von Erdmute-Dietmann-Beckert
„Aus glücklichen Familien besteht das Wohl des Staates.“
(Quelle unbekannt)
In Sizilien gibt es neben den bürgerlichen noch andere Familien, die nicht unter dem Schutz der Verfassung stehen.
Rita Atria im Widerstand
Rita ist die jüngste Tochter der Familie Atria. Ihr Vater, Don Vito, ist ein stolzer padrone und Mitgliedder Mafia, der ehrenwerten Gesellschaft. Weil er sich dem Drogenhandel widersetzt, wirder auf dem Weg zu seiner Arbeit ermordet. Ritas Bruder muss diesen Mord rächen und wird ebenfalls meuchlings umgebracht.
Die junge Rita, sie ist erst siebzehn, will sich wie ihre Schwägerin Piera dem ungeschrieben Gesetz von Schweigen und Vergeltung widersetzen. Sie verlässt heimlich ihre Familie und sucht Schutz bei der Anti-Mafia. Ihre Mutter fügt sich der Tradition der Organisation und hüllt sich in Schwarz und trauert. Sie verflucht Tochter und Schwiegertochter, weil diese sich dem Teufelskreis von Mord und Rache entgegen stellen.
Die andere „Familie“ in Sizilien
Neben den bürgerlichen Familien gibt es in Sizilien Clans, die sich „Familie“ nennen und zur Mafia gehören. Sie verpflichten sich zu absolutem Gehorsam und Schweigen, omertà. Die Mitglieder identifizieren sich mit diesen ungeschriebenen Gesetzen der Cosa Nostra, „Unsere Sache“. Die Organisation der Mafia, ist hierarchisch aufgebaut. Frauen sind den Männern untergeordnet. Sie haben keine eigenen Rechte. Ein „Oberboss“ erteilt Befehle, die nicht hinterfragt werden dürfen. Diese „ehrenwerte Gesellschaft“ stellt sich mit ihren eigenem Gesetzen außerhalb der allgemeinen Rechtsordnung. Nicht Liebe und Vertrauen sind die Werte, sondern Rache und Vergeltung.
Die bürgerliche Familie in der Republik Italien
Der Artikel 29 der Costitutione Italiana lautet: “Die Republik erkennt die Rechte der Familie als einer natürlichen auf die Ehe gegründeten Gemeinschaft an. Die Ehe ist auf der moralischen und rechtlichen Gleichstellung der Ehegatten innerhalb der im Gesetz bestimmten Einschränkungen zur Wahrung der Einheit der Familie aufgebaut.“
Mitglieder der Mafia stehen vor Gericht
In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stehen in Sizilien einige Mitglieder der Mafia in Palermo vor den Richtern Giovanni Falcone und Giacomo Borsellino. Als Falcone im Juli 1992 brutal ermordet wird, muss. Borsellino allein die Verhandlungen führen. Rita und Piera treten als Zeuginnen auf. Sie stehen unter Polizeischutz, wenn sie zum Gericht nach Sizilien gebracht werden. Ihre Aussagen führen zu einer Reihe zusätzlicher Verhaftungen.
Mit des Richters Hilfe können die beiden Frauen in Rom untertauchen. Rita hat großes Vertrauen zu Borsellino. Mit ihrer Schwägerin lebt sie ohne Angst in wechselnden Wohnungen. Sie beendet ihre Ausbildung und verliebt sich in einen jungen Mann, der nichts von den Gesetzen einer sizilianischen „Familie“ weiß.
Borsellino wird ermordet
Wenige Monate nach Falcones Tod wird Borsellino, erschossen.
Rita Atria stürzt in Verzweiflung. Sie meint, jede Sicherheit zu verlieren. Der Richter hatte für sie Halt und Schutz bedeutet. Ihre Schwägerin, mit der sie bis dahin zusammen lebte, war verreist. Rita war in Rom geblieben. Sie zog in ihre neue eigene Wohnung in einem Hochhaus. Drei Tage nach dem Attentat auf Borsellino stürzt sich die junge Frau aus dem Fenster im siebten Stock auf die Straße.
Symbolfigur im Widerstand gegen die Mafia
Rita Atria wird zum Vorbild für die italienische Frauenbewegung. Zu ihrer Beerdigung erschienen ihre Schwester und eine alte Tante. Die Schwägerin musste fernbleiben. Zu groß war die Gefahr eines Überfalls. Aber „Frauen gegen die Mafia“ waren vom Festland gekommen und aus Palermo Frauen, die mit ihrem „Hungerstreik für Gerechtigkeit“ demonstrierten. Ritas Mutter war nicht dabei. Einige Zeit später wird sie auf dem Friedhof bei dem Grab sein und mit einem Hammer den Namen und das Bild ihrer Tochter zertrümmern. Sie hatte nicht begreifen wollen, warum ihre Tochter den Kreislauf von Schweigen, Rache und Mord durchbrechen wollte.
Literatur und Links
Dickie, John. Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia. Frankfurt Main 2011.
Reski, Petra. Rita Atria – eine Frau gegen die Mafia. Hamburg 1994.
Paolo Borsellino
Mafia – Cosa Nostra Struktur
Costitutione Italiana