von Ute Lenke
Einen Theaterbesuch kann man heute unbeschwert genießen. Über den Eingangstüren befindet sich eine Notbeleuchtung, die den Weg zum Ausgang weist, häufig ist auch in der ersten Sitzreihe ein Feuerwehrmann zu sehen.
Theaterbrände und ihre Ursachen
Wenn es heute dennoch gelegentlich zu Katastrophen kommt, ist das meist auf menschliches Versagen und die Nichtbeachtung der an sich strengen gesetzlichen Sicherheitsvorschriften zurückzuführen.
Dass das in der Vergangenheit anders war, zeigen Berichte über Brände und die dramatischen Folgen, wie z.B. den Wiener Ringtheaterbrand von 1881.
Theaterbrände waren im 18. und 19. Jahrhundert keine Seltenheiten : 82 Brände zwischen 1613 und 2011, allein 4 im Jahr des Ringtheaterbrandes 1881 1. Oft war es Unvorsichtigkeit oder Brandstiftung. Aber eine der häufigsten Ursachen war die Beleuchtung: es gab kein elektrisches Licht, keine Sprinkleranlagen wie heute – die Theater waren mit Kerzen oder in moderneren Zeiten durch Gaslampen beleuchtet. Auch der Eiserne Vorhang, der im Ernstfall Bühne und Zuschauerraum trennen soll, ist erst als Folge von Katastrophen eingerichtet worden. Bühnenaufbauten, Kulissen, die Kostüme der Darsteller waren aus Naturmaterialien hergestellt, die schnell Feuer fingen und lichterloh brennen konnten. Ein Wassereimer in den Kulissen konnte da nicht viel helfen.
Der Ringtheaterbrand
Eine beeindruckende Schilderung einer der größten Brandkatastrophen im 19. Jahrhundert gibt Ludwig Ganghofer in seinen Lebenserinnerungen „Lebenslauf eines Optimisten“2. Ganghofer war zu der Zeit Dramaturg am Ringtheater, das 1874 als Komische Oper Wien eröffnet worden war. Eine von ihm angebetete Schauspielerin – seine zukünftige Frau – wollte am Abend des 8.Dezember die neue Inszenierung von „Hoffmanns Erzählungen“ sehen. Ganghofer wollte eigentlich zu Hause bleiben und arbeiten, plötzlich zog es ihn aber wie magisch hin zum Theater: er kam gerade an, als aus dem Dach eine Stichflamme schoss und kurz darauf das ganze Theater in Flammen stand. Und sein „Mädel“ in der Theaterloge im 3.Stock… Besinnungslos vor Angst versucht er ins Theater zu gelangen, kann ein paar Menschen retten, wird selber verletzt.
Wie er den Brand, die hilflosen und viel zu spät begonnenen Rettungsversuche von Polizei und Feuerwehr beschreibt erinnert an das Schreckensszenario, dass wir kürzlich beim Brand des Londoner Hochhauses im TV ansehen mussten. Schreiende Menschen, verkohlte Leichen, herabstürzende Trümmer, die weitere Opfer fordern. Die Polizei verkündet den fatalen Satz: „Alle gerettet, niemand mehr im Theater“ und verhindert weitere Rettungsversuche, was hunderte Menschenleben kostet. Das Theater war dunkel und wer drin war, fand nicht mehr heraus, verbrannte, erstickte im Rauch oder wurde totgetrampelt.
Am Ende ist von 1200 Toten die Rede, aber die amtlich festgestellte Zahl von 384 Opfern ist furchtbar genug.
Die Folgen
Die ganze Nacht und noch am folgenden Tag werden verbrannte und entsetzlich entstellte Leichen aus den Trümmern herausgetragen, die Straßen sind schwarz von Menschen, die nach Angehörigen suchen.
In den Zeitungen steht, wie es zu dem Unglück kommen konnte: Durch den Luftzug, der meist auf der Bühne herrschte, wurde ein Vorhang gegen das Drahtgitter einer Gaslampe geweht, fing Feuer und in wenigen Minuten war die ganze Bühne eine „lohende Hölle“. Der Mann, der den Eisernen Vorhang fallen lassen sollte, rannte in Panik davon. Dadurch griffen die Flammen auf den Zuschauerraum über. Die vielen Hundert im Zuschauerraum wollten fliehen, hätten sich wohl noch retten können, aber „Jemand“ drehte den Haupthahn der Gasleitung zu, dadurch wurde die gesamte Beleuchtung einschließlich der Notlampen, ausgeschaltet und die Eingeschlossenen fanden den rettenden Ausgang nicht.
Nicht nur Wien, ganz Österreich trauerte. Das Theaterleben im sonst so lebenslustigen Wien war wochenlang, gar für Monate gelähmt. Für die Betroffenen und Hinterbliebenen floss…“ein Regen…der Wohltätigkeit. Alle Not konnte gelindert…werden…die Schmerzen blieben. Und sie verwandelten sich in nützliche Warner.
Mit der Sicherheit in den Theatern ist es besser geworden seit damals …Aber der Mann beim eisernen Vorhang – wie jeder andere, in dessen Händen bei Eintritt einer Gefahr die Entscheidung über das Leben vieler Menschen liegt – kann wieder einmal ein Schwacher oder ein Ungesunder sein, dessen Nerven versagen…Aber…das ist kein Grund, um ein Theater oder sonst eine Sache der Welt mit Mißtrauen zu betrachten. Man muß, wenn man leben will…immer ein bißchen zum <leichtsinnigen Wiener> werden und lachend denken: <Es wird nicht gerade heute etwas passieren>.“
Soweit der Bericht des Zeit- und Augenzeugen Ludwig Ganghofer.
Noch eine Folge
Ganghofer fand sein „Mädel“ damals nicht im Theater und auch nicht unter den Opfern. Er rannte – immer mehr in Panik – zur Wohnung seines „Mädels“: sie war gar nicht ins Theater gegangen, weil die kranken Neffen sie angebettelt hatten, „noch ein Märchen, bitte, Tante Thinkerl“. Von der Katastrophe hatte sie noch nichts mitbekommen und von Ganghofer hielt sie damals auch nicht viel, trotzdem gab es ein „happy end“ und im Mai wurde geheiratet.
Wers genauer wissen will
… sei auf die Quellen:
1:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Theaterbr%C3%A4nden und
https://de.wikipedia.org/wiki/Ringtheaterbrand
sowie
2:
Ludwig Ganghofer, Lebenslauf eines Optimisten, 3 Bände, zitiert aus Band 3, Kap.IX der Kindle-Ausgabe verwiesen.