Die Suffragetten

Von Sibylle Sättler

Nicht länger nur „züchtige Hausfrau“! Frauen wollten mehr, auch politisch mitreden und das Recht zu wählen, das ihnen lange verwehrt wurde. Um ihr Ziel zu erreichen, wurden die Frauen in England militant, traten in Hungerstreik, riskierten ihr Leben.

Die Anfänge des Wahlrechts

Das Wahlrecht gehört heute zu den demokratischen Grundrechten des Bürgers. Er oder sie kann ab einem festgesetzten Mindestalter aktiv wählen oder sich passiv zur Wahl stellen.

Auch das allgemeine Wahlrecht für Männer war nicht selbstverständlich. Es wurde, je nach Obrigkeit, an Bedingungen geknüpft, wie Stand, Grundbesitz, Bildung oder Steueraufkommen. Der Kreis der Wahlberechtigten war entsprechend gering. So gab im England des 15. Jahrhunderts das Vermögen den Ausschlag für die Ausübung des Männerwahlrechts. Die Revolutionen 1789 und 1848 brachten Franzosen und deutschen Männern das Wahlrecht näher. In Nordamerika gab es ab dem 17. Jahrhundert Ansätze eines Wahlrechts für Männer, das erst mit der Unabhängigkeit konkretisiert, aber dann der Regelung der einzelnen Bundesstaaten nach Einkommen und Rasse unterworfen wurde. Als Vorreiter für die Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts gelten die USA, die Schweiz und das Deutsche Reich.

Vorläufer des Frauenwahlrechts in Europa

Das allgemeine Frauenwahlrecht wurde erkämpft. Im Zuge der Französischen Revolution war es 1791 Olympe de Gouges, die erstmals die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ veröffentlichte, 1793 verhaftet und im gleichen Jahr hingerichtet wurde. Das 19. Jahrhundert war Schauplatz der überall in Europa stattfindenden Kämpfe, so 1831 und 1848 in Frankreich. Ihren Forderungen verliehen die Frauen Nachdruck durch Veröffentlichungen in Zeitungen oder wie 1832 in England mittels einer ersten Petition für das Frauenwahlrecht. Die Frauen kämpften organisiert für ihre Rechte. In Deutschland formierte sich im Verlauf des Vormärz 1848 die Frauenbewegung. 1880 machten die Skandinavierinnen ihren Anspruch auf politische Rechte deutlich. Zum Ziel kamen die Frauen aber erst im 20. Jahrhundert. Dazu trugen wesentlich in Deutschland die Sozialdemokraten August Bebel und Clara Zetkin und in England ganz eindeutig die Suffragetten bei.

Englische Verhältnisse

(Bild: gemeinfrei)

Nach drei Wahlrechtsreformen verfügten 1884 zwei Drittel der Männer in England über das Wahlrecht, nur Kriminelle, Geisteskranke und Frauen nicht. Der englische Nationalökonom John Stuart Mill hatte sich 1867 als Unterhausabgeordneter für die Einführung des Frauenwahlrechts eingesetzt. Ohne Erfolg. Engagierte Frauen vor allem aus der Mittel- und Oberschicht schlossen sich 1868 in der „National Society for Women’s Suffrage“ (suffragium = das Wahlrecht) zusammen und reichten weitere Petitionen und Gesetzentwürfe im Unterhaus ein. Ihre Bemühungen blieben weitgehend ungehört. Kleine Zugeständnisse resultierten in der Zulassung alleinstehender oder verwitweter Frauen 1869 zu Gemeindewahlen.

Die Suffragetten nahmen ihren Ursprung in dem gemeinsamen Vorgehen gegen die von 1864 bis 1869 verordneten Zwangsuntersuchungen von Prostituierten. Die Frauenrechtlerinnen erzielten 1883 insoweit Erfolg, als die Gesetze 1886 außer Kraft gesetzt wurden.

Die Suffragetten

Emmeline Pankhurst (1858 – 1928) gründete 1903 zusammen mit ihrer Tochter Christabel (1880 – 1928) in Manchester die Gruppe „Women’s Social and Political Union“ (WSPU). Ihre Versuche, für Frauen das Wahlrecht durchzusetzen, waren zunächst gewaltfrei und später sogar beispielhaft für Mahatma Gandhi und Martin Luther King. 1906 wurden die Frauenrechtlerinnen erstmals in der „Daily Mail“ verächtlich als „Suffragetten“ tituliert. Männer, die sich ihrer Bewegung anschlossen, und gleichgesinnte Amerikanerinnen nannten sich später Suffragisten. Sie bekannten sich auch äußerlich mit den Farben violett, weiß und grün zu ihren gemeinsamen Zielen. Männer, die sich ihnen verbunden fühlten, trugen Krawatten und Hüte in den gleichen Farben, wobei Violett für Würde und den Anspruch auf das Wahlrecht stand, Weiß die Unschuld symbolisierte und Grün die Hoffnung auf eine politische Reform und Erteilung des Wahlrechts auch für Frauen.

Ihre Radikalisierung

Als alle friedlichen Proteste in Form von Flugblättern, Artikeln in Zeitungen, Werbung, Petitionen im Unterhaus und Großkundgebungen nichts ausrichteten, die Reformen der Regierung weiterhin nur Männer betrafen, radikalisierten sich die Suffragetten. Schaufenster in Kaufhäusern gingen zu Bruch, Landsitze wurden angezündet und Bombenanschläge auf öffentliche Gebäude, auch Westminster Abbey, verübt. Am „schwarzen Freitag“, dem 18.11.1910, kam es vor dem Unterhaus zu blutigen Auseinandersetzungen. 80 bewaffnete Frauen wurden verhaftet. „March of the women“ hieß die von der Aktivistin Ethel Smyth komponierte Hymne, die die Demonstrationen begleitete und den Zusammenhalt der Frauen untermauerte. Die Hymne wurde 1911 erstmals auf der Pall Mall intoniert. Am 1. März 1912 zerstörten 150 Suffragetten mit Hämmern und Steinen 270 Schaufenster im Londoner Westend. 220 Festnahmen aller Beteiligten und ihrer Anhänger waren die Folge.

