von Roma Szczocarz
„ Jeder Fünfte in Polen ist von Altersarmut betroffen. Armut geht uns alle an“
Gesichter der polnischen Altersarmut
Altersarmut wie auch Armut war lange Zeit in Polen als Thema tabu. Wahrscheinlich weil ein solches Thema politisch schwierig und unbequem war. Nach der Wende hat sich das Problem Armut und Altersarmut drastisch entwickelt und man kann es nicht verstecken. Die Gefahr wächst und wird ständig größer. Zu den Risikogruppen gehören: Senioren, Kinder, Alleinstehende, alte Frauen, Invaliden. Überhaupt kann man sagen: Die Schwachen. 2013 hat die Forscherin Beata Wischewska ihre Ergebnisse über Erfahrungen der Armut in Polen dargestellt. Das Fazit laut: Jeder Fünfte 67jährige wird demnach 2036 von Altersarmut bedroht sein. Die Ergebnisse zeigen, dass die Polen zu den Völkern in Europa gehören, denen es am schlechtesten geht. Nur in Spanien ist es schlechter.
Was bedeutet der Begriff“ Armut“
Der ehemalige Präsident der Weltbank, Robert McNamara definierte Armut wie folgt: „Armut auf absolutem Niveau ist Leben am äußersten Rand der Existenz.“ Betroffen ist, wer mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent der Durchschnitts auskommen muss, wer sich normale Alltagsgüter oft nicht leisten kann oder wer in Haushalten lebt, in denen die Bewohner im arbeitsfähigen Alter kaum arbeiten.
Was sagen die Wissenschaftler darüber?
Sie behaupten kurz: Alt gleich arm. Aber die Politiker behaupten: Seit März 2018 gibt es in Polen höhere Renten. Laut Valorisierungsfaktor (2018) gibt es ca. 2,9%. Für 9 Millionen Alters- und Invalidenrenten (mit der durchschnittlichen Rente von etwa 250 Euro pro Monat ) nimmt die Rente ca. 26 Zlotych (6Euro) zu. Eine grauenhafte Perspektive. Die Regierung lobt sich, der Wohlstand in Polen, steigt. Einfach wunderbar. Doch inzwischen verstärkt sich die Armut drastisch, bedroht sind besonders Neurentner, die nicht nur von Armut bedroht, sondern auch auf Sozialhilfe angewiesen sein werden.
Prekariat
Prekariat ist ein soziologischer Begriff für eine soziale Gruppierung, die durch Unsicherheit im Hinblick auf die Art der Erwerbstätigkeit ihrer Mitglieder gekennzeichnet ist. Die Bewertung dieser Unsicherheit als“ prekär“ akzentuiert den Aspekt, dass Lebensverhältnisse schwierig sind, bedroht werden oder zum sozialen Abstieg führen können.
Altersarmut nimmt in Polen drastisch zu
Altersarmut nimmt in Polen drastisch zu
Ursachen für drohende Altersarmut gibt es viele, aber die Autoren der Rentenreform nennen vor allem drei Gründe: Unterbrechungen des Berufslebens z.B. bei Müttern, prekäre Arbeit mit Hungerlöhnen oder Arbeitslosigkeit. Ganz dramatisch sieht die Situation für die alten Frauen aus. Die Frauen stehen am Ende ihres Erwerbslebens oft mit Renten da, die kaum das Überleben sichern. Die durchschnittliche Rente einer Frau beträgt etwa 800 Zlotych (ca. 200 Euro) im Monat.
Alle suchen eine gute Lösung
In der Darstellung der Problemlagen wurde sichtbar, dass eine Politik der Bekämpfung der Altersarmut über die Gestaltung der Alterssicherung hinausgehen muss. Die Lebensqualität im Alter wird zudem nicht allein vom Niveau der Absicherung abhängen, sondern auch von der Teilhabe, die Menschen im Alter haben. Ältere Erwerbslose dürften nicht länger abgeschrieben, sondern müssten besser unterstützt werden.
„Armut und Alter, das sind zwei schwere Brüder, es wäre einer genug“ (unbekannt)
Nachtrag: Armut durch Behinderung
Wer in Polen ein behindertes Kind hat, bekommt eine geringe staatliche Unterstützung. Die endet, wenn das Kind erwachsen wird. Das ist verfassungswidrig. Die Eltern behinderter Kinder fordern ein würdiges Leben.
Die Proteste im Sejm
Die Flure des polnischen Sejms wurden im April 2018 Woche von Eltern mit behinderten Kindern besetzt. Sie wollen das Gebäude nicht verlassen, solange ihre Forderungen nach mehr staatlicher Unterstützung nicht gehört werden. Sie schlafen auf dem Fußboden und müssen sich jeden Tag um ihre behinderten Kinder kümmern. Es ist schon vorgekommen, dass Physiotherapeuten der Behinderten nicht ins Parlamentsgebäude reingelassen wurden. Draußen auf den Straßen versammeln sich weitere Eltern mit ihren Kindern. Ins Parlamentsgebäude dürfen sie inzwischen nicht mehr.
Keine Lösungen in Sicht
Die Eltern, die das Parlament besetzen, bekommen zwar Besuche von Politikern, doch eine Lösung ihrer Probleme ist nicht in Sicht. Als Präsident Duda zu ihnen kam und sie zum weiteren Kampf ermunterte, zeigten sie ihm als Antwort Videoaufnahmen von seinem Wahlkampf, als er sich für die Rechte der Behinderten einsetzte. Nach der Wahl hat er aber nichts für sie getan. Premierminister Morawiecki versprach den Protestierenden eine „Road map“, sprach aber auch gleich vom Geldmangel in der Staatskasse. Doch aufgeben wollen die Eltern nicht. Weitere Proteste sind angekündigt.
(Lesen Sie den vollständigen Bericht der Deutschen Welle von Monika Sieradzka http://www.dw.com/de/eltern-behinderter-kinder-besetzen-sejm/a-43542186)