von Ute Lenke
Nicht Thomas Alva Edison, sondern ein Auswanderer aus der Stadt Springe am Deister soll der Erfinder der Glühlampe sein. Johann Heinrich Göbel (1818-1893) wanderte mit seiner Familie 1848 in die USA aus, eröffnete ein Geschäft und beleuchtete es mit einer eigenen Erfindung: einer Glühlampe. Allerdings meldete er seine Erfindung nicht zum Patent an, so dass Th.A. Edison als der eigentliche Erfinder gilt.
Heinrich Göbel
Geboren wurde Heinrich Göbel am 20. April 1818 in Springe, damals einem kleinen Dorf am Deister. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, verließ die Schule mit dem schlechtesten Abschlusszeugnis seiner Klasse und begann eine Schlosserlehre. Seine Lehrer bescheinigten ihm allerdings „Erfindergeist“. Später machte er sich als Optiker und Mechaniker selbstständig, gründete eine Familie, mit der er 1848 nach USA auswanderte.
Dort eröffnete er als Henry Goebel einen Uhrmacherladen in New York, jedoch blieb der geschäftliche Erfolg aus. So half er etwas nach und fabrizierte einen selbsterfundenen, batteriegespeisten Lichtbogen auf dem Dach seines Hauses, erregte damit aber vor allem den Ärger der Nachbarn; sie riefen die Feuerwehr und die verbot ihm den „Unfug“.
Die Experimente zur Erzeugung von Licht durch elektrischen Strom setzte er dennoch unbeirrt fort und in den 50er Jahren gelang ihm die Entwicklung einer Kohlefadenglühlampe, die tatsächlich für einige Stunden Licht aus Batterien lieferte.
Die Göbel-Lampe
Das Problem bestand darin, einen Glühfaden in einem Glasbehälter längere Zeit zum Leuchten zu bringen, ohne dass der Faden verbrannte. Göbel benutzte anfangs eine umgedrehte Kölnisch-Wasserflasche, in die er Kupferdrähte als Elektroden und einen Glühfaden als Leuchtkörper einspannte; dann wurde die Flasche umgedreht, in ein Quecksilberbad gehalten, wodurch sich in der Flasche ein Vakuum bildet, und die Flasche dann schnell am Ende zu geschmolzen. Batteriezellen lieferten den Strom, doch die Glühfäden brannten zu kurze Zeit. Angeblich soll ihn sein Spazierstock auf die Idee gebracht haben, eine verkohlte Bambusfaser zu benutzen, die länger brannte. Goebel bastelte weiter an seiner Erfindung und soll 1859 mit seinen Lampen bereits eine Brenndauer von 400 Stunden erreicht haben. Im Laufe der Jahre entwickelte er mehrere Lampentypen. Er beleuchtete damit seine Wohnung und sein Schaufenster. Das soll dermaßen hell gewesen sein, dass sich wieder die Nachbarn beschwerten und Göbel die Beleuchtung abbauen musste.
Doch da er seine Erfindung überwiegend privat nutzte, versäumte er, sie zum Patent anzumelden. Die Experimente hatten seine Geldmittel aufgebraucht und es fehlten ihm auch einflussreiche Berater.
Thomas Alva Edison und die Patent-Prozesse
Göbel war keineswegs der erste und einzige, der sich mit der Erzeugung von künstlichem Licht befasste. Versuche hierzu gab es schon länger und andere Erfinder arbeiteten ebenfalls daran. Auch Thomas Alva Edison war auf der Suche nach dem perfekten Glühdraht und experimentierte mit verschiedenen Metallfäden, schaffte aber nie mehr als 45 Stunden Brenndauer. Den Durchbruch brachte erst die von Sprengel entwickelte Vakuumpumpe, mit der im Inneren des Glaskolbens das Vakuum hergestellt werden konnte, das eine längere Brenndauer des Glühfadens ermöglichte. Der ebenfalls neu erfundene Dynamo von Siemens machte auch die umständliche Batterie überflüssig. Und Edison erfand das uns noch heute bekannte Schraubgewinde der Glühbirne. Er erwarb 1880 das Patent auf den Lampentyp der Kohlefadenlampen. Damit konnte man nun die Lampen in großem Stil vermarkten.
