Improtheater – überraschend und skurril

von Ursula Ullrich

Eine besondere Form des Theaterspielens ist das Improvisationstheater. Unerwartetes, Überraschungen, schräge Entwicklungen im Spielverlauf und die unberechenbaren Einsätze des Ensembles machen die Aufführungen zu einem einzigartigen Überraschungspaket.

Die Anziehungskraft

Mit Leidenschaft und Vorfreude gehe ich während der Theatersaison gerne ins Improvisationstheater, kurz Improtheater. Das Improtheater mit seinen speziellen Herausforderungen an das Ensemble und das Publikum zieht mich immer wieder in seinen Bann. Ein Theaterbesuch, der jedes Mal wieder ein Hochgenuss ist.

Im Improtheater spielen die Schauspieler ihre Stücke frei improvisiert also ohne Textbuch und vorheriges Einüben in die Rolle. Es gibt kein aufwändiges Bühnenbild und auch Requisiten sucht man vergeblich. Allein mit Phantasie und Spielfreude versuchen die Akteure ein spannendes Theaterstück aufzuführen.

Geschichte

Das Improtheater gründet sich wohl auf das Stegreiftheater und reicht mit seinen Wurzeln bis in die Antike. Mit der Entwicklung der literarischen Theatertradition, in der vorab geschriebene Stücke erst erprobt und eingeübt und dann aufgeführt werden, geriet das Improtheater immer mehr in den Hintergrund. Etwa Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Improvisationstechniken aber wieder im kommödiantischen Stegreiftheater eingesetzt. Später entwickelte Jacob Levy Moreno diese Spielart mit psychosozialer Zielsetzung zum psychodramatischen Rollenspiel weiter. Heute wird Improvisationstheater in unterschiedlichsten Kultureinrichtungen und vielen Spielvarianten angeboten und erfreut sich stetig wachsender Beliebtheit.

Auf los geht’s los!


Um einen Einstieg in ein zu spielende Stück zu finden, wird vor dem Spielbeginn zum Beispiel gerne mit dem Publikum ausgehandelt, welches Genre gespielt werden soll, wie die Rahmenhandlung sein soll und welche Figuren in dem Stück auftreten sollen. Beliebt ist auch die Übertragung der Rolle an bestimmte Darsteller des Ensembles. Durch dieses Abstimmen entwickelt sich zwischen der Theatergruppe und dem Publikum schon von Anfang an eine besondere Beziehung und alle Beteiligten warten mit freudiger Spannung darauf, wie die gerade ermittelten Vorgaben wohl umgesetzt werden.
Und dann geht’s los und einer fängt an. Was dann folgt ist Abenteuer pur. Niemand weiß, was im nächsten Augenblick gesagt wird, was als nächstes passiert. Niemand weiß, wie lange ein Akteur sprechen kann oder wann ein anderer Akteur eingreift und die Handlung weiterführt oder sie in eine andere Richtung wendet. So ergeben sich ständig völlig unerwartete Handlungs- und Erzählverläufe, nicht selten urkomisch und skurril. Trotzdem sollten Handlung und Dialoge möglichst anschlussfähig sein und sich zu einer stimmigen Geschichte entwickeln. 
Diese Art des Spielwechsels verlangt von Schauspielern und Publikum ein hohes Maß an Konzentration und nur mit ständiger Aufmerksamkeit kann man dem Spielverlauf mit seinen überraschenden Wendungen folgen.

Für die Schauspieler

Für die Schauspieler bedeutet Improtheater eine große Herausforderung. Sie müssen sich sehr schnell auf neue Situationen einlassen. Sie können sich hinter keinem ausgefeilten Text verstecken sondern müssen spontan und intuitiv reagieren. Darüber hinaus müssen sie in kürzester Zeit entscheiden ob sie einer Spielsequenz Raum geben und sie weiterführen lassen oder ob sie eine Wendung herbeiführen. Jede Aktion wird spontan erfunden und kann nicht korrigiert oder widerholt werden.
Gehört zum Ensemble auch ein Musiker der selbst seine Musik zum Geschehen auf der Bühne improvisiert und das Spiel begleitet, bekommt die Aufführung eine zusätzlich Dramatik und einen würdevollen Rahmen.
Die Schauspieler geben bei dieser Spielart, bei der niemand sich hinter etwas verstecken kann, sehr viel von sich preis. Ihre Gedanken, Sprache, Erfahrungen und Einstellungen, ihre Persönlichkeit. Es erfordert sehr viel Selbstvertrauen und Mut sich in dieser Situation zu präsentieren.

Für die Zuschauer

Der Zuschauer muss sich darauf einstellen, dass seine Erwartungen an den Spielverlauf immer wieder „enttäuscht“ werden, da die Erzählstränge oft so kurios verlaufen, wie sie niemand voraussehen kann. Gelingen den Schauspielern aber einfallsreiche Dialoge und packende Szenen, kann das Publikum Theaterstücke erleben, die so aufregend sein können, wie eben nur das Leben selbst.