Zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie

von Erna Subklew

Vor einigen Wochen wurde die Zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie veröffentlicht. Sie befasst sich mit der Situation der Menschen im Alter von mindestens hundert Jahren. Die erste Studie stammt aus dem Jahre 2000.

Die Befragung

Das Ergebnis der Studie, die von der Heidelberger Universität durchgeführt und von der Robert-Bosch- und Dietmar-Hopp-Stiftung unterstützt wurde, war zwar mehr oder weniger erwartet worden, ist aber trotzdem interessant.
Es wurden 112 Hundertjährige befragt, von denen die meisten Frauen waren. Ermittlungsort war der Großraum Heidelberg, Mannheim, Darmstadt.
Im Jahre 2001 waren hier 212 Hundertjährige gemeldet, 2010 waren es 585, also mehr als doppelt so viele. Das Erstaunliche aber ist, dass die Prozentzahl der Probanden, die ihre Alltagsaktivitäten meisterten, auch gestiegen ist. Unter Alltagsaktivitäten versteht man, dass die befragte Person ohne Hilfe aufstehen, sich waschen und ankleiden und auch ohne Hilfe essen kann. Viele von ihnen kochten noch selbst und erledigten ihre Geldangelegenheiten. 52 Prozent waren überhaupt nur geringfügig eingeschränkt.
Eine der Wissenschaftlerinnen meinte, dass dies durch ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein und eine bessere Vorsorge zu erklären sei.

Der Gesundheitszustand

Natürlich ist keiner der Hundertjährigen richtig gesund. Fast alle haben Probleme mit dem Sehen und Hören. Bei vielen könnte das Hören durch ein Gerät  verbessert werden, aber viele der ProbandInnen lehnen dies ab. Hier wäre eine Einstellungsänderung und vielleicht auch etwas mehr Geduld mit der Akzeptanz des Gerätes erwünscht.
Ein anderes Phänomen ist die Unsicherheit beim Gehen und die gesteigerte Sturzgefahr. Ob ein von den Wissenschaftlern empfohlener Krafttraining allein viel helfen würde, wage ich zu bezweifeln. Meiner Ansicht nach müsste ein Training des Gleichgewichts dazu kommen. Leider wird dies noch zu wenig angeboten. Dabei ist ein Sturz meistens der Beginn einer längeren Kette von Erkrankungen.

Das Wohnen

59 der Hundertjährigen leben in ihren Wohnungen, unterstützt von ihren Kindern und Verwandten. Im Gegensatz zu der gleichen Personengruppe in den USA holen sich hier nur wenige Ältere professionelle Hilfe. Aber viele von ihnen beklagen sich, trotz der Betreuung durch Verwandte, über ihre Einsamkeit und das Fehlen einer sinnvollen Aktivität. Sie haben das Gefühl des Abgemeldetseins. In Amerika, wo eine ähnliche Studie läuft, hat man dagegen noch Menschen gefunden, die in diesem hohen Alter einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Auch wenn der Staat das Wohnen in der eigenen Wohnung unterstützt, hier müsste der Einzelne selber aktiv werden.

Das Allgemeinbefinden

Mehr als 80 Prozent der Befragten waren mit ihrem Leben zufrieden und nur 10 Prozent wünschen sich einen raschen Tod. Der Gedanke an den Tod ist aber auch für die anderen ganz selbstverständlich.
Die Wissenschaftler meinen, dass eine positive Lebenseinstellung viel zu einem langen und zufriedenem Leben beitragen würde.

Schlussfolgerung

Nach Ansicht der  Wissenschaftler ist das Ergebnis der Studie nicht allein aus statistischen Gründen wichtig, sondern es soll die Ärzte sensibilisieren für die Probleme der Hochaltrigen, als da sind Schwerhörigkeit, Einsamkeit und anderes. Auch sollen die Hochaltrigen mehr in die Gesellschaft eingebunden und das Pflegekonzept überdacht werden. Es darf nicht vorkommen, dass Menschen ins Heim müssen, nur weil sie bestimmte Tätigkeiten, wie beispielsweise das Tragen von Einkäufen, nicht mehr leisten können.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 20.07.20013