Geschichte des Theaters

von Brigitte Höfer

In eine andere Haut schlüpfen…

Das Phänomen Theater, wie es zuerst um 1500 v. Chr. im alten Ägypten, tausend Jahre später dann im europäischen Altertum und nach dessen Untergang im fernen Osten fassbar wird, hatte seinen Ursprung in magischen Ritualen. Steinzeitliche Höhlenzeichnungen und Felsenbilder von tanzenden Menschen in Tierverkleidung hielten diese Rituale in Bildern fest. Die Maskierung von Gesicht und Körper diente dabei als Mittel zur »Auslöschung« der eigenen Person zur Transformation in den Zustand der Trance und Ekstase, des »aus-sich-Heraustretens«.

Ägypten: Tod und Auferstehung

Erste Belege für die Weiterentwicklung des Rituals zum Theater finden sich in der Kultur des mittleren Reichs der Ägypter 2000-1500 v. Chr. Aus der Inschrift einer Steinstele lässt sich der Ablauf eines Spiels zu Ehren des Gottes Osiris erschließen.

Griechenland: Verwandlung, Rausch und Irreführung

Im 6. vorchristlichen Jahrhundert entwickelte sich das griechische Theater. Aristoteles in gibt in seiner »Poetik« einen Hinweis darauf, dass sowohl die Tragödie als auch die Komödie dem Brauchtum der Feiern zu Ehren des Dionysus entstanden sind.

Im 4. Jhd. v. Chr. breitete sich das Bühnenwesen über die ganze griechische Welt aus. Das besterhaltene Amphitheater, das von Epidauros, fasste etwa 14 000 Zuschauer. Die oberste Sitzreihe war ungefähr hundert Meter von der Spielfläche entfernt. Dennoch waren die Worte gut zu verstehen

Die griechischen Theatermasken bestanden aus Leinwand, die mit Kleister gesteift und dann bemalt wurden. Die männlichen waren durch einen dunklen, die weiblichen durch einen hellen Teint gekennzeichnet. Auch die weiblichen Rollen wurden von Männern gespielt. Die Dominanz des Wortes verlangte von den Schauspielern vollendete Leistungen in der Deklination; sie mussten aber auch hervorragende Tänzer und Sänger sein. Sprache, Musik und Tanz bildeten eine Einheit.

Römisches Theater: Panem et circenses

Das bis dahin aus Reiterspielen, Wagenrennen und Ringkämpfen zu Ehren des Gottes Jupiter bestehende Programm wurde um die Aufführung von Theaterstücken erweitert. Livius Andronicus, ein Kriegsgefangener Tarent, erhielt den Auftrag, eine Tragödie und eine Komödie ins Lateinische zu übersetzen und bei den Spielen zu inszenieren. Aufgrund der Adaption von vierzehn griechischen Dramen gilt er als der Stammvater der römischen Theaterliteratur. Während bei den Griechen die Mimen als heilige Leute galten, war ihr Ansehen bei den Römern gering.

Theater im Fernen Osten: Tanztheater, Puppen- und Schattenspiel

In Indien gab es ein rituelles Tempeltheater, das viele Jahrhunderte seine Tradition bewahrte. Der Hauptgott Brahma wurde als der Schöpfer und Shiva, der Zerstörer alles Bösen, wurde als Herr der Tänzer angesehen. Dieses Tanztheater beeinflusste die Theaterkultur in Indonesien, vor allem in Java und Bali. In China gibt es neben dem Menschentheater auch noch eine Tradition des Puppentheaters und des Schattenspiels. Eine überragende Position des chinesischen Musiktheaters nimmt die Peking-Oper ein. In Japan existieren bis heute weitere eigenständige Formen des Theaters, z.B. das Maskenspiel, das Nò-Theater und das Kabuki-Theater.

Das Mittelalter: Die Geistlichkeit und das Bauernvolk

Im 10. Jahrhundert entwickelte sich aus der Liturgie des Christentums das geistliche Spiel des Mittelalters. Bis dahin hatte die Kirche das Theater als einen Ort der Sünde angesehen und vehement bekämpft. Die Weihnachtsliturgie und vor allem die Osterliturgie boten Ansätze zu einer spielhaften Darstellung in Form von Mysterienspielen. Gleichzeitig entstanden die Fastnachtsspiele, die mit ihren Possen bis heute beliebt sind.

