Mikrowohnungen – Wohnform im Trend?

von Roswitha Ludwig

In den Großstädten herrscht Wohnungsmangel. Studenten finden oft keine Wohnmöglichkeiten, Flüchtlinge werden unterzubringen sein. Staatliche Förderprogramme sind zu erwarten. Private Investoren werden gesucht. Werden auch Kleinstwohnungen realisiert?

Was ist eine Mikrowohnung?

Sie ist eine abgeschlossene Wohnung und besteht aus einem Wohn-Schlafraum, einer Kochmöglichkeit und einem Bad. Das ist auf 20 – 35 m² unterzubringen, Balkone sind eher selten. Diese Wohnungen sind oft möbliert. Sie werden in der Regel von einer Person bewohnt. Moderne Planungen sehen für eine Anzahl solcher Wohneinheiten Gemeinschaftsräume vor, seien es Dachbalkone, Räumlichkeiten um gemeinsam die Freizeit zu verbringen oder gewerblich tätig zu sein. So gehört zum Planungskonzept Mikrowohnungen auch noch ein möglichst flexibel zu nutzender Gemeinschaftsbereich. Den Bewohnern wird ein Rahmen zu Austausch und Begegnung geboten.

Zum Wohnungsbedarf

Es ist gar nicht so einfach, zukünftigen Wohnbedarf zu berechnen und bedarfsgerecht zu planen.
In Stuttgart zum Beispiel vertraten Experten die Ansicht, dass die Einwohnerzahl sinken würde gemäß dem demografischen Trend mit immer mehr älteren Einwohnern. Heute sieht es danach aus, als würden wirtschaftliche und nicht demografische Trends die Entwicklung der Stadt bestimmen. Die Arbeitsmöglichkeiten und der Trend zum städtischen Wohnen ziehen immer mehr Menschen an. Hinzu kommen die Flüchtlinge, die untergebracht werden müssen. Statt der geplanten 1800 neuen Wohnungen im Jahr werden 8000 Wohnungen gefordert, Stand November 2015. Die derzeitige Einwohnerzahl liegt bei knapp 600 000 Einwohnern. Von den Haushalten sind immerhin 51,5 % Einpersonenhaushalte.

Klein und fein

Was dem einen sein Wohnzimmer ist, ist dem andern die ganze Wohnung. Gestalten lässt sich das in jedem Ausstattungssegment. Um nicht das Gefühl von Enge entstehen zu lassen, muss mit Bedacht möbliert werden – möglichst mit hellen Möbeln. Einbauschränke lassen sich in Fluren unterbringen, eventuell können Regale auf der Rückseite angebracht werden. Schiebetüren nehmen weniger Platz weg als Drehtüren, auch Spiegelflächen vergrößern optisch. Das Hochbett ist unter Umständen kein Tabu. Häufig dient eine Liege als Sitzmöbel am Tage und nachts als Bett. In einer Schublade darunter kann das Bettzeug untergebracht werden. Spüle, Kochgelegenheit mit zwei Platten und Kühlschrank vereinigt die Pantryküche. Auch eine Mikrowelle braucht nicht viel Platz. Auf den Backofen muss eben verzichtet werden. Wichtig ist der richtig beleuchtete Arbeitsplatz.
In Darmstadt oder Mainz kosten studentische „Smartments“ von der Baugesellschaft GBI 380 bis 400 €, in Frankfurt bis 500 €. Es werden sogar Wohnungen für 500 bis zu 800 € angeboten. Die hohen Quadratmeterpreise erklären sich auch daraus, dass bei den kleinen Flächen Ausstattungen wie bei großen Wohnungen anfallen, z.B. Bäder, Wohnungsabschluss und andere Installationen, hinzu kommt die Möblierung und der Hausmeisterservice.

Mikrowohnungen im Trend

Grundriss 1:© HHVISION)

In Groß- und Universitätsstädten werden zur Zeit Einheiten mit Hunderten solcher Apartments geplant und gebaut. Im „Studio Eins“ im Frankfurter Stadtteil Gallus zählt ein solcher Komplex 224 möblierte Apartments.
Großunternehmen bauen auch in anderen Großstädten und werben um Investoren in diesem Segment, indem sie darauf verweisen, dass es viel zu wenig Wohnungen dieser Größe gibt und Mangel herrscht. Zentrumsnahes Wohnen ist heute gefragt, entsprechend werden viele Altbauwohnungen aufwendig saniert. Sie stehen für Studenten WGs nicht mehr zur Verfügung. Das vergrößert den Wohnungsmangel dieser Gruppe. Noch 2013 entfielen nach Auswertung der Daten der Statistischen Landesämter in Deutschland nur 12 % der Wohnungen auf solche mit ein- oder zwei Zimmern. Trotz hoher Quadratmeterpreise um 4000 € bleibt die Anlagesumme für Investoren wegen der geringen Quadratmeterzahl noch überschaubar.

