Von Eleonore Zorn
Wenn es in den Medien oder auch in privaten Gesprächen um Frauen und ihre Eignung für den Umgang mit Computern oder das Studium der Informatik geht, kommen die Herren der Schöpfung selten ohne ein Fragezeichen oder einen leicht abwertenden Seufzer aus.
Gibt es geschlechterspezifische Begabungen?
Da ich selbst keine Begabung für den Umgang mit Zahlen habe, schien mir dieses Vorurteil gegenüber Frauen einigermaßen berechtigt, wenn es um Mathematik und Naturwissenschaften im Allgemeinen ging. Mich persönlich kränkte es jedenfalls nicht, da es auf mich zutraf. Eine kleine Notiz im Internet belehrte mich jedoch eines Besseren. Seit ich die Biografie von Ada Lovelace (1815 -1852, London) kennengelernt habe, sehe ich die Fähigkeiten der Frauen, vor allem einiger in besonderer Weise begabter Frauen, in einem anderen Licht.
Eine noch heute ungewöhnliche Biografie
Vom ersten Moment an hat mich die Geschichte dieser Frau fasziniert. Ein Gemälde von ihr zeigt eine sehr schöne, sehr elegante, aber keineswegs verträumt blickende Lady in der Kleidung und Attitüde des 19. Jahrhunderts. Nie wäre ich darauf gekommen, dass es in ihrem diademgeschmückten Kopf hauptsächlich um Zahlen ging.
Sie gilt heute als die erste Programmiererin, wird als Ikone der Informatik bezeichnet. Ihr Name ziert viele Projekte und Einrichtungen, die sich mit der Förderung von Frauen in der Welt der Naturwissenschaften befassen. Den Anfang nahm dieser Siegeszug, als 1970 das US-Verteidigungsministerium die erste objektorientierte Programmiersprache ADA nannte. Dies war eine erste Anerkennung der Bedeutung dieser Mathematikerin in der heutigen Zeit. Erstaunlicherweise ist dies in der Öffentlichkeit weit weniger bekannt, als man annehmen könnte.
Die Tochter des Dichters Lord Byron
Augusta Ada Byron wurde am 10. Dezember 1815 in London als erste eheliche Tochter des romantischen Dichters Lord Byron geboren. Er trennte sich bereits einen Monat nach Adas Geburt von seiner Frau Anna Isabella Noel-Byron und veranlasste sie, mit dem neugeborenen Kind wieder zu ihren Eltern zurückzukehren. Ada hat ihren Vater nie wiedergesehen. Sie wuchs im Hause ihrer Großeltern auf mit einer Mutter, die Geometrie und Astronomie studiert hatte und sehr an Mathematik interessiert war. Diese naturwissenschaftlich interessierte Mutter ermöglichte Ada ein Studium der Mathematik bei Charles Babbage und der Mathematikerin Mary Somerville. Ada Byron betrieb ihre mathematischen Studien mit großer Leidenschaft, auch als sie schon William King, 8. Baron King, geheiratet hatte, der später zum 1. Earl of Lovelace erhoben wurde.
Ein Leben lang im Spagat zwischen Begabung und Familie
Lady Lovelace versuchte ihr Leben als Mathematikerin und Forscherin mit den Pflichten als Ehefrau und Mutter in Einklang zu bringen, was ihr nach der Geburt von drei Kindern immer weniger gelang. Sie schrieb in einem Brief an Mary Somerville über ihre unglückliche Ehe, die es ihr so schwer macht, ihren Begabungen und Neigungen zu leben.
Es gab deshalb nach Phasen der wissenschaftlichen Arbeit auch Zeiten in ihrem Leben, in denen sie sich alle Mühe gab, eine perfekte Lady, Gastgeberin, Erzieherin der Kinder, Ehefrau und respektierte Gesellschaftsdame zu sein. Sie liebte Musik und Tanz und gesellschaftliche Ereignisse zeitweise fast ebenso wie Zahlen und Algorithmen.
