von Maja Preé
Ich hatte die Buchempfehlung beim Autofahren gehört und bin froh, diese Besprechung nicht wieder aus dem Gedächtnis verloren und das Buch dann bestellt zu haben. Es passt in unsere Zeit und beschreibt, wohin permanente Überwachung führen kann.
Überwachung
Manchmal lese ich ein Buch und denke, darüber würde ich mich gern mit jemandem unterhalten, würde gern die Meinung eines anderen dazu kennen lernen. In „früherer Zeit“ waren gute Bücher so etwas wie ein Geheimtipp bei uns. Heute, im Zeitalter zunehmender medialer Vernetzungen und … ich nenne es Überwachung hatte das Buch „Der Circle“ zeitweise eine fast lähmende Wirkung auf mich. Erschreckt es mich doch, dass Google meinen Weg zur Arbeit ohne mein Zutun im Handy gespeichert hat. Dass ich um Bewertungen von Gaststätten gebeten werde, in denen ich bin, egal wo; oder dann wenn ich nur daran vorbeilaufe.
So fängt es an
Eine junge Frau, mit dem gesunden Ehrgeiz auch im Beruf voranzukommen und etwas bewirken zu können, findet nach bisheriger, sie nicht zufriedenstellender beruflicher Tätigkeit eine Anstellung beim „Circle“, einem freundlichen Internetkonzern, der (hier im Buch) die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter bereits geschluckt hat. So steht es in der Einführung geschrieben.
Sie ist stolz, dort arbeiten zu dürfen und zugleich beeindruckt von der Beliebtheit ihrer Freundin im Circle. Und sie eifert ihrer Freundin nach, will mindestens ebenso erfolgreich sein.
Was ist sinnvoll?
Die Arbeit beginnt in der Customer Experience (ich habe es für mich mit Kundenbetreuung übersetzt). Es beginnt mit der Betreuung von Werbekunden und der Bearbeitung von Anfragen. Für mich schon hier erschreckend, wie die Kunden hier im Anschluss der Beantwortung ihrer Frage Fragebögen beantworten und die Zufriedenheit ermittelt wird. Ist das Rating unter 94 wird noch einmal nachgehakt. Wenn die durchschnittliche Bewertung der Antworten durch die Kunden bei mindestens 96 liegt, ist das Ergebnis halbwegs zufriedenstellend. Hier kamen mir die ersten Parallelgedanken. Vor drei Jahren beim Kauf eines neuen Autos erlebte ich es das erste Mal. Ein Anruf zum Kaufvorgang und meiner Zufriedenheit. Okay dachte ich. Das mag in Ordnung gehen, es ist etwas Größeres. In den folgenden Monaten bekam ich diese Anrufe dann auch, als ich nur einen Reifenwechsel durchführen ließ. Für mich ein ganz normaler Servicevorgang. Die Nachfragen dagegen fand ich überzogen.
Zuviel Anglismen im Buch
Maes Aufgaben wuchsen natürlich mit ihrem Engagement immer weiter. Immer mehr Bildschirme, die es zu beachten galt, immer mehr Kundenkontakte der verschiedensten Art. Da wird gezingt, es gibt Follow-up-Kommentare, es geht um Frowns. Hier streikte auch mein Übersetzungsdienst von Windows 10. Schade, wir werden diese Begriffe sicher auch bald in unserem deutschen Sprachgebrauch haben. Die vielen Anglismen störten mich etwas an diesem Buch. Da hätte ich mir vom Übersetzer noch eine kleine Anmerkung am Ende des Buches gewünscht. Denn selbst wenn sich dem Laien vieles aus dem Text erschließt, wäre es doch einfacher wenn man die Begriffe sofort und genau definieren kann.
Mae ist begeistert
Nachdem Mae ihre ersten Arbeitstage hinter sich hat lernt sie auf dem obligatorischen Freitagstreff SeeChange kennen. Angelehnt an ‚sea change – Zeitenwende‘ werden hier überall auf der Welt kleine Kameras installiert die vom normalen Menschen nicht bemerkt werden, deren Bilder auf einem zentralen Rechner zusammenlaufen. Eine Überwachung oder erfolgreiche Suche wird mit Hilfe der inzwischen gut entwickelten Gesichtserkennung möglich. Die Entwicklung geht stürmisch voran und bald können Nutzer weltweit auf die Bilder zugreifen. Diese Überwachung führt später zum Tod von Maes Exmann, der sich eben dieser Überwachung durch eine Flucht entziehen will.
Es geht immer weiter mit der totalen Überwachung
Während im Circle die Überwachung oder die Offenlegung der eigenen Person und des eigenen Verhaltens immer weiter geht, Menschen immer gläserner werden, versuchen andere sich davor abzuschirmen.
Mae’s Eltern, die von ihr über den Cirle krankenversichert worden sind und damit anfangs auch sehr glücklich und zufrieden waren, entziehen sich nach und nach der zunehmenden Überwachung. Mae will sie, ebenso wie ihren Ex Mann von den Vorteilen dieses neuen Lebens überzeugen. Bis zuletzt begreift Mae nicht, dass die ihr nahestehenden Menschen nicht diese Offenlegung ihrer Persönlichkeit, der Familie, bis hin zu den später erfolgenden Offenlegungen der Familiengeschichte wollen. Sie favorisiert das, was der Moloch Circle begonnen hat und bringt es voran. Selbst als ihre beste Freundin daran scheitert, ist kein Nachdenken zu erkennen.
Ein faszinierendes Buch für den, der bereit ist, sich mit der zunehmenden Offenlegung der eigenen Persönlichkeit in Netzwerken auseinanderzusetzen. Noch haben wir die Freiheit im wesentlich selbst zu entscheiden, wem wir welche Daten geben. Wir wissen aber auch, dass schon seit geraumer Zeit fleißig über jeden von uns gesammelt wird.