von Maja Prée
Kisch, Wallraff und Scherzer sind für mich bedeutende zeitkritische Schriftsteller und Journalisten. Mit ihren Reportagen, in denen sie quasi im Selbstversuch sich mit Problemen ihrer und unserer Zeit auseinandersetzten, haben sie in durchaus unterhaltsamer Form den Finger auf manche „Wunde“ gelegt.
„Schreib das auf; Kisch“
Dieser Satz blieb mir im Gedächtnis. Ich las ihn in „Ein Reporter wird Soldat“. Aus dem Buch „Das tätowierte Porträt“, mein erstes Buch, welches ich von Egon Erwin Kisch las. Eine Reclamausgabe für 3 Mark, gekauft in meiner Studentenzeit. Ich war glücklich, als ich dieses Buch im Rahmen meiner Recherchen jetzt im Bücherschrank wieder fand. Kisch’s kritische und trotzdem humorvolle Art über das damalige Zeitgeschehen zu berichten, hatte mir immer gefallen. Er hatte von 1885 bis 1948 gelebt. In einer seiner Reportagen schreibt er unter anderem, wie er zum Reporter wurde und man merkt ihm an, mit welch intensivem Interesse er den Ursachen der Geschehnisse auf den Grund ging. Egon Erwin Kisch gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus.
Lesespaß
Als ich die ersten Geschichten damals las, beeindruckte mich die Mischung aus Journalismus und kriminalistischem Spürsinn. Sein hintersinniger Humor, der immer wieder zum Ausdruck kommt, machte mir auch jetzt wieder Spaß, als ich dieses Buch in den Händen hielt und darin stöberte. Ich hatte später noch etliche seiner Bücher gelesen. Es war interessant, unter welch persönlichem Einsatz er zu seinen Texten kam. Als Rasender Reporter wurde er weltweit bekannt.
Persönlicher Einsatz
Günter Wallraff war später für mich ein Schriftsteller, der mit seinem persönlichen Engagement manches Problem in der Arbeitswelt aufdeckte. So faszinierte mich unter anderem sein 1973 erschienenes Buch „Ihr da oben, wir da unten“ oder das später herausgegebene Buch „Ganz unten“ mit verschiedenen Reportagen, in denen er als türkischer Gastarbeiter bei MacDonalds, einer klinischen Studie oder in der Pharmaforschung beschäftigt war. Zum Teil erschreckend, wie uns der Spiegel vorgehalten wird, wie mit ausländischen Arbeitern umgegangen wird. Aber auch wie in manchen Unternehmen die Arbeitsschutzbedingungen einfach ausgehebelt wurden und die Menschen behandelt wurden. Man mag über solche verdeckten Aktionen denken wie man will. Ohne sie würde jedoch manches unbekannt bleiben
Ein Journalist und Reporter aus „meiner“ Region.
Landolf Scherzer ist Reporter und Journalist aus Südthüringen. Ihn konnte ich schon vor vielen Jahren zu Buchlesungen erleben. Er hat sich vor allem den Langzeitreportagen verschrieben, die dann als Buch erschienen sind. In den 70er Jahren gab es in der regionalen Presse auch noch literarische Beiträge, in denen ein Buch als Fortsetzung veröffentlicht wurde. „Fänger und Gefangene“ hieß dieses Werk in dem Landolf Scherzer über seine Arbeit auf einem Fischfangschiff berichtete. Ich hatte mich jeden Tag auf die Fortsetzung gefreut, kaufte es mir dann aber später auch als Buch. Eines der ersten, was ich von ihm las. Hier gefielen mir ebenfalls der feinsinnige Humor und die Sachlichkeit mit der er über die Arbeit der Mannschaft wie auch die Gegebenheiten an Bord und Allgemein berichtete. In seinem neuesten Werk „Stürzt die Götter vom Olymp“, das er zu einer Buchlesung vorstellte, hörte ich den Satz aus dem Buch „Schreib das auf, Landolf“. An diesem Abend wusste ich schon, dass ich zu dem Thema eine literarische Reportage schreiben wollte. So schloss sich hier thematisch für mich der Kreis.
Landolf Scherzer
Er ist ein ruhiger Mensch. Man spürt aber sein persönliches Engagement in seinen Lesungen, wenn er zu dem Thema spricht, über das er in dem jeweiligen Buch geschrieben hat. Mit seinen Reportagen ist er immer „am Zahn der Zeit“. Gefallen hatte mir in der neueren Zeit sein Buch „Grenzgänger“. Er wanderte dort etliche Kilometer an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Und er will uns die Wahrheit aufzeigen, das was nicht von der Politik gesagt wird.
„Stürzt die Götter vom Olymp“ ist ein Buch über das heutige Griechenland. Über das Leben der ganz normalen Leute, welches sich von gestern auf heute mit der Eurokrise drastisch verändert hat. Soziale Leistungen, die nach einem Jahr Arbeitslosigkeit wegfallen. Undenkbar für uns. Und wie die Menschen damit umgehen. Er schreibt auch über die Solidarität, die zwischen den Ärmsten existiert. Ein sehr interessanter Zeitbericht. Kritisch und unvoreingenommen sind seine Reportagen.
Die literarische Reportage
Sie beruht auf unmittelbaren Anschauungen, gewährt persönlichen Beobachtungen und Sinneswahrnehmungen Raum und kann durch eigene Eindrücke ergänzt werden. Es waren die ganz persönlichen Schilderungen, die mir bei diesen drei Schriftstellern den Spaß am Lesen gegeben haben. Sie haben ein Stück Zeitgeschichte festgehalten, aus ihrer Sicht. Wir haben die Möglichkeit, mit unseren eigenen Eindrücken zu vergleichen. Die persönlichen Erfahrungen des Autors können wir in unser Leben mitnehmen; sie akzeptieren oder ablehnen. Und so sind die Reportagen von Kisch, Wallraff oder Scherzer für mich ein wertvolles Stück Zeitgeschichte.