von Maja Prée
Warum hat mich das so fasziniert? Mein Lebensweg kreuzte Lebensstationen zweier Menschen, die sich sehr um die Reformation des Theaters bemüht hatten.
Ein Grundstein für die Entwicklung des Theaters
In Zwickau aufgewachsen, lernten wir im Heimatkundeunterricht Friederike Caroline Neuber kennen. 1697 in Reichenbach/V. geboren, lebte sie später in Zwickau, wurde 1718 Mitglied einer Schauspielertruppe und gründete 1727 in Leipzig ein fest stehendes Theater(haus). Schauspieler waren zu damaligen Zeiten meist als sittenloses und unehrliches Volk verschrien. Sie achtete auf die Moral ihrer Schauspielertruppe, bildete künstlerisch aus und zahlte feste Gehälter. Damit trug sie maßgeblich zur Anerkennung ihres Berufsstandes bei. Die Theateraufführungen fanden in Hochdeutsch statt. Ein wesentlicher Unterschied zu den damals üblichen Aufführungen in Französisch, die vor allem an höfischen Theatern stattfanden. Und selbstverständlich besuchten wir auch unser Theater in Zwickau.
Und dann … Meiningen?
1976 verschlug es mich nach Meiningen. Ein kleines Städtchen im Südwesten Thüringens, in der Nähe der innerdeutschen Grenze gelegen. Und dieses Städtchen hatte ein wunderschönes Theater.
Richtig bewusst, wie geschichtsträchtig das Meininger Theater ist, wurde mir erst viel später. Wir waren das erste Mal mit den nun größer gewordenen Kindern im Meininger Museum. Beeindruckend die Kulisse, die im Riesensaal aufgebaut war. In den Vitrinen Figurinen mit detailgetreuen Skizzen oder ersten stofflichen Entwürfen von Kostümen, dem historischen Vorbild exakt nachgebildet. Angefertigt von Georg II, „Theaterherzog“ genannt.
Schauspielernamen die meiner Schwiegermutter mehr sagten als mir, von denen sie aber begeistert schwärmte. Sie hatten in der neueren Zeit hier gespielt. Oder die Zeitungsartikel über die Reisegeschichte „Der Meininger“ – wie man die Theatertruppe respektvoll genannt hatte.
Und so nach und nach machte ich mich mit der großen Theatergeschichte unserer kleinen Stadt Meiningen vertraut.
Theaterherzog Georg II.
Als Georg II. 1866 im Herzogtum Sachsen Meiningen die Regentschaft übernahm, gab es in Meiningen schon ein Hoftheater. Georg II. konnte nun seiner, seit der Jugend bestehenden Liebe zum Theater und dem Verlangen die Theaterkunst zu erneuern, nachgeben. Er hatte das Glück zweier kunstsinniger Ehefrauen, die jedoch sehr jung verstarben. Die Hofschauspielerin Ellen Franz wurde bereits während seiner zweiten Ehe seine Geliebte und dann seine spätere dritte Ehefrau. Das bedeutete für die Schauspielerin den Abschied von der Bühne, der ihr sehr schwer gefallen sein muss. Aber es begann für sie an der Seite von Georg II. ein Leben hinter der Bühne, in dem sie aktiv mitwirkte. Mit Helene gewann der Herzog eine künstlerische Partnerin, die seinen kreativen Lebensanspruch mit ihm teilte. Georg II. entwarf die Bühnenbilder die er überwiegend in Coburg, bei dem Theatermaler Max Bruckner fertigen ließ, skizzierte die Vorlagen für die detailgetreuen historischen Kostüme und ließ diese anfertigen. Beide waren dramaturgisch tätig. Sie gab den Schauspielern, da sie nicht mehr auf der Bühne stehen durfte, in ihren Gemächern Sprach- und Schauspielunterricht.
Reformation des Theaters
Vor ihrer Heirat wurde die Hofschauspielerin Ellen Franz zur Freifrau von Heldburg ernannt. Trotz allem galt die Ehe in Adelskreisen nicht als standesgemäß. Gemessen an den Erfolgen der „Meininger“ schien das keinen wesentlichen Einfluss auf ihre für das Theater so erfolgreiche Arbeit für die beiden gehabt zu haben?