Nutzer von Mikrowohnungen

Kleinwohnung ©HHVISION

Wer eine solche möblierte Wohnung bezieht, hat keine Arbeit mit dem Einrichten. Viele Nutzer mieten für einen begrenzten Zeitraum. Sie können mit dem Koffer anreisen, auspacken und wohnen und ebenso unkompliziert wieder ausziehen. In Universitätsstädten sind bei günstigen Preisen Studenten und Praktikanten sowie Auszubildende eine Nutzergruppe. Wer einen Projektauftrag hat, benötigt nur für die Dauer dieser Arbeit eine Wohnmöglichkeit. Wenn Arbeitnehmer Wochenendpendler sind, genügt ihnen die kleine Wohnung für die Arbeitswoche. Die Kleinwohnung passt zu flexiblen Arbeitsverhältnissen.
Für Mieter, die dauerhaft eine Kleinwohnung wünschen, werden etwas größere Kleinwohnungen konzipiert. Oft sind sie nur mit Schränken und Küchenzeile möbliert und können individuell eingerichtet werden. Das kann sogar für fitte Senioren interessant sein, die selbstständig in der Nähe ihrer Kinder und in der Stadt leben möchten. Ihnen ist städtisches Wohnen mit entsprechenden kulturellen Angeboten wichtiger als die großzügigere Wohnung mit mehr Räumen.

Staatliche Förderung

Lobby klein

Das Bundesbauministerium will bis Ende 2018 mit 120 Millionen Euro mehrere tausend Kleinwohnungen für Studenten fördern. Die sogenannten Variowohnungen sollen behindertengerecht gebaut sein und sich zu größeren Einheiten zusammenlegen lassen. So können sie auch für Behinderte oder Senioren genutzt werden. Sie stünden auch für Pendler oder Flüchtlinge zur Verfügung. Private Investoren erhalten einen Zuschuss von 30 % der Baukosten, wenn sie Einzimmerwohnungen mit 22 Quadratmetern für 260 – 280 Euro Warmmiete realisieren. Experten von Baugesellschaften bezweifeln, dass mit diesen Vorgaben noch rentabel gebaut werden kann, z.B. R. Nittka von GBI Wohnbau. Um den Wohnbedarf zu decken, müssen in den nächsten Jahren noch zahlreiche weitere Förderprogramme aufgelegt werden.

Fazit

Wohnraum in der Stadt ist knapp und teuer. Das Segment Kleinwohnung wird vermehrt auf den Markt gebracht und nachgefragt, weil es bisher fehlt und in verschiedenen Lebens- und Arbeitssituationen zweckmäßig ist. Viele Menschen müssen Kompromisse schließen bei der Wahl ihrer Wohnung. Selten lassen sich alle Wünsche erfüllen. Kurt Tucholsky hat das treffend zum Ausdruck gebracht in dem Gedicht:

Das Ideal
Ja, das möchtste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –
aber abends zum Kino hast dus nicht weit……

Zufrieden und glücklich wohnt derjenige, der sich mit seinen Gegebenheiten arrangieren kann. Die Einzimmerwohnung in gewünschter Lage kann für eine kürzere oder längere Zeit durchaus eine gute Lösung sein, zumal viele Bürger in Einpersonenhaushalten leben. Außerdem diszipliniert der kleine Raum dazu, sich auf das Notwendige zu beschränken.

Quellen

Grundriss und Fotos: mit freundlicher Genehmigung der Fa. Rückerkonsult, Berlin

copyright:© HHVISION

Frankfurter Sonntagszeitung
http://www.faz.net/aktuell/stil/drinnen-draussen/mikrowohnungen-in-frankfurt-co-klein-aber-fein-13787456.htmlStuttgarter Statistik zur Einwohnerentwicklung
http://statistik.stuttgart.de/statistiken/flyer/einwohnerdaten/2015/index.html#8