von Erdmute Dietmann-Beckert
„Mutterland
Mein Vaterland ist tot
sie haben es begraben / im Feuer
Ich lebe / in meinem Mutterland / Wort“
(Rose Ausländer. Regenwörter S. 30)
Wer ist Rose Ausländer?
Sie wird am 11. Mai in Czernowitz, heute westliche Ukraine, in die jüdische Familie Scherzer geboren. Während des Ersten Weltkriegs lebt die Familie in Wien. Rose besteht das Abitur und studiert Philosophie. Nach dem Tod des Vaters 1920 emigriert Rose Ausländer nach USA. Sie heiratet Ignaz Ausländer und behält nach der Scheidung seinen Namen.
Sie verliert 1936 die amerikanische Staatsbürgerschaft, da sie sich länger als drei Jahre in Europa aufgehalten hat. Den Zweiten Weltkrieg überlebt sie, oft in Todesnot, im Ghetto in Czernowitz und im Versteck. Nach dem Krieg reist sie nach New York, wo sie in einer Spedition arbeitet und Gedichte schreibt.
Sie unternimmt Reisen durch Europa und nach Israel. Schließlich lässt sie sich in der Bundesrepublik nieder. Ab 1972 lebt sie in Düsseldorf in der jüdischen Gemeinde. Von 1978 bis zu ihrem Tod 1988 ist sie bettlägerig. Sie wird auf dem jüdischen Friedhof in Düsseldorf beerdigt.
Für ihr dichterisches Werk wird sie mehrfach geehrt. 1986 erhält sie den Literaturpreis des Verbands der Evangelischen Büchereien.
Veröffentlichungen
Rose Ausländer schreibt Gedichte und findet so einen Weg, trotz Verfolgung, Haft und Krankheit weiter zu leben. Die unterschiedlichen Stationen ihres Lebens lassen sich in ihren Texten nachvollziehen. Gedichte aus der Vorkriegszeit erscheinen 1939. Nach dem Krieg übersiedelt sie erneut in die Vereinigten Staaten und schreibt in Englisch. Doch sie sehnt sich „zurück in ihr Mutterland: Sprache“. Sie begegnet Paul Celan und verändert ihren Schreibstil. Mit dem Philosophen Constantin Brunner, (1862-1937), der sich mit Spinoza beschäftigt, hat sie einen Briefwechsel geführt und ihn besucht.
Rose Ausländer schreibt über alles, was sie sieht und wie sie sich sieht. Was sie liebt, was sie bewegt. Dabei werden die Gedichte immer kürzer und sind später ohne Überschrift. „Du bist./ unwiderstehlich / Wahrheit.// Ich erkenne dich./ und nenne dich / Glück“.
Das dichterische Werk
Rose Ausländer hat insgesamt 2500 Gedichte geschrieben. Ich beschränke mich hier auf die Reclam- Ausgabe von 1994 und das Fischer Taschenbuch, Band 12 von 2010. Nach dem „Selbstporträt “zitiere Ich je zwei Gedichte zu den Themen: Liebe, Zukunft, Alter und Sterben. Meine Auswahl ist subjektiv und hätte zu einer anderen Zeit anders ausfallen können.
Selbstporträt
Jüdische Zigeunerin./.deutschsprachig./.unter schwarzgelber Fahne./.erzogen
Grenzen schoben mich./.zu Lateinern Slaven./.Amerikanern Germanen
Europa./.in deinen Schoß./.träume ich / meine nächste Geburt
Liebe:
Wort an Wort
Wir wohnen./.Wort an Wort.//.Sag mir./.dein liebstes./. Freund.//.meines heißt./.DU
Das Schönste
Ich flüchte./.in dein Zauberzelt./.Liebe.//.in atmenden Wald./.wo Grasspitzen./.sich verneigen.//.weil./.es nichts Schöneres gibt
Zukunft
Mutterland
Mein Vaterland ist tot./.sie haben es begraben./.im Feuer.//.Ich lebe./.in meinem Mutterland./.Wort
Hoffnung IV
Mein./.aus der Verzweiflung./.geborenes Wort.//.aus der verzweifelten Hoffnung./.
daß Dichten./.noch möglich sei
Alter und Sterben
Florenz./.wunderbare Stadt./.Museen./.und Michelangelo.//.Ich werde diese Pracht./.nur wiedersehn./.im Traum./.bald ist es./.mit mir zu Ende
Verehrter Gott./.Gib mir ein Zeichen./.daß gar nichts./.ohne dich geschieht.//.
Ich möchte./.einem Sternbild gleichen./.das sanft./.mir leuchtet./.wie ein Lied
Reflektionen
Rose Ausländers Poesie hat mich fasziniert. Mit immer weniger Worten lässt sie eine ganze Welt vor dem inneren Auge des Lesers aufscheinen. Eine Welt, die nicht heil ist, aber auf eine mögliche verweist. Was sie sieht und was sie anspricht, kann sie in Poesie verwandeln. Das dichterische Wort hat ihr geholfen, den Holocaust zu überleben und weiter zu leben. Sie schreibt in deutscher Sprache, obwohl ihre Peiniger deutsch gesprochen hatten. Aber es ist die Sprache ihrer Mutter, die Muttersprache.
Literatur
Ausländer, Rose. Regenwörter. Stuttgart 1994.
Ausländer, Rose. Und nenne dich Glück. Frankfurt 2010.
Rose
Biographisches
Gedichte
Schreiben ist überleben
Lyrik zitiert
Rose Ausländer rezitiert selbst
Mutterland Wort