Über die Alpen

von Anne Pöttgen

Unüberwindlich sind sie heute nicht mehr, die Alpen, wir folgen einfach den Straßen oder Schienen. Aber auch früher schon fand man Wege von Nord nach Süd und umgekehrt, vor allem des Handels wegen.

Der Hauptkamm der Alpen

Er wird heute über den Gotthard und den Brenner überwunden. Das ist die Nord-Süd-Richtung, von Westeuropa aus ist auch der Große St. Bernhard immer noch wichtig. All diese Straßen führen durch großartige Berglandschaften, die man natürlich heute leichter genießen kann als in früheren Zeiten. Wer mit einem Saumtier unterwegs war oder seine Waren selber schleppen musste, hatte sicher keinen Blick für die Schönheit seiner Umgebung. Er war froh, wenn er endlich das Hospiz erreichte, das ihm Sicherheit und Platz zum  Ausruhen bot.
Wichtige geschichtliche Ereignisse verbinden sich mit den Pässen: Der Weg nach Canossa führte über den Mont Cenis im Westen, Napoleon wählte den Großen St. Bernhard für seine Armee, der Gotthard-Pass war dem Staufenkaiser Friedrich II. so wichtig, dass er den nördlich angrenzenden Kanton mit Privilegien bedachte, um ungehindert Zugang für seine Soldaten zu haben.

Der Große St. Bernhard

Schon in der Schule haben wir sie kennen gelernt, die gutmütigen Bernhardiner, die dem entkräfteten Reisenden mit einem Fässchen Alkohol zu Hilfe kamen. Ja, das war hier, wo das Hospiz der Augustiner-Chorherren auf der Passhöhe – 2.469 m – Dienst an den Reisenden versah. Jeder, der den Pass überquerte, hatte Anspruch auf Gastfreundschaft, Zöllner wie Schmuggler.
Zunächst hieß der Pass Mont Joux, mons jovis, nach dem Jupitertempel, den die Römer hier oben errichtet hatten. Die Römer hatten auch schon exakt die Länge des Passweges errechnet: 81 Kilometer, von Martigny im Wallis bis Aosta auf der Südseite. Der Anstieg im Norden ist überaus steil, dafür ist der Ausblick ins Walis grandios, nur sollte man keine Höhenangst haben.
Heute fährt man nur über die Passhöhe, wenn man die besondere Landschaft und Flora dieser Höhe kennen lernen möchte. 1964 wurde hier der erste Straßentunnel der Alpen nach sechsjähriger Bauzeit eröffnet. Das nördliche Tunnelportal liegt bei Bourges St. Pierre in 1.918 m Höhe, also rund 500 m unterhalb der Passhöhe. Der Tunnel hat eine Länge von 5,85 km.

Der St. Gotthard Pass

Dicht dahinter ist Italien und dahin wollten die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, und das ging am besten über den St. Gotthard Pass.
Schon im Mittelalter zogen jährlich viele Tausend Reisende über den Saumweg, der von Andermatt nach Airolo führte. Die reichlichen Einnahmen aus den Zöllen und Abgaben kamen den Habsburgern zu Gute, die natürlich auch für den Ausbau der Strecke verantwortlich waren. Die Passhöhe liegt bei 2.106 m. Im dreizehnten Jahrhundert entstand hier das Hospiz, dessen Kapelle dem Heiligen Godehardus geweiht war. Das Haus diente den zahlreichen Rompilgern als Herberge.
Konkurrenz belebt das Geschäft und der Ausbau von Fahrstraßen über den Simplon, den Splügenpass und den San Bernardino war Anlass, die Gotthardstraße ebenfalls auszubauen. Schon 1831 fuhren auf der inzwischen 5,5 bis 7,5 m breiten Trasse Kutschen von Nord nach Süd und umgekehrt und 1902 überquerte das erste Auto den Pass.
Inzwischen hatte aber die Eisenbahn den Gotthard erobert. 1882 wurde nach langen Anlaufschwierigkeiten der 15 km lange erste Tunnel eröffnet.

