von Antje Liemen
„Ein Blick in die Geschichte lohnt sich immer.“ Das trifft auch auf unser Thema zu. Es drängen sich da Gedanken und Parallelen zu heute auf.
Im frühen Mittelalter
Der Glaube, die Kirche spielten eine große Rolle im Leben der Menschen dieser Zeit. Sie strebten nach Seelenheil und den Einzug ins Himmelreich. Im damaligen Verständnis führten u.a. gelebte Nächstenliebe zum Erreichen dieser Ziele.
Kein Bedürftiger wurde abgewiesen. Nach dem Gottesdienst gab man den Bettlern auf den Kirchenstufen ein Almosen. Abgelegte Kleidung spendete man dem Siechenhaus/ Leprastation oder anderen Bedürftigen. Der größte Teil der Armenfürsorge, insbesondere die Armenspeisung, oblag den zahlreichen Klöstern. Diese bekamen auch den weitaus größten Teil der Spenden.
Für Kranke, Behinderte, Arbeitsunfähige war dies die einzige Möglichkeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Betteln war offizieller Broterwerb.
Das Heer der Armen vergrößert sich
Zahlreiche Fehden zwischen den Adelsgeschlechtern, Kriege, das Aufkommen der Raubritter, Missernten, Erbschaftsgesetze und nicht zuletzt die Pest führten zu immer mehr Arbeitsunfähigen, Behinderten, Kriegsversehrten, Waisen und Witwen…. Durch die herkömmliche Art der Armenfürsorge war dieses Heer der Bedürftigen nicht mehr zu versorgen. Auch die Klöster standen am Rand ihrer diesbezüglichen Leistungsfähigkeit.
Die Lebenskrisen hatten zuallererst die Armen getroffen. Da die Armen selbst zur Arbeit in der Armenfürsorge herangezogen wurden, z.B. in den Klöstern, fehlte es an Arbeitskräften.
Neuorganisation
Letztendlich wurde eine Neuorganisation der Armenfürsorge notwendig. Die Städte und die gerade entstehenden territorialen Obrigkeiten leisteten einen großen Beitrag hierzu. Es wurden Hospitäler gegründet, bzw. kleinere zusammengelegt um effizienter und kontrollierbarer zu sein. Dem Arbeitskräftemangel wollte man mit Arbeitszwang beikommen. In der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde in der städtischen Bettelordnung die Gabe von Almosen bzw. die Erlaubnis zum Betteln erstmals von der tatsächlichen Bedürftigkeit und von der Bereitschaft zum Arbeiten abhängig gemacht.
In den Städten begann man die Armen zu verwalten und Kriterien für die Armut festzulegen. Erreicht werden sollte ein besserer Überblick, bessere Kontrolle, bessere Verwaltbarkeit. In diese Zeit fällt die Nürnberger Armenordnung.
16. Jahrhundert – Beginn der Sozialdisziplinierung
Grundprinzipien der nun entstehenden Armenordnungen waren Bettelverbote und Fürsorgepflicht der Gemeinden. Nur Ortsansässige wurden unterstützt, Ortsfremde wurden verdrängt.
Im Zuge der Kommunalisierung der Armenfürsorge erließen immer mehr Städte Armenordnungen bzw. „Beutelordnungen“. Kriterien für die Bedürftigkeit waren darin festgelegt sowie der Personenkreis der Anspruchsberechtigten. Nachgewiesen werden musste z.B. die Arbeitsunfähigkeit, um Almosen der Gemeinde zu erhalten. Das galt auch für Kinder.
Wer bedürftig ist bestimmen wir – die Obrigkeit
Dieses System der Disziplinierung wurde ausgebaut und verfeinert – bis heute! –
Zucht- und Arbeitshäuser
Der Grundgedanke dieser Anstalten war die Disziplinierung der gesellschaftlichen Unterschichten zu arbeitsamen, zuverlässigen Untertanen. Insassen unterstanden der Befehlsgewalt eines Zuchtmeisters, der sie einer harten entbehrungsreichen Lebensführung unterwarf.
1555 entsteht die erste dieser Anstalten in London, zur Jahrhundertwende folgen die Amsterdamer Anstalten, 1609 Bremen … und am Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Deutschland 60 Zucht und Armenhäuser.
Dem ökonomischen Interesse des Staates entsprach auch die Vorsorge für die Existenz der arbeitenden Untertanen. Verschiedene sanitäre, hygienische, prophylaktische Maßnahmen sollten u.a. Unglücksfälle und Epidemien. verhindern. Eine Gesundheitspolizei überwachte die Einhaltung der Maßnahmen.