Schöner schenken oder von Beschenkten und Geschädigten

von Ute Schäfer

Schenken. Das Wort verfolgt mich. Wohin ich gehe, schaue, es begegnet mir. –  Vorweihnachtszeit in der Sprache?

Ein Heft mit Geschenkpapier fordert auf, schöner zu schenken. Eine Radiosendung nennt in einem Atemzug als Titel Beschenkte und Geschädigte. Auf einer Gartenveranstaltung gab es Geschichten zu verschenken – die keiner haben wollte. Zog das Wort noch nicht? – Weihnachten noch zu weit weg?
Oder war es eher so: Etwas, das man verschenkt, ist wertlos, zumindest für den, der es verschenkt?  Wie in Zeitungen unter der Rubrik: „Zu verschenken“? Sie könnte auch heißen: „Brauch‘ ich nicht mehr“.
Bei denen, die Geschichten zu verschenken hatten, war das nicht so.

Das Wort lädt ein, Perspektiven zu wechseln

Ringelnatz meldet sich zu Wort: „Schenke mit Geist ohne List. Sei eingedenk, dass dein Geschenk – Du selber bist.“ – Schenken, ein Mittel der Selbstdarstellung – aus seiner Perspektive? – Und aus einer anderen? Ein Mittel der Entlarvung? Helles Kinderlachen klingt in meinem Gedächtnis: „Das ist kein Geschenk. Das kann man ja nicht auspacken.“ Das Geschenk war ein Besuch im Zoo. Daneben stellt sich – im Erinnern – das Lied: „Ich schenk dir einen Regenbogen“ – ein Kinderlied.
Materielles trifft Nicht-Materielles. Beispiele sind zahlreich: Lebensfreude schenken, Kraft, Schönheit, Jugend – wer möchte das nicht geschenkt bekommen! – Und im menschlichen Miteinander wird das Wort schenken zum Begleiter lebendigen Gestaltens: Einen Blick schenken (häufiger: keinen Blick schenken?), ein Lächeln schenken, Aufmerksamkeit, Beachtung. – Sogar Freundschaft kann man – weiß die Sprache – schenken.

Schenken, verschenken, beschenken, sich schenken, einschenken

Ich greife zum Wörterbuch. Hier muss Klarheit her. Gelandet bin ich bei: sich schenken – o.k., also auch in reflexiver Form wird geschenkt: rückbezüglich auf das Subjekt. Gemeint ist hier jedoch nicht – was auch mal Mode war – sich selbst etwas geben (man hat ja immer nicht genug) – nein: anders herum. Gemeint sind Bedeutungen wie absehen von, ausklammern, ausweichen, ja sogar sich drücken. „Sie waren so müde, dass sie sich den Museumsbesuch schenkten.“ – Gingen sie nun hin oder nicht? – 
Und was bedeutet der Satz in Thomas Manns „Zauberberg“ : „Im Speisesaal wurden alle Getränke geschenkt …“.  – alle umsonst? –

Ein Blick auf den Ursprung des Wortes

Im Althochdeutschen gibt es das Wort: scenken. Ursprünglich bedeutete es: etwas zu trinken geben, wobei das ganz konkret gesagt war: etwas schief halten, also das Gefäß, aus dem man etwas zu trinken gab, schief halten. Schenken bedeutete einschenken. So auch noch bei Thomas Mann: „Im Speisesaal wurden alle Getränke geschenkt“, und weiter erzählt er: „die nur irgend in Betracht kommen.“

Schenken, was nur irgend in Betracht kommt?

Der Blick weitet sich. Wörter wandern, kommen zu der heutigen Bedeutung: Schenken, was in Betracht kommt? In wessen Betracht? Wer ist Betrachter? –
Wo der Begriff auftaucht, auf Plakaten, in Inseraten, in Werbespots, zeigt er ein Begreifen dessen, was in das Schenken, das Geschenk gepackt werden kann. Wie es gebraucht wird für unterschiedliche Interessen. Vielleicht sind die kommerziellen dabei die harmlosesten.
Vorweihnachtszeit in der Sprache. – Oder schenk ich mir das alles? Schenk mir den Blick auf das, wofür das Schenken gebraucht wird? – Und denke an Weihnachten? An das, was ich schenken möchte.