Um das Glühlampenmonopol entstanden in den 80er und 90er Jahren zahlreiche Prozesse zwischen den Unternehmen der Elektroindustrie in den USA und Edison, bei denen auch Göbel als Prozessgegner und Zeuge eine Rolle spielte. Dabei versuchten Gegner Edisons, Göbel als den eigentlichen Erfinder hochzustilisieren und erfanden Lebensgeschichten, die zur späteren Legendenbildung um Göbel beitrugen.
Göbel selber hatte wenig Interesse am Ausgang der Verfahren um die Patente; er starb 1893 an einer Lungenentzündung noch während des letzten Prozesses, der ihm die späte Anerkennung brachte, dass er „seine“ Lampe immerhin schon 25 Jahre vor Edison erfunden hatte.
Die Göbel-Legende
In Amerika waren Göbels Verdienste um die Entwicklung der Glühlampe bald vergessen. In Deutschland wurde er vor allem seit dem 1. Weltkrieg dagegen als Pionier der Elektrotechnik, verkanntes Genie und Opfer amerikanischer Prozesspolitik dargestellt.
An seinem angeblichen Geburtshaus in Springe wurde 1929 eine Gedenktafel angebracht, Straßen und Schulen nach ihm benannt, für die Nationalsozialisten war er fast ein Heiliger: “Er, der Deutsche, hat das Antlitz der Welt verzaubert!…Deutsche, immer wieder Deutsche, bescheidene Menschen, Bastler und Gelehrte, ohne Gier nach Geld und Ruhm, aber Könner, ganze Könner, – Wohltäter der Menschheit.“ (zit.n. Wikipedia, H.G. S. 21/29).
Auch nach 1945 ging die Legendenbildung weiter. Die Stadt Springe ehrt und würdigt den größten Sohn ihrer Stadt bis heute, ein Hersteller für Glühlampen hat eine überdimensionale Glühlampe gestiftet, die weithin sichtbar über der Stadt leuchtet.
Die Entzauberung
Schon während der Prozesse am Ende des 19. Jahrhunderts und auch nach Göbels Tod waren immer wieder Zweifel an der Lebensgeschichte und den Berichten über die Entwicklung der Lampen, wie sie von Göbel, aber vor allem von den Anwälten vorgetragen wurden, laut. Ungenauigkeiten, fehlende Beweise, falsche Informationen, falsche Namen, falsche Angaben über Göbels Herkunft und Ausbildung ließen ihn zeitweise als Betrüger erscheinen.
Licht ins Dunkel brachte eine Dissertation 2006 von Hans-Christian Rhode: “Die Göbel-Legende.“ Darin untersucht der Autor die Prozessakten und es gelingt ihm der Nachweis, dass Göbel weder das verkannte Erfindergenie noch ein Betrüger war. Doch auch diese Darstellung blieb nicht unbestritten und die Pro-Göbel-Vertreter lassen nichts unversucht, doch noch zu beweisen, dass es Göbel war, der die Glühlampe erfunden hat.
Festzuhalten ist: Er war ein deutscher Auswanderer aus bescheidenen Verhältnissen, der in USA seinen Erfindergeist ausleben konnte und außer „seiner“ Glühlampe noch andere, auch patentierte Erfindungen gemacht hat.
Quellen und Links:
http://www.stadtmarketing-springe.de
www.technikatlas.de/~ta1/daten_deutsch.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_G%C3%B6bel
http://goebelonline.jimdo.com/meine-genealogie/goebel/heinrich-goebel-gl%C3%BChlampe/
http://www.zeit.de/2007/05/Heinrich_Goebel
Hans-Christian Rohde: Die Göbel- Legende: Der Kampf um die Erfindung der Glühlampe, 2007