Emmeline Pankhurst’s politischer Weg

Emmeline Goulden wurde am 14. Juli 1858 in Manchester geboren. Ihre Eltern engagierten sich in der Liberalen Partei gegen die Sklaverei. Durch ihre Mutter, eine Feministin, kam sie mit 14 Jahren mit der Wahlrechtsbewegung in Berührung. Ihre politischen Sinne für die Unterdrückung der Frau waren geweckt. Ab 1873 besuchte sie ein Mädcheninternat in Paris. Mit 21 Jahren heiratete sie den Rechtsanwalt Richard M. Pankhurst. Innerhalb von neun Jahren kamen fünf Kinder zur Welt. 1894 wurde Emmeline Pankhurst ehrenamtlich „Poor Law Guardian“ in der staatlichen Armenfürsorge.

Nach dem Tod ihres Ehemanns 1898 arbeitete sie für den Unterhalt ihrer Familie als Standesbeamtin und engagierte sich leidenschaftlich für die Frauenbewegung. Emmeline Pankhurst und ihre Tochter Christabel waren die Vorkämpferinnen der Suffragetten. Ab 1906 agierte die Bewegung von London aus. In Finnland wurde das allgemeine Wahlrecht für Männer und Frauen verabschiedet.

Emmeline Pankhurst ’s Haftstrafen

Pankhurst im Gefängnis (Bild: gemeinfrei)

Erstmals wurde sie bei Versuchen, das Parlament zu stürmen, vom 13. Februar bis 19. März 1908 inhaftiert. Einer Großkundgebung im Hyde Park am 21. Juni 1908 mit etwa 250.000 Teilnehmerinnen und einem weiteren Aufruf am 30. 6. 1908 folgte eine polizeiliche Vorladung, die sie nicht wahrnahm. Eine erneute Festnahme am 12.10.1908 führte zu monatelanger Freiheitsstrafe. Als sie am 29.06.1909 einen Polizisten ohrfeigte, stand die nächste Verhaftung an. Hunderte von Aktivistinnen protestierten an dem oben bereits erwähnten 18.11.1910 stundenlang gegen die Ablehnung eines Gesetzes („Conciliation Bill“), das wenigstens einer Million Frauen das Wahlrecht zuerkannt hätte.  Zwei Frauen kamen durch Verletzungen zu Tode, 80 wurden festgenommen.

Drei Jahre Haft übernahm Emmeline Pankhurst am 03.04.1913 für ein Bombenattentat auf das Landhaus des britischen Schatzkanzlers (s.o.). Daraufhin nahmen Straßenschlachten und Sprengstoffanschläge zu.

„Cat and Mouse Act“

Emmeline Pankhurst trat im Gefängnis in Hungerstreik, musste aber 9 Tage nach der Verurteilung wegen ihres gefährdeten Gesundheitszustands entlassen werden. Ihr Beispiel machte Schule, und somit traten weitere Frauenrechtlerinnen in der Haft in Hungerstreik. 1913 wurde von der Regierung ein Gesetz, im Volksmund „Cat and Mouse Act“ genannt, erlassen, das im Falle der Gesundheitsgefährdung die Freilassung der Frauen zur Folge hatte, aber nach ihrer Genesung die Wiederaufnahme der Haft vorsah. 1914 wurde sie vor dem Buckingham Palace verhaftet, als sie versuchte, eine Petition über das Frauenwahlrecht an König Georg V weiterzugeben. Der Vorfall brachte ihr viel Aufmerksamkeit, in allen Tageszeitungen erschien ihr Foto bei der Festnahme. Weitere Hungerstreiks und Freilassungen folgten. Insgesamt hatte sie 8 Haftstrafen zu verbüßen.

Emmeline Pankhurst am Ziel

Pankhurst im Ersten Weltkrieg
(Bild: gemeinfrei)

Den Kampfhandlungen der Frauenrechtlerinnen und den Aktionen der Regierung gegen sie setzte der Ausbruch des 1. Weltkriegs ein Ende. Männer und Frauen sahen sich gemeinsam dem Feind von außen gegenüber. Die Männer zogen in den Krieg, es herrschte Arbeitskräftemangel. Frauen übernahmen frei gewordene Arbeitsstellen und bewährten sich in der Öffentlichkeit. Die Regierung erklärte ab 1918 alle Männer und Frauen ab 30 Jahren für wahlberechtigt. Die Suffragetten waren am Ziel. Im selben Jahr trat Emmeline Pankhurst der konservativen Partei bei.

Krankheitsbedingt zog sie sich nach Kanada und auf die Bermudas  zurück. 1925 kehrte sie nach England zurück und starb in London am 14.06.1928. Am 2. Juli 1928 wurde die Altersgrenze zur Wahl auf 21 Jahre herabgesetzt.

In Deutschland erging am 12.11.1918 das allgemeine Wahlrecht an alle Männer und Frauen ab 20 Jahren. In den USA erkämpften die Frauenrechtlerinnen per 26.08.1920 das Wahlrecht.

Links

Ausstellung in Bonn zum Frauenwahlrecht
Biografie von Emmeline Pankhurst