Die Renaissance: Höfisches Theater

An den italienischen Höfen und Akademien (Ferrara, Vicenza) nahm das Renaissancetheater seinen Ausgang. Dazu zählt auch die Commedia dell’Arte. Nördlich der Alpen spielten Straßburg, Nürnberg (Hans Sachs) und kleinere Fürstentümer eine positive Rolle. Im England zur Zeit von Elisabeth I. gab es mehr als hundertfünfzig professionelle Schauspielgruppen, die feste Kompanien bildeten. Die berühmteste davon: die Gruppe um Shakespeare.

Barocktheater: Gott als Regisseur

Das Wort „Barock“ leitet sich vom portugiesischen „Pérola barroca“ = unregelmäßige Perle her. Tatsächlich wurde im Barock die klare Linie der Renaissance vom Pathos erfasst, aus Schlichtheit wurde Fülle, aus Einfachheit Überschwang. Grenzen und Konturen verwischten sich, so dass der Eindruck des Unbeschränkten, Unermesslichen, Unendlichen entstand. Das Theater ist ein Gleichnis der Welt; der Mensch ist ein Rollenspieler und Gott der Urheber und Regisseur. Die fliehende Zeit und damit die Vergänglichkeit bestimmen das Erleben. Im dreißigjährigen Krieg spielen machtpolitische Aspekte eine wesentliche Rolle und alle Parteien demonstrieren ihren Machtanspruch durch prachtvolle Selbstinszenierungen. Viele der in süddeutsch-österreichischen Raum eingerichteten Ordenstheater verfügten über eine hochentwickelte Bühnentechnik, sodass die wunderbaren Ereignisse des biblischen Geschehens auf eine die Sinne überwältigende Weise inszeniert werden konnten. Die vollkommene Theaterform im Sinne des Barock ist die Oper, sie schafft durch die Synthese aller Künste ein Gesamtkunstwerk. Eine Nachfolge der Oper sind das Musiktheater und das Ballett.

Die Klassik: Vernunft und Aufklärung

Corneille, Racine und Molière sind die Namen, die man mit der „Comédie Francaise“ verbindet. Molières Weltbild ist geprägt von dem Glauben an die Vernunft des Menschen und die Gesetze der Natur. Diderot und Lessing waren die beiden Dramatiker, die das Theater reformierten und die Aufklärung vorantrieben. In Italien gelang Goldoni der Übergang von der Commedia dell´arte zum bürgerlichen Lustspiel. Schiller und Goethe verstanden das bürgerliche Theater nicht nur als Emanzipation von absolutistischen Zwängen, sondern auch als Mittel zur Stärkung der nationalen Identität.

Die Romantik: Das poetische Leben

Gleichzeitig mit der Klassik entsteht einen neue Bewegung, die Romantik, die einschränkende Gattungsgrenzen und Regelzwänge aufheben und sich gegenüber der Natur und dem Religiösen öffnen will. „.Das Märchen wurde bühnentauglich. Das dramatische Werk Heinrich von Kleists enthält eine Fülle von Motiven der Romantik.

Das bürgerliche Theater: Der Hüter des Humanismus

„Die bürgerliche Revolution hat dem deutschen Bürgertum nicht die Macht im Staat, sondern nur die Macht im Theater gebracht.“ (Peter Simhandl: Theatergeschichte in einem Band, S. 184) In den folgenden Epochen hat das Theater alle Tendenzen und Richtungen der bildenden Kunst aufgegriffen: Naturalismus, Impressionismus, Symbolismus, Expressionismus, politisches und episches Theater, Dadaismus, Surrealismus, Futurismus und revolutionäres Theater bis zum Happening, Fluxus und Performance. Es gibt einen großen Fundus an Stücken, aus dem sich die Regisseure aussuchen können, was ihnen und dem Publikum gefällt. Der Experimentierfreude sind keine Grenzen gesetzt. Allerdings kämpfen viele Theater um ihr Überleben: Der Film ist zum großen Konkurrenten des Theaters geworden.

Quellen und Links

Peter Simhandl, Grit van Dyk: Theatergeschichte in einem Band, 2014

Bilder:
Ägypten: https://pixabay.com/de/ägyptische-design-mann-frau-1822015/
Fernost (Japan) https://pixabay.com/de/japan-gueisha-theater-kabuki-1416901/
Barock: https://pixabay.com/de/kostüm-barock-kleidung-dame-2713393/
Am Ende: https://pixabay.com/de/marionette-puppe-star-figur-1004571/