von Cornelia Kutter
Das Fest der Liebe naht mit großen Schritten. Lebkuchen, Schokoladen-Weihnachtsmänner und Marzipan, soweit das Auge in den Supermärkten reicht, kündigen es an. Und schon drängt sich wieder die Frage auf: Was ist mit Geschenken?
Früher war alles einfach:
Omas hatten keinen Stress bei dem Gedanken an Geschenke. Mädchen bekamen etwas für die Aussteuer, z. B. Teile zum Kaffeeservice oder silbernes Besteck. Später gab es dann Nützliches für den Haushalt und ganz frivol auch mal ein Babydoll. Für Jungen stand das Outfit im Vordergrund: Socken, Pullover oder ein Hemd. Wenn die Jungen größer wurden, war klar: ein Schlips geht immer.
Opas hatten da ganz andere Vorstellungen. Für die Jungs musste eine Eisenbahn oder ein Autorennen-Set her, mit denen sie dann am liebsten selbst spielten. Für die süße Enkelin gab es das in Eigenarbeit gezimmerte Puppenhaus. Und in den Folgejahren ließ sich alles wunderbar ergänzen. Bei erwachsenen Enkeln hielten sich Opas dann gänzlich heraus und vertrauten voll und ganz auf die guten Einfälle der Oma.
Was ist das NICHTS, das wir uns schenken?
„Dieses Jahr schenken wir uns aber wirklich nichts“. So wird sich in den letzten Jahren immer auf Weihnachten eingestimmt. Norbert und Sabine sind sich eigentlich einig, fürchten aber beide, dieser Ruf wird wieder vom Partner ungehört verhallen – wie schon all die Beteuerungen der letzten Jahre. Da wurde schon mal gefrotzelt: Noch dreimal schlafen, bis ‚ich dachte, wir schenken uns nichts‘.
Natürlich soll so eine Absprache nicht für die Enkelkinder gelten, die schon frühzeitig eine umfangreiche Wunschliste eingereicht haben. Aber bei den anderen Familienmitgliedern wird es wirklich immer schwieriger, etwas Passendes zu finden.
Aber NICHTS ist eben doch meist sehr viel mehr als nichts.
Schenken kann doch nicht so schwer sein:
Norbert hatte einmal einen witzigen Spruch eines unbekannten Autors gehört, den er früher gern beherzigt hat:
‚Wenn man nicht weiß, was man seiner Frau schenken soll, einfach sagen, dass man bereits ein Geschenk hat. Sie wird versuchen, das Geschenk zu erraten, und 100 gute Vorschläge machen.‘
Irgendwann hat Sabine das aber durchschaut und nichts mehr dazu gesagt. Ist sie doch der Meinung, man müsse dem Partner nur das ganze Jahr gut zuhören, dann weiß man, was dieser gern mag oder schön findet.
Aber auch Norberts Bedarf an Spielen für die Konsole oder Smartphone-Zubehör ist mal gedeckt. Und etwas anderes, das sein Interesse weckt, gibt er nicht preis.
Das Standardrepertoire:
Jahrelang war es kein Problem, wenigstens ein Teil für jeden aus der Familie zu finden, das dem Beschenkten Freude macht. Ein gutes Buch aus der Bestseller-Liste, eine CD des oder der Lieblingsinterpreten; auch gerne ein Schal oder ein Duftwasser. Die Schwiegertochter liebt hübsche Ledersachen, so dass sich immer auch ein Portemonnaie oder Gürtel finden ließ. Und die Tochter freute sich riesig über einen Bildband aus der Gegend, wo die nächste Urlaubsreise hingehen sollte. Für den Sohn, ein ausgewiesener Whisky-Kenner, wurde gerne ein edler Tropfen aus Schottland besorgt. Und natürlich konnte eine Flasche exzellenten Rotweins aus dem Gebiet um Saint Émilion für den Schwiegersohn dabei auch mithalten. Die große Pralinenauswahl war hingegen allenfalls als Mitbringsel zur Kaffeetrinken-Einladung bei Cousine Helga geeignet.
Dieses Jahr wird alles anders:
All die schönen Dinge lassen sich aber nicht beliebig oft an unsere Lieben verschenken, es muss auch mal etwas anderes sein. Außerdem laufen E-Book-Reader und Musik-Streaming-Dienste Büchern und CDs den Rang ab.
Norbert hat vorsorglich schon mal seine Kumpels gefragt, was sie so verschenken.
Ganz hoch im Kurs steht neben Geldgeschenken ein Gutschein für Konzerte, Varieté oder eine Ballonfahrt. Na ja, ein Gutschein für eine Veranstaltung wäre vielleicht ok, aber da muss der Partner wohl auch mit bedacht werden. Geld weiterreichen geht gar nicht. Person A gibt einen Betrag an Person B, diese wiederum an C und Person C beschenkt wieder A mit der gleichen Summe. Nee, nee, nee.
Höchstens eine Einladung in ein schickes Restaurant oder ein gesponserter gemeinsamer Ausflug käme in Betracht.
Geschenke, die von Herzen kommen:
Eine Freundin hat zu Sabine einmal gesagt, es komme nicht auf das Geschenk an sich an, sondern darauf, dass der Schenkende einem damit eine Freude machen wolle. Na ja, ob das so stimmt, darüber ließe sich streiten. Früher war es bei Sabines Eltern üblich, neben einem ‚Hauptgeschenk‘ den Angehörigen noch ein paar Kleinigkeiten zukommen zu lassen. Ein Stück feine und wohlriechende Seife war durchaus akzeptabel, die passende Seifenschale in Muschelform allerdings weniger.
Bezaubernd sollten wohl auch die Teile für die Weihnachts-Dekoration sein. Da gab es Rauschgoldengel, Kerzenhalter in Form eines Rentieres und Wichtelmänner.
Alle haben sich natürlich artig bedankt. Aber dann…
Man muss auch loslassen können:
Ordentlich verpackt warteten diese Gegenstände auf ihre wahre Bestimmung im nächsten Jahr. Einst gab es das ‚Wichteln‘, um Kollegen, Vereinskameraden oder der Kegelrunde eine kleine Freude zu bereiten. Zunächst wurde dabei der Name des zu Beschenkenden wie ein Los gezogen. Jeder wusste also, für wen man sich etwas ausdenken musste. Außerdem wurde dem Geschenk ein kleines Grußkärtchen beigelegt. Somit war auch transparent, wer einen beschenkt hat. Doch dann etablierte sich eine dunkle Parallelwelt: das ‚Schrottwichteln‘. All die unliebsamen Gaben des letzten Weihnachtsfestes mussten raus. Die Namen der Empfänger wurden zwar auch hier gezogen, aber die Geber blieben anonym, wie sich das von selbst versteht.
Der Weihnachtsmann rauft sich die Haare:
Heute kann man sich noch viel einfacher wieder von allem trennen. Wozu gibt es schließlich Ebay und Co.? Da lässt sich so ziemlich alles an den Mann oder die Frau bringen.
Und so haben wir wieder Platz geschaffen, um auch im nächsten Jahr all die nett gemeinten Geschenke, die wir nicht recht zu würdigen wissen, zwischenzeitlich einzulagern.
Ach ja, E-Commerce macht auch nicht vor den Kinderzimmern halt:
Wird die kleine Lisa, nachdem sie ihre Wünsche geäußert hat, gefragt: „Wer bringt dir denn zu Weihnachten die Geschenke?“ – „Amazon?!“
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