familia – die Familie im alten Rom

von Anne Pöttgen

Der römische Staat war ein ausgesprochener „Rechts“-staat. Zwar gab es schon vorher Gesetze, aber bei den Römern wurden sie zu einem System zusammengefasst. Ihre „Zwölf Tafeln“ aus dem vierten Jahrhundert v. Chr. waren die Grundlage des gesamten öffentlichen und privaten Rechts.

Einleitung

Zwar stammt das deutsche Wort Familie vom römischen familia ab. Aber die römische Vorstellung von der familia war eine andere als unsere. Zwar zählen auch wir – erst recht zu Zeiten der Patchwork-Familien – nicht nur Blutsverwandte sondern auch angeheiratete Männer und Frauen zur Familie, tatsächlich verwandt sind wir aber nur mit Blutsverwandten, was sich spätestens im Erbfall zeigt.
Zur römischen familia gehörten Vater, Mutter und Kinder, deren Nachkommen und Ehegatten. Dazu auch die Sklaven und Freigelassenen, alle, die unter einem Dach lebten. Nach den Gesetzen der Zwölf Tafeln hatte der Vater, pater familias, unbeschränkte Macht über all diese Personen, die patria potestas. Verwandt waren alle, die ehelich vom Vater abstammten, dazu die einheiratenden Frauen.

Väterliche Gewalt

Theoretisch ging die Gewalt des Vaters so weit, dass er Familienmitglieder töten konnte, praktisch wurde sie dadurch eingeschränkt, dass ein Familiengericht  einberufen wurde, zu dem auch Freunde oder Rechtskundige gehörten. Ihr Rat entschied die Sache.
In der Frühzeit Roms waren die Einschränkungen für die Familienangehörigen groß.  Die Söhne blieben bis zum Tod des Vaters unter seiner Herrschaft, sie durften kein eigenes Vermögen erwerben. Falls der Vater sehr alt wurde, nahm das groteske Züge an: möglicherweise war ein Sohn inzwischen Konsul oder Feldherr geworden. Man fand den Ausweg über die Emanzipation, emancipatio., die Entlassung aus der väterlichen Gewalt.
Eines der Rechte, nämlich ein Kind seiner Ehefrau nicht anzuerkennen und auszusetzen, blieb bis zum Ende Roms Gesetz. Aber es entsprach nicht mehr den guten Sitten und wurde nicht mehr ausgeübt.

Ehe

Heirat Foto: Agnete, Lizenz by-sa

Es gab unterschiedliche Formen der Ehe, die sich im Laufe der Zeit wandelten. Die „rigoroseste“ war die „manus“-Ehe. Die Ehefrau war lebenslang in der „Hand“ ihres Mannes, mit Leib, Leben und Vermögen. Diese Form verlor sich im Laufe der Zeit.
Daneben gab es aber immer schon das, was wir bis vor kurzem als „wilde Ehe“ bezeichnet haben. Sie entstand aus Gewohnheit, usus, war aber trotzdem eine formale Ehe. Über die konkreten Formen der Ehe in der Frühzeit herrscht keine Einigkeit bei den Gelehrten. Sie war auch ohne staatlichen Segen gültig. Das war wichtig für die Feststellung der ehelichen Geburt der Kinder des Paares.
Irgendwann erreichte die römische Frau eine völlige Gleichstellung mit ihrem Mann.
Sklaven und aktive Soldaten konnten keine gültige Ehe eingehen und eine Familie gründen, was aber Beziehungen nicht ausschloss.  Beziehungen zwischen Freien und Sklaven hatten zur Folge, dass auch die Kinder Sklaven waren.
Nach dem Ende ihrer Dienstzeit, also als Veteranen, durften  die Soldaten heiraten.

Namen in der Familie

Foto Agnete, Lizenz by-sa

Der pater familias führte die in Rom üblichen Namen: Vornamen, Familiennamen und einen Zusatznamen, den cognomen. Er war so etwas wie ein Spitznamen: nach besonderen Verdiensten oder Eigenschaften  oder auch körperlichen Gebrechen.
Der älteste Sohn erhielt in den meisten Fällen den gleichen Namen. Bei Mädchen fiel der Vorname weg, sie erhielten nur den Familiennamen. Etwa Julia, wenn sie zur Familie, gens, der Julier gehörte. Gab es mehrere Mädchen, hießen sie die Ältere oder die Jüngere, als Cognomen.
Die Ehefrau legte bei der Hochzeit ihren Familiennamen ab und nahm den ihres Mannes an. Das war in der „wilden“ Ehe nicht so und verlor sich auch in der Zeit nach Augustus.
Freigelassene erhielten den Namen ihres Herrn, ihr eigener Name wurde angehängt zusammen mit einem Zusatz, aus dem hervorging, dass er ein Freigelassener war.