Bis 1874 erarbeite Georg II. mit seiner Ehefrau Helene Freifrau von Heldburg und dem Intendanten Ludwig Chronegk die Neuerungen der Theaterarbeit. Diese sind unter den „Meininger Prinzipien“ bekannt und werden heute als selbstverständlich an den Theatern und im Filmgeschäft angewandt. Wesentliche Punkte daraus sind Theater historisch getreu und stilvoll aufzuführen, Priorität in der Ensemblebildung, keine Starallüren der Schauspieler u. a. m. Eindrucksvoll waren die bis ins kleinste Detail durchdachten Massenszenen der Meininger Aufführungen.
Reisezeit der Meininger – Die „Meininger“ kommen“
1874 – 1890 waren das Meininger Theater und die Hofkapelle mit 81 Gastspielreisen in Deutschland und Europa unterwegs. Dort zeigten sie eindrucksvoll, was ein Theater darstellen kann, verwiesen damit wirkungsvoll auf die von Meiningen ausgehende Theaterreform. In 38 europäischen Städten wurden bei 2.591 Vorführungen 41 Werke aufgeführt, insbesondere Stücke von Shakespeare und Schiller. Mit einem gut geschulten Schauspielerensemble, den originalgetreuen Kostümen, den realistisch stimmigen Kulissen und eindrucksvollen Massenszenen erzielten sie große Erfolge. Zu den Gastspielorten gehörten neben Berlin London, Wien, Stockholm. Moskau, St. Petersburg und Amsterdam. Respekt, wenn man bedenkt, dass nicht nur die Schauspieler unterwegs waren, sondern auch die Kulissen mit auf die Reise gehen mussten. Die Reisegesellschaft belief sich auf 70 – 80 Personen, die in 15 – 20 Eisenbahnwagen unterwegs waren. Genutzt wurde das damals gerade entstehende Eisenbahnnetz. Die Leitung des Ensembles hatte der Intendant Ludwig Chronegk. Georg II. war regierender Herzog und konnte nicht mit unterwegs sein. Angeregt durch die Meininger wurde zum Beispiel in England das Shakespeare Memorial Theater gegründet, der Vorgänger der heutigen Royal Shakespeare Company.
Das neue Meininger Theater
Das Meininger Hoftheater brannte am 5. März 1908 bis auf die Grundmauern nieder.
Herzog Georg II. ließ es wieder aufbauen und schon am 17. Dezember 1909 konnte das neue Haus mit 740 Plätzen eingeweiht werden. In dieser Form steht es heute fast noch genauso an seinem Standort in der Bernhardstraße. Nur bei der Generalsanierung 2010-2011 wurde die Rückwand des Theaters fünf Meter nach außen gerückt. Auch technisch wurde unser Großes Haus, wie unser Theaterhaus genannt wird, auf den neuesten Stand gebracht. Mit Einfallsreichtum und vielen Ideen wurden während der Bauzeit Ausweichspielstätten in der Stadt gesucht und gefunden, im Museum, in der Stadtkirche, selbst im Meininger Dampflokwerk gab es musikalische Aufführungen (Beatles on the Rock) oder im Sommer auf einer großen Freiluftbühne – zum Beispiel den Sommernachtstraum.
Das Meininger Theater ist heute ein Mehrspartentheater, mit Musiktheater, Schauspiel und eigenständigem Puppentheater.
Noch einige Worte zum Schluss
Immer wieder kommen bekannte Künstler hierher. Treten selbst auf oder inszenieren hier, darunter Klaus Maria Brandauer, Loriot, August Everding, Brigitte Fassbaender oder Angelica Domröse. Zuletzt war Iris Berben mit einer Lesung zugunsten der Restaurierung der Historischen Kulissen zu Gast.
Seit mehreren Jahren werden in der ehemaligen Reithalle restaurierte Theaterprospekte mit Klang- und Lichteffekten dem Publikum vorgestellt. Nach einem Umbau wurde dieses Theatermuseum hier 2000 eröffnet, in unmittelbarer Nachbarschaft unseres Schlosses Elisabethenburg, in dem sich die Meininger Museen mit einer umfangreichen Ausstellung zur Meininger Theatergeschichte befinden.
Vielleicht haben Sie Zeit und Lust einmal selbst in Meiningen vorbeizukommen? Es lohnt sich.
Links:
Das Schauspielerensemble „Die Meininger“
Das Meininger Theater
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