von Maria Schmelter
…die ich rief die Geister werd ich nun nicht los
Die Digitalisierung hat unser Leben und Zusammenleben sehr verändert, das geschah schleichend, ohne bewußte Annahme. Eine Refexion darüber lohnt sich.
Hätte mir vor 20 Jahren, als das Lerncafe gegründet wurde, jemand gesagt ich würde mich freiwillig mit dieser neuen Technik beschäftigen, ich hätte nur abgewunken.
Das Lerncafe ist ja mit dem Anspruch angetreten ältere Menschen zu ermuntern, sich mit den neuen Medien auseinander zu setzen und dadurch aktiv am Leben teilzunehmen.
Ich gebe zu; ich bin eher technikfeindlich und wenn ich die Wahl habe zwischen einem Radio, an dem man die Sender durch Drehen an einem Knopf einstellen kann, würde ich mich immer für diesen Handbetrieb entscheiden.
Der Computer verändert die Arbeitswelt
Als die Computer bei meiner Arbeit Einzug hielten, hatte ich keine Wahl. Ich erinnere noch, wie missmutig ich an den Schulungen teilnahm. Es war ein ganz zähes Ringen zwischen mir und dem Computer. Ich weiss noch wie oft ich meine Kollegen zur Hilfe rief, wenn er wieder mal nicht das machte, was ich von ihm wollte. Mit viel Unterstützung wurde ich zu einem leidlichen Anwender.
Der Computer hält Einzug ins Private
Vor 12 Jahren nun hielt der 1. Laptop bei mir zu Hause Einzug und ich dachte, bei guter Pflege würde er mir bis zu meinem Lebensende treu bleiben. Von diesem Gedanken musste ich mich nun verabschieden. Vor einem Jahr sagten meine technikbegabten Freunde, ich brauche jetzt ein neues Gerät. Ich wollte es nicht wahrhaben. Natürlich war mein Computer inzwischen von einer Langsamkeit, dass ich scherzhaft sagte, ich meditiere am Computer. Jetzt bin ich stolze Besitzerin eines Tablets und das benutze ich vorrangig um mir in der Mediathek Sendungen anzuschauen, die mich interessieren. Über 1 Jahr war ich fernsehfrei, weil auf meinem alten Gerät nach der Umstellung auf die neue Technik der Bildschirm schwarz blieb. Ich war so erbost, dass ich gezwungen werden sollte einen neuen Fernseher oder ein Zusatzgerät anzuschaffen, dass ich mit Boykott reagierte, aber ich glaube, das hat keiner außer mir gemerkt.
Weltweite Verbindungen
Vor einem Jahr schenkten mir die Kinder ein Smartphone zu Weihnachten. Ich war sehr verhalten begeistert, dachte ich doch schon wieder an die Mühe, die es mich kosten würde, dieses Gerät zu bedienen. Aber es war gar nicht so schlimm. Natürlich weiß ich noch längst nicht alles, was dieses Ding kann, denn ich lerne gezielt nur das, was ich anwenden will. Habe ich früher vehement gesagt: „Ich brauche doch ein Handy nicht um zu fotografieren“, stelle ich fest, dass mein Fotoapparat völlig unbenutzt blieb, seit ich das Smartphone habe. Es ist immer noch so, ich lerne nur dass, was ich anwenden will. Natürlich ist es schön über WhatsApp in Verbindung zu sein, von meinem Sohn, der in der Weltgeschichte unterwegs ist Fotos und Nachrichten zu bekommen. Im Hintergrund schwingt immer der Gedanke mit, dass ich jetzt gut überwacht werde. Denn natürlich wundere ich mich, wenn ich zu einem Begriff, den ich bei Google angefragt habe, nun die passende Reklame bekomme.
Der Computer spielt mit mir
Ich gestehe, seit ich ein Smartphone habe bin ich ein bisschen spielsüchtig geworden. Ich bin ein leidenschaftliche Scrabbelspielerin. Ich habe auch ein paar Menschen, die gerne mit mir spielen, aber mein Smartphone ist immer bereit. Natürlich spiele ich viel lieber mit echten Menschen. Gegen den Computer zu spielen ist eine Notlösung, aber nicht die schlechteste.
Computer als Helfer im Alltag
Manche Dinge des Alltags erledige ich am Computer, z. B. drucke ich meine Fahrkarten aus und erspare mir die Warteschleifen am Bahnhof, da muss ich nämlich immer erst eine Nummer ziehen, auch wenn gerade kein Betrieb ist und das nervt mich.
Meine Bankgeschäfte erledige ich nicht per Mouseclick. Noch habe ich in meinem Viertel eine Bankfiliale, aber die Angestellten dort sind nicht mehr sehr zuvorkommend. Haben sie früher mit einem Lächeln irgendwelche Formulare für mich ausgefüllt, sagen sie heute :“das können Sie am Automaten selber machen.“ und mit atemberaubender Geschwindigkeit machen sie es mir einmal vor, völlig außer Acht lassend, dass ein altes Gehirn die Dinge nur noch sehr langsam auf die Festplatte bannt. Deshalb schreibe ich meine Überweisungen in Ruhe daheim und werfe sie an der Bank in den dafür vorgesehenen Schlitz – wie lange noch?
Und trotzdem
Meine Bücher lese ich ausgesprochen gerne in Papierform. Natürlich habe ich schon mal über einen E-Book-Reader nachgedacht, auf längeren Reisen würde das das Koffergewicht reduzieren, aber ich kann mich von den Büchern, die man in die Hand nehmen kann nicht verabschieden.
Bei Facebook bin ich nicht, weil ich im realen Leben genügend Freunde habe und keinen Follower brauche.
Ein Smarthome, wo mir der Kühlschrank sagt, dass meine Milch abgelaufen ist, weckt in mir eher das Gefühl, soll ich jetzt verblöden? Und mit einem selbstfahrenden Auto ist es ähnlich.
Die neuen Möglichkeiten per sms ein Auto, dass gerade in der Nähe steht zu nutzen und es dann irgendwo abzustellen, fasziniert mich, weil die Parkplatzsuche in meinem Viertel ein Graus ist, aber auch diesen Gedanken lasse ich erst langsam in meinem Hirn reifen.
Ich habe das Thema Digitalisierung mit meinen älteren Freundinnen angesprochen. Sie alle beklagten, dass die intensive Nutzung des Smartphones dazu führt, dass die Leute zwar noch gemeinsam im Café sitzen, aber jeder auf seinen eigenen Bildschirm starrt.
Wir sind einhellig der Meinung, dass wir das nicht wollen, sondern stattdessen über Wichtiges und Belangloses miteinander reden wollen, von Angesicht zu Angesicht.
Ich will zukünftig daran mitarbeiten nachbarschaftliche Kontakte, die auch gegenseitige Unterstützung einschließen, auszubauen, dabei können die digitalen Medien hilfreich sein, aber an 1. Stelle wird für mich weiterhin der Kontakt von Mensch zu Mensch stehen.
Und unsere Zukunft?
Ich finde, dass wir dem Zauberlehrling ähnlich, von dieser neuen Technik überrollt wurden. Natürlich möchte ich das, was ich nutze nicht wieder hergeben, aber ich möchte auch kein gläserner Mensch werden. Ich wünsche mir Regelungen und Gesetze, die uns vor Missbrauch schützen und die dazu beitragen, dass wir nicht zu Sklaven der neuen Technik werden.