Adoption, Beispiel Augustus und Tiberius

Kaiser Augustus

Namensänderungen durch Adoption lassen sich am Beispiel des Kaisers Augustus und seines Nachfolgers  nachvollziehen
Augustus, den wir unter diesem kurzen Namen kennen, wurde 63 v. Chr. geboren und bekam den Namen „Gaius Octavius“ nach seinem Vater Gaius Octavius. Nach seiner Adoption durch seinen Großonkel Gaius Julius Caesar nannte er sich „Gaius Julius Caesar“.  Sein Familiennamen Octavius wurde also ersetzt durch den Familiennamen seines Großonkels, Julius. Caesar war der Cognomen des uns unter dem Namen Caesar geläufigen Konsuls, Feldherrn und Diktators, des Eroberers Galliens. Eigentlich hätte Augustus, wie bei einer Adoption üblich, den Zusatz Octavianus anfügen müssen, wir kennen ihn auch als Octavian.
Sein Nachfolger Tiberius, der Sohn seiner Ehefrau Livia, wurde von ihm adoptiert, er führte als Kaiser den Namen „Tiberius Julius Caesar Augustus“. Geboren war er als Tiberius Claudius Nero, gleichen Namens wie sein Vater, aus der Familie Claudius mit dem Cognomen Nero.
Das wollte ich den Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten.

Römische Bürger

pater familias konnten nur römische Bürger werden, sowohl Patrizier als auch Plebejer, die einfachen Leute. Römischer Bürger wurde man durch Geburt oder durch Ernennung.
Schon sehr früh hatten die Plebejer erstritten, dass die Gesetze der Zwölf Tafeln öffentlich wurden. Sie wollten nicht weiter darauf angewiesen sein, ihre Rechte durch einen Patrizier vertreten zu lassen. 449 v. Chr. wurden die Gesetzestexte in Bronze gegossen und öffentlich aufgestellt.
Die Patrizier, also der Adel, hatten alle hohen Ämter inne: Priester, hohe Beamtenränge oder Richter. Die Plebejer, Handwerker und Bauern, wählten als Gegenpol Volkstribune, die ihre Rechte wahrnahmen. Die Volkstribune waren berechtigt, Gesetze zu erlassen, die nur für Plebejer galten, die plebiszite. Im Laufe der Zeit konnten auch Plebejer Ämter innehaben, die ehemals den Patriziern vorbehalten waren.

Die Zwölf Tafeln

Bei allen Texten über Sitten, Gebräuche und Gesetze der Römer muss man bedenken, dass das Römische Reich fast ein Jahrtausend umfasste: Von der frühen Königszeit über die ruhmreiche Zeit der Republik und die glänzenden Zeiten nach Augustus bis zum Ende Westroms.
Die Zwölftafelgesetzgebung aber hat all diese Zeit überdauert, sie gilt als Grundgesetz, auf dem spätere Gesetze beruhten. Vieles findet sich noch in unserem eigenen Grundgesetz, im Bürgerlichen Gesetzbuch oder in der Europäischen Verfassung wieder. Das Gesetz hat „die Rechte aller, der Hohen und der Niedrigen, gleichgemacht“ – so Livius. Die Gesetze des Solon sollen Vorbild gewesen sein.
Erhalten sind die Tafeln nicht, bereits 387 v. Chr. wurden sie durch Gallier vernichtet. Die Texte, die die Familie betrafen, waren auf der Tafel IV aufgezeichnet. Die Texte sind bruchstückhaft überliefert, wenn sie in römischen Schriften zitiert wurden.

familia

Der römische Staat setzte sich aus vielen mehr oder weniger kleinen oder großen Einheiten zusammen: den Familien. Sie waren die Grundlagen der römischen Gesellschaft, eine juristische, wirtschaftliche, soziale und auch religiöse Institution. Wir denken vielleicht zunächst an die Familien mit Vater, Mutter, Kindern und Nachkommen, Sklaven und Freigelassenen auf großen Stadt-  oder Landgütern – wie wir sie vielleicht aus Hollywoodfilmen kennen. Aber auch die kleinen, die Handwerker-  und Bauernfamilien hatten die gleiche Form des Haushalts und der Vater hatte die gleiche Verantwortung für jedes Familienmitglied. Es bedurfte keines „Vater Staat“.

Links

Zu Hause bei den Römern, eine etwas volkstümliche aber ausführliche Darstellung
Meder, Rechtsgeschichte,Leseproben
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