Anerkennung und Förderung
Im Jahre 1843 gab ihr Charles Babbage, der englische Mathematiker, Philosoph und Erfinder, die auf Französisch von dem Italiener Luigi Menabrea angefertigte Beschreibung zum Bau einer mechanischen Rechenmaschine. Er bat Ada, die er schon als Kind kannte, diesen Text ins Englische zu übersetzen. Fast ein Jahr arbeitete Ada mit Leidenschaft und Konzentration an dieser Arbeit, übersetzte nicht nur kompetent, sondern fügte auch einen eigenen Anhang mit Überlegungen zu verschiedenen Punkten dazu. Vor allem entdeckte sie auch eine kleine Ungereimtheit in den Berechnungen, teilte diese Entdeckung ihrem Lehrer Babbage mit. Dieser nahm sie mit Interesse und mit Anerkennung entgegen und machte sich sogleich an die Überprüfung. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit entwarf Ada Lovelace für Charles Babbage einen schriftlichen Plan, wie man Bernoulli-Zahlen mit der Maschine berechnen konnte. Dieser Plan brachte ihr den Ruhm ein, das erste Computerprogramm geschrieben zu haben. Die Maschine wurde nie gebaut, da das britische Parlament die Übernahme der Kosten verweigerte.
Erfinderin eines mathematisch sicheren Wettsystems
Ada Lovelace war ihr kurzes Leben lang intensiv damit beschäftigt, ihr Leben als Frau, Mutter, Dame der Gesellschaft und ihre Begabung für Mathematik unter einen Hut zu bringen. Sie verfiel in den letzten Jahren vor ihrem frühen Tod durch Krebs ihrer Leidenschaft für Pferde-Wetten. Finanziell geriet sie dadurch in Bedrängnis, aber sie hatte während der langen Zeit der Bettlägerigkeit eine ihren Geist beflügelnde Beschäftigung gefunden: Ein mathematisch sicheres Wettsystem. Charles Babbage, mit dem sie zeitlebens in Briefkontakt blieb, schätzte sie als ebenbürtige Gesprächspartnerin und Kollegin. Er sandte ihr 1843 folgende Zeilen:
Forget this world and all its troubles
and if possible its multitudinous Charlatans
everything but the Enchantress of Numbers.
In einer Sache waren sie sich stets einig: in der Leidenschaft und der Bewunderung für die Welt der Zahlen.
Pionierin der Computerwissenschaft
Obwohl Auguste Ada Byron, spätere Lady Lovelace, keine lange Zeit des Wirkens beschieden war, hat sie in dieser Zeit sehr viel für die Mathematik und daneben für ihre Familie geleistet. Sie wird zu Recht eine Pionierin der erst später entstandenen Computerwissenschaft genannt.
Ein Vorbild für Frauen in naturwissenschaftlichen Berufen
Viele Ada-Lovelace-Projekte werden in fast allen Bundesländern als Mentoring-Programme gestartet, um das Interesse von Frauen für das Studium der Naturwissenschaften zu wecken. Dies ist ein sehr lobenswertes Unternehmen finde ich, gerade auch deshalb, weil ich selbst leider nicht das Glück hatte, in meiner Kindheit und Jugend in Bezug auf Mathematik gefördert zu werden. Ein leidenschaftlich für Mathematik begeisterter Lehrer mit guten pädagogischen Fähigkeiten hätte mich vielleicht schon damals auf den Spuren Ada Lovelace‘s wandeln lassen. Nun habe ich über Ada Lovelace nachgedacht, recherchiert und hoffe, mit meiner Bewunderung für diese ungewöhnliche Frau einen kleinen Beitrag zur Anerkennung einer der ersten Frauen in der Welt der Informatik geleistet zu haben.
Eine rührende Notiz fand ich bei Wikipedia über den Ort der Beisetzung von Lady Ada. Sie wurde auf eigenen Wunsch neben ihrem ebenfalls mit 36 Jahren (1852) verstorbenen Vater, Lord Byron, beigesetzt.
Ada Lovelace, geborene Byron, ihrem fernen Vater endlich nahe im Tode.