Brennerpass

Schon die Kimbern kamen über den Brenner, als sie 102 v. Chr. Rom erobern wollten. Und umgekehrt zog der römische Feldherr Drusus 15 v. Chr. mit seinen Legionen über diesen Pass, als er für seinen Vater Augustus das Gebiet nördlich der Alpen bis zur Donau eroberte.
Heutzutage ist der Brenner die meistbefahrene Strecke zwischen Nord und Süd, Österreich und Italien, er ist mit seinen 1.370 m Höhe bequem befahrbar. Neben der vierspurigen Autobahn, für deren Nutzung eine Mautgebühr anfällt, gibt es die alte Fahrstraße und die Eisenbahnstrecke
1963 wurde die Europabrücke für den Verkehr freigegeben, sie war zu dieser Zeit die höchste Brücke Europas. Und wie viele besondere Bauwerke hat auch sie ein Sage hervor gebracht: In einem ihrer Pfeiler soll ein Mensch eingemauert worden sein!

Pässe mit Geschichte

Splügenpass, Foto Parpan05, by-sa

Neben diesen „Großen“ gibt es eine Reihe kleinerer Pässe, die einzelne Landesteile in der Schweiz oder in Österreich verbinden. Die meisten sind schon in der Römerzeit oder weit davor von Menschen genutzt worden, meistens wohl um Waren von hier nach dort zu bringen.
Der Splügenpass  zum Beispiel, an dem es Funde aus der Bronzezeit gab. Als Erinnerung an frühere Zeiten wird neben der Fahrstraße ein Saumpfad für Wanderer gepflegt.
Der Julierpass wurde auch schon von den Römern genutzt, auf der Passhöhe wurden Reste eines römischen Heiligtums gefunden. Im Norden beginnt die eigentliche Passstraße bei Bivio, Graubünden, von wo es auch über einen anderen „antiken“ Pass, den Septimer geht. Weiter nach Süden geht es über den Malojapass in das schon sehr südliche Bergell.
Weiter östlich, im Länderdreieck Schweiz – Österreich – Italien geht es über den Reschenpass von Landeck in Tirol in den Vintschgau in Südtirol. Die Passhöhe liegt bei 1.508 m und damit um einiges niedriger als die Pässe in der Schweiz. Einst führte die berühmte Via Claudia Augusta über diesen Pass, Endpunkt Augsburg.

Touristenspaß

Großglockner, Foto Holger.Ellgard,
by-sa

Als Erlebnisstraße wird die Großglockner Hochalpenstraße in den österreichischen Ostalpen bezeichnet, sie führt bis auf die Höhe von 2.504 m und bietet atemberaubende Ausblicke auf die Berge der Großglocknergruppe. Herzkrank sollte man allerdings nicht sein bei dieser Höhe. Sie verbindet die österreichischen Länder Salzburg und Kärnten. Knapp 900.000 erlebnishungrige Touristen befahren jährlich diese mautpflichtige Straße. Aber die Strecke über das Hochtor hat auch eine Geschichte: vorkeltische Bronzemesser, keltischer Goldschmuck, eine römische Herkulesstatuette und mittelalterliches Zaumzeug zeugen davon, dass diese Strecke ein bedeutender Handelsweg war.
Die Silvretta-Hochalpenstraße ist ebenfalls eine Privatstraße, sie verbindet die österreichischen Länder Vorarlberg und Tirol. Über die Bielerhöhe, 2.307 m, verläuft die Landesgrenze. Die Abfahrt Richtung Vorarlberg erfordert viel fahrerisches Können und ziemliche Nervenkraft, allerdings wird man mit dem wunderschönen Montafon belohnt. Sie ist eine der wenigen Alpenstraßen, die keine kommerzielle Vergangenheit haben.

Links

Großer St. Bernhard

Gotthardpass

Der Brenner

Der Reschenpass

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