von Erdmute Dietmann-Beckert
“Enfer ou Ciel, qu’importe? Au fond de l’Inconnu pour trouver du nouveau!“
(Introduction, Claude Pichois)
„Hölle oder Himmel, egal? Hinab in das Unbekannte, um etwas Neues zu finden.“
(Übersetzung:EDB)
Rève Parisien
In diesem Traum sieht Baudelaire seine Stadt als einen Ort, in dem es kein Leben gibt. Die wuchernde Vegetation ist verschwunden und dennoch entzückt ihn das Bild. Die Gleichförmigkeit von Metall, Marmor und Wasser betäuben ihn. In einem gewaltigen Palast sieht er Wasserbecken, die in mattes Gold überlaufen. Er sieht riesige Wasserfälle, die kristallenen Vorhängen gleich leuchtend über Metallmauern fallen. Es gibt keine Bäume, sondern Säulengänge, umgeben von ruhenden Teichen. Die Bilder führen ihn bis nach Indien. Um diese Wunderwelt zu beleuchten, braucht es weder Sonne noch Sterne, denn jene leuchtet aus sich heraus. Über allem schwebt das Schweigen der Ewigkeit.
Schließlich öffnet der Dichter die Augen. Er sieht sein Elendsquartier. Es ist Mittag, der Schlag der Uhr erklingt ihm wie eine Totenglocke.
Das Gedicht hat zwei Teile, der Traum: dreizehn Strophen, das Erwachen: zwei.
Es ist seinem Freund und Zeitgenossen; dem Maler Constantin Guys; gewidmet.
Les Fleurs du Mal
Baudelaire veröffentlicht das Gedicht 1861 in der zweiten Auflage der Sammlung, Die Blumen des Bösen. Der Dichter hat, so Claude Pichois, anstelle enfer (Hölle), woran jener zunächst dachte, das Böse (Mal) als Teil des Titelsgewählt. Er wollte nicht theologisch verstanden sein. Baudelaire kennt das „Böse“ und kann deshalb über dessen „Schönheit“ schreiben.
Das Gedicht Rève Parisien steht im Abschnitt Tableaux Parisiens, Bilder aus Paris, an der vorletzten Stelle. Zu diesen Pariser Bildern gehören auch drei Gedichte, die er dem Dichter Victor Hugo widmet, darunter Les Sept Vieillards und Les Petites Vieilles.
Die Sammlung Les Fleurs von 1861 ist mit sechs Unterthemen und insgesamt 76 Gedichten erschienen.
Zu Baudelaires Lebzeiten fand das Werkin Frankreichwenig Anerkennung.
Dennoch hat gerade Fleurs du Mal des Dichters späten Ruhm begründet.
Das poetische Werk
Die ersten Gedichte werden in Zeitschriften veröffentlicht. Baudelaire versucht sich an Prosatexten und überträgt Gedichte des amerikanischen Lyrikers Edgar Allan Poe ins Französische.
Achtzehn seiner eigenen Gedichte veröffentlicht er schon 1855 unter dem Titel Les Fleurs du Mal. Die Ausgabe von 1857 wird zu einem Skandal. Ein Gericht verurteilt Baudelaire zu einer Geldstrafe von 300 Franken. Darüber beklagt er sich bei der Kaiserin Eugénie. Drei Jahre später erhält er 500 Franken als Entschädigung vom Erziehungsminister.
Die zweite Ausgabe von 1861 wird verkauft. Das Gedicht L‘Albatros aus dem Abschnitt Spleen et Ideal ist auch in deutschen Schulbüchern zu finden.
1866 veröffentlicht Baudelaire unter der Überschrift Les Epaves , (Splitter) die Gedichte, deren Veröffentlichung ihm seinerzeit ein Gerichtsurteil verboten hatte.
Inden Poèmes en Prose, 1863, greift er das Thema „Stadt ohne Natur“ wieder auf. Im Text Anywhere out of the World suchtdie Seele des Dichters einen Ort, wo sie lieber sein möchte als da; wo sie sich befindet: Sie denkt an die Stadt Lissabon, in der die Menschen die Vegetation hassen und alle Bäume fällen. Aber sie verwirft, den Gedanken. Auch Holland und Indien sind keine möglichen Zufluchtsorte. Am Ende kommt es nur darauf an, dass es ein Ort außerhalb der Welt ist.
Charles Baudelaire – sein Leben
Sein Vater, Joseph-Francois Baudelaire, heiratet in zweiter Ehe Caroline-Archenbaut Defays, eine Waise aus England. Sie ist 34 Jahre jünger als der Ehemann. Ihr einziges Kind Charles wird am 9. April 1821 geboren. Er ist erst sechs Jahre alt, als der Vater stirbt. Sein Stiefvater, der Colonel Aupick, erzieht den Stiefsohn mit Strenge.
Kurz vor dem Baccalauréat fliegt Charles von der Schule. Er wird auf eine Schiffsreise geschickt, bleibt einige Wochen auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean und kehrt nach Paris zurück.
In wenigen Monaten verschleudert er die Hälfte seines Erbes. Das verbliebene Vermögen wird von einem Anwalt betreut. Fortan steht ihm monatlich nur eine festgesetzte Summe zur Verfügung.
Zeitlebens ist der Dichter in Geldnot. Die Liaison mit der Schauspielerin, Jeanne Duval schmälert zusätzlich sein Einkommen.
In 1864 versucht Baudelaire, in Brüssel neu anzufangen. Er ist bereits gezeichnet durch den Missbrauch von Drogen. Der Neubeginn gelingt nicht. Er erleidet einen Zusammenbruch. Seine Mutter pflegt ihn in Paris, wo er am 2. Juli 1867 stirbt. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Montparnasse.
Würdigung
Erst nach seinem Tod wird Charles Baudelaire auch in Frankreich anerkannt. In England, wo er sich durch die Übertragung der Poe‘schen Gedichte einen Namen gemacht hatte, wurde seine Kunst früher erkannt. Heute gilt er als Vorläufer des Symbolismus. Für Paul Verlaine und Arthur Rimbaud war er Vorbild und Freund. In den französischen Schulen gehören seine Gedichte zum Literaturkanon. Mich faszinieren Rhythmus und Melodie und die Vielfältigkeit der Themen. Die Aufregung über den Inhalt einiger Texte ist nur im Kontext der Moralvorstellung des 19. Jahrhunderts zu verstehen.
Literatur und Links
Baudelaire, Charles. Les Fleurs du Mal. Hrsg. Claude Pichois. Paris.1972.
Baudelaire, Charles. Petits Poèmes en Prose. Paris 1967.
Biographie.
Baudelaire.
Rimbaud.
Verlaine.