Von Eleonore Zorn
Amalie Struve war eine bemerkenswerte Frau, weil sie sich ungeachtet ihrer unehelichen Herkunft und der Vorurteile ihrer Zeit weit über den Durchschnitt politisch engagierte. Sie war 1848/49 während der „Badischen Revolution“ aktiv an der Seite ihres Mannes tätig und später auch in Amerika.
Eine ebenbürtige Partnerin des Freiheitskämpfers Gustav Struve
Zeitlebens kämpfte sie für das Recht der Frauen auf Bildung und für Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Obwohl Amalie Struve viele selbstständige Aktionen durchführte und als eigenständige Schriftstellerin und Publizistin ihren Weg gemacht hat, ist ihre Wirksamkeit doch kaum von der ihres Mannes zu trennen, denn die bedeutendsten politischen Ziele verfolgte das Ehepaar gemeinsam.
Trotz einfacher Herkunft eine gebildete Frau
Die 1824 unehelich in Mannheim (damals Baden) geborene Amalie Siegrist war vermutlich durch den Einfluss ihres späteren Stiefvaters eine für ihre Zeit sehr gebildete Frau. Wie ihr Stiefvater Düsar hat sie zeitweise als Sprachlehrerin gearbeitet. Im Gegensatz zu ihren weiblichen Mitstreiterinnen im Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit hat sie sich nicht mit den damals üblichen typisch weiblichen Hilfsdiensten wie Einsammeln von Spenden und Mitarbeit in den gerade entstandenen Frauenvereinen befasst.
Amalie Struve nahm in ihrer Ehe mit dem Advokaten, Publizisten und Redakteur Gustav von Struve von Anfang an einen ebenbürtigen Platz ein. Das in Mannheim unter Struves redaktioneller Leitung gedruckte oppositionelle „Mannheimer Journal“ gab ihm eine Plattform für seine revolutionären, antimonarchistischen und radikaldemokratischen Gedanken. Gustav von Struve sowie auch das „Mannheimer Journal“ wurden 1846 auch weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, als er trotz Verbot und Geldbuße der staatlichen Zensur nicht Folge leistete.
Teilnahme des Ehepaares Struve an den badischen Freiheitskämpfen
Amalie agitierte während des „Vormärz“ an der Seite ihres Mannes, verteilte Flugblätter, begleitete ihn während des sogenannten „Heckerzuges“ in die militärischen Gefechte. Nachdem dieser bei Kandern zerschlagen wurde, versuchten Struve und Mitstreiter erneut im September 1848 in Lörrach die Republik auszurufen. Struve und Amalie wurden in getrennten Prozessen zu Haft verurteilt. Amalie saß 205 Tage in Einzelhaft. Kaum entlassen, geriet sie wegen Aufwiegelung des Militärs (um ihren Mann zu befreien) in der Garnison Rastatt (Mai 1849) erneut mit dem Gesetz in Konflikt. Sie erreichte die Befreiung ihres Mannes aus der Haft.
Am 1.6.1849 wurde Großherzog Leopold von Baden vertrieben und die badische Republik ausgerufen unter der provisorischen Regierung des Linksliberalen Lorenz Brentano. Das Zaudern des Prinzen angesichts der anrückenden Truppen des Deutschen Bundes veranlasste Struve und Anhänger, ihn nach kurzer Zeit zu stürzen. Es gelang ihnen jedoch nicht, die Übermacht der Preußen abzuwehren. Am 23. Juli 1849 wurde die Revolution in Rastatt niedergeschlagen und war endgültig gescheitert.
Flucht in die Schweiz, nach England und Neuanfang in den USA
Struve und Hecker konnten sich einer Hinrichtung entziehen und sich zunächst in die Schweiz in Sicherheit bringen. Über England emigrierten die Struves im Frühjahr 1851 nach USA, wo sich schon viele der „Forty-Eighter“ befanden. Struve versuchte ohne großen Erfolg, als Journalist den Unterhalt für die Familie zu sichern. Amalie Struve setzte sich auch in Amerika, wie zuvor in Europa, für die Rechte der Frauen ein, dabei war ihr die Bildung von Mädchen ein besonders dringliches Anliegen.
Erfolge in USA als Autorin, Publizistin, Frauenrechtlerin
Sie verfasste auch hier als unbeirrt streitbare Demokratin gesellschaftskritische Artikel und schrieb Romane und Theaterstücke, die das Ideal der Freiheit für alle, besonders auch für Frauen, zum Inhalt hatten. Leider war diesen Aktivitäten kein ausreichender finanzieller Erfolg beschieden. Die inzwischen mehrköpfige Familie lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen. Die Wende kam mit Beginn des Bürgerkrieges, als Struve sich für zwei Jahre im 8. New Yorker Regiment als Leutnant verpflichtete. Da er bald zum Hauptmann befördert wurde, konnte die Familie finanziell aufatmen.
Der frühe Tod einer unermüdlichen Kämpferin
Nach der Geburt ihres dritten Kindes verstarb Amalie Struve im Februar 1862 in New York. Gustav Struve, der nach einer Protestaktion gegen seinen neuen Kommandeur seinen Rücktritt eingereicht hatte, schiffte sich mit den Kindern nach Europa ein, wo er sich in Stuttgart und später in Coburg niederließ. Er starb am 21. August 1870 in Wien.
Bibliographie
Amalie Struve: Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen. Den deutschen Frauen gewidmet, Hoffmann und Campe, Hamburg, 1850
Quellennachweis
– Prof. Friedrich Walter: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart. Vom Übergang an Baden bis zur Gründung des Reiches. Band II, Verlag der Stadtgemeinde 1907
– Kunze, Michael: Der Freiheit eine Gasse, München, Kindler 1990