Alter und Geschlecht

von Ursula Gieseler

Im Seniorenstudium, Fach Allgemeine Soziologie an der Universität Wuppertal, habe ich mich im Laufe einiger Jahre mit diesem Thema beschäftigt. Meine Studienergebnisse habe ich in einem Referat zusammengefasst.

Stand der Forschung

In ihrer Publikation „Alter(n) und Geschlecht: ein Thema mit Zukunft“ beschäftigt sich Gertrud M. Backes mit dem Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Alter(n) von Frauen und Männern in der Gesellschaft. Sie stellt nicht ausreichend erforschte Gebiete heraus und sieht die Notwendigkeit weiterer wissenschaftlicher Forschungen aufgrund der sich verändernden Gesellschaft.
Im anglophonen Bereich gehören Themen im Zusammenhang mit Alter(n) und Geschlecht schon lange zur alter(n)swissenschaftlichen Diskussion. Es wird sowohl die Dimension von Sozialstruktur in sich wandelnden Gesellschaften als auch die Dimension geschlechterspezifischen Alter(n)s untersucht.
Im deutschsprachigen Bereich existieren weit weniger wissenschaftliche Analysen dazu. Forschungen entwickelten sich in der Gerontologie und Alter(n)ssoziologie und in der Frauen- und Geschlechterforschung. Die Ergebnisse zeigen gleiche Grundlinien wie die anglophone Forschungstradition.

Blinde Flecken der Analyse

gemeinfrei

Fragen zu geschlechterspezifischen Unterschieden und Ungleichheiten wurden in der Geschlechterforschung bisher selten gestellt und werden jetzt langsam entdeckt. In der Gerontologie blieben Alter(n)sprobleme bei Frauen bisher ausgeschlossen oder zumindest verdeckt.
Die sozialwissenschaftliche Gerontologie setzte das Alter(n) gleich mit der männlichen Vergesellschaftung und Veränderung, z. B. Ruhestand.
Veränderung beim Alter(n) der Frauen wurden als eher gering angesehen aufgrund ihres Verbleibes in der traditionellen weiblichen Vergesellschaftung, z. B. Familie und Haushalt.

Das Alter(n) der Frauen – Risiken, Nachteile und Vorteile

Risiken:
Alternde Frauen sind in den meisten Gesellschaften einem zweifachen Risiko ausgesetzt:
– strukturelle und geschlechtsspezifische soziale Gefährdung im Hinblick auf Gesundheits- und Versorgungschancen
– soziale und materielle Qualitätsbedingungen
Konzentration auf Ehe und Familie begünstigt Altersarmut und gesundheitliche sowie psychische Beeinträchtigung.
Berufstätigkeit – auch mit Kindern – ist die beste Prävention gegen soziale Probleme im Alter(n).
Nachteile:     
Der höhere Anteil von Frauen an der Gruppe der Hochaltrigen und deren stärkere Betroffenheit von sozialen Problemen werden gleichgesetzt mit höheren Kosten für die Gesellschaft. Frauen werden vielfach als „Last“ hingestellt und nicht mit ihrer gesamten Leistung für die Gesellschaft gewürdigt.
Vorteile:
Frauen erbringen vielfach „unsichtbare“ Leistung in der Gesellschaft wie z. B. die Pflege Angehöriger. Sie sind auch besser in der Lage, Veränderungen und Verluste zu verarbeiten.

Das Alter(n) der Männer – Risiken, Nachteile und Vorteile

Foto: DropDeadGorgias; CC

Risiken:
– vergleichsweise geringeres Risiko sozialer Probleme als Frauen durch bessere materielle Absicherung und eher außerhäusige Orientierung.
Nachteile:
Männer haben größere Probleme bei Veränderungen wie z. B. den Eintritt in den Ruhestand. Männer haben eine kürzere Lebenserwartung als Frauen.
Vorteile: Männer mit kontinuierlicher, hoch qualifizierter Berufsarbeit haben gutes Einkommen und gute Ressourcen (Beispiel Bildung, soziales Netz)

Zusammenfassung

Geschlecht ist als notwendiges Unterscheidungsmerkmal auch bezüglich des Alter(n)s anerkannt. Weitere Forschungen zum Thema: Geschlecht und Alter(n) sind sinnvoll aufgrund folgender Thesen:
– lebenslang angelegte Geschlechterverhältnisse setzen sich bis ins hohe Alter fort und erfahren dort eine Zuspitzung
– Geschlechterrollen erfahren in modernen Gesellschaften Veränderungen und haben Konsequenzen für die Sozial-, Familien- und Gesellschaftspolitik
– soziale Sicherung der Frauen in Hausfrauenehen ist nicht mehr verlässlich
– kontinuierliche qualifizierte Erwerbsintegration für Frauen ist noch nicht verlässlich
– Orientierung der Männer am „Normallebenslauf“ wird durch veränderte Bedingungen am Arbeitsmarkt seltener möglich
– steigender Anteil an Singles und Einpersonenhaushalten gerade im mittleren und hohen Alter führt zum Wandel der Geschlechterrollen und zu veränderter Lebensgestaltung.

Ausblick

Analysen der verändernden Alter(n)srisiken und Alter(n)schancen von heute alten Frauen und Männern sind denen künftig alter Frauen und Männer gegenüberzustellen. Alter(n)sforschung und Geschlechterforschung sollten hier interdisziplinär zusammenarbeiten.

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