gab, 2001 dort die Ausbildung zu beenden und die Schule zu schließen.
Es gibt viele Gründe warum man die Schule in Sölden zur Aufgabe und Schließung bewegte und die Ausbildung mit Kupferzell (Württemberg) zusammenlegte: Mangel an landwirtschaftlichen Betrieben, Mangel an jungen Frauen und wieder einmal Mangel an Geld.
60-jähriges Bestehen
Am 13. September 2014 begeht man die Feier des 60-jährigen Bestehens des Berufes der Dorfhelferin. Sicher wird an diesem Tag besonders der Gründerin dieses Berufes Elisabeth Schwander gedacht. Sie war eine ganz besondere Frau, was auch ihre ehrenden Auszeichnungen bezeugen:
- Päpstlicher Orden Pro Ecclesia et Pontifice (1971)
- Bundesverdienstkreuz am Bande (1977)
- Verdienstmedaille des Landes Baden – Württemberg (1982)
- Staufermedaille des Landes Baden – Württemberg
Als Schlusssatz ihres Buches schreibt Elisabeth Schwander: “Ich hoffe und vertraue, dass irgendwann die alte Idee der Dorfhelferin wieder erwacht und dass nochmals ein neuer Anfang kommt. Meine Bitte an Gott: Er helfe den Landfrauen, wenn sie in Notlagen sind, und denen, die ihnen helfen. Ihm vertraue ich.“
Anmerkung: Im Jahre 1957 durchlief auch ich als Pionierin im vierten Kurs diese Ausbildung. Es war und ist ein wunderschöner Beruf.