Straße der Romanik

von Margret Budde

Reisen kann man zu den unterschiedlichsten Orten in viele entfernte Länder unternehmen. In meinem Bericht jedoch möchte Sie einladen, mit mir die Straße der Romanik entlangzufahren, vorbei an einigen der 80 Bauwerke und durch geschichtsträchtige Städte. Sie alle laden uns zum Besuch ein.

Geografische Lage

1993 wurde die „Straße der Romanik“ eröffnet und führt mit circa 1195 km Länge durch Sachsen-Anhalt. Die über 65 Orte schlängeln sich in Form einer Acht durch das Land.
Die Stadt Magdeburg teilt die Straße in der Achse in eine Süd- und eine Nordroute.
Ich sehe Magdeburg als einen Verbindungspunkt zwischen der Nord- und Südroute.
In Zeitz, im tiefsten Zipfel der Südroute, zeigt die Moritzburg mit dem Dom St. Peter und Paul mit noch vorhandenen Teilen aus dem 11. Jahrhundert ihre schlichte Würde.
Im nördlichsten Ort der Nordroute Beustersehen wir eine der ältesten Backsteinkirchen nördlich der Alpen, die Stiftskirche der Augustiner Chorherren St. Nikolaus.
Entlang der gesamten Route finden wir namhafte Baudenkmäler in 65 Orten. Die vielen Kirchen und Klöster zeigen uns, dass zu dieser Zeit das Christentum hier schon seinen Platz gefunden hat. Seit 2007 ist die Straße der Romanik Teil der TRANSROMANICA, einer Kulturstraße des Europarates, die sieben Länder zwischen der Ostsee und dem Mittelmeer miteinander verbindet.

Magdeburg

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Am Verbindungspunkt der beiden Routen in Magdeburg möchte ich beginnen.
Das Kloster „Unser Lieben Frauen“, im romanischen Stil erbaut, gehört zu den ‚Perlen‘ der romanischen Baukunst. Hier fand im Mai 1993 die feierliche Eröffnung der Straße der Romanik durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker statt.
Der Magdeburger Dom ist bei einer Autofahrt weithin sichtbar. Die Ursprünge der Kirche reichen bis ins 10. Jahrhundert. Ein Brand vernichtete 1207 die erste im romanischen Stil erbaute Kirche. Die Nachfolgerkirche wurde erst nach mehr als 300 Jahren fertig und entstand in der Zwischenzeit zur Gotik.
Auch die Kathedrale St. Sebastian ist ursprünglich eine romanische Kirche, die ebenfalls auf romanischem Grundriss als gotische Kirche umgebaut wurde. Sie ist die katholische Bistumskirche für das Bistum Magdeburg.
Beim Umbau der Universitätskirche Sankt Petri nach gotischen Vorlagen hat man den romanischen Turm nicht verändert. Er zeigt sich uns noch als kompletter Bau der Romanik. Alle vier Bauwerke gehören zur Straße der Romanik.

Quedlinburg

Mit rd. 80 Hektar Fläche innerhalb einer mittelalterlichen Stadtbefestigung ist die Altstadt Quedlinburg das größte Flächendenkmal Deutschlands. Sie zeugt von einer beispielhaften Entwicklung des niedersächsischen Fachwerkbaus mit historischen Baudetails aus der Zeit vom 14.-19. Jahrhundert, wie sie in dieser Größenordnung in Deutschland einmalig ist.
Inmitten dieser herrlichen, nach 1989 wiederhergestellten Fachwerkbauten erhebt sich der Schlossberg, ein Sandsteinfelsen.
Wahrzeichen Quedlinburgs ist weithin sichtbar die über tausendjährige romanische Stiftskirche, hoch über der Stadt auf dem Schlossberg erbaut.
Seit 1994 ist Quedlinburg Welterbe der UNESCO.

Memleben und Zeitz

Memleben

Memleben geht bis ins 10. Jahrhundert zurück und hatte im Mittelalter große Bedeutung. Im Andenken an seinen Vater stiftete Kaiser Otto II. ein Benediktinerkloster, das sich zu einer bedeutenden Reichsabtei entwickelte. Heute noch sind Original-Mauerfragmente zweier Kirchbauten erhalten – einer Monumentalkirche aus dem 10. Jh. und einer frühgotischen Kirche Anfang des 13. Jh. mit der spätromanischen Krypta im Originalzustand. Inzwischen ist die Anlage als Museum ausgebaut mit umfangreichen museumspädagogischen Angeboten.Auf Schloss Moritzburg im südlichsten Ort Zeitz besuchen wir den Dom St. Peter und PaulNach einer Überlieferung stand hier eine Kirche, welche als Bischofskirche genutzt wurde. 1028 wurde nach der Verlegung des Bischofssitzes nach Naumburg mit dem Bau einer romanischen Basilika begonnen, von denen Teile heute noch erhalten sind. Die Krypta ist eine der ältesten Hallenkrypten in Deutschland und wird als 56. Station an der Straße der Romanik verzeichnet.

Merseburg

Dom Merseburg

Wir fahren die Route zurück in Richtung des Verbindungspunktes und gelangen zunächst nach Merseburg mit Dom St. Johannes und Laurentius, dessen Grundsteinlegung 1015 erfolgte. Die dreischiffige romanische Hallenkrypta ist noch erhalten. Merseburg ist bekannt durch die Merseburger Zaubersprüche“, die als einziges erhaltenes Zeugnis germanisch-heidnischer Religiosität in althochdeutscher Sprache gelten. Diese 1841 in der Domstiftsbibliothek entdeckte Handschrift ist eine Kostbarkeit aus dem 10. Jahrhundert.
Die Neumarktkirche St. Thomae ist ein zweites Kleinod romanischer Baukunst dieser Stadt. Erstmals fand die Kreuzbasilika 1188 in einer Urkunde Kaiser Friedrichs I. Barbarossa Erwähnung. Heute bietet sie Pilgern auf dem Ökumenischen Pilgerweg eine Herberge. Die gute Akustik der Hallenkirche lässt jedes Konzert zu einem Genuss werden.

Bernburg

Weiter gelangen wir nach Bernburg. Hier sind mehrere Bauwerke romanischen Ursprungs. Die Waldauer Dorfkirche wird urkundlich 964 erwähnt. Im Osten sehen wir eine halbrunde Apsis. Es folgt ein quadratischer Chor und ein rechteckiges Kirchenschiff, alles in romanischer Schlichtheit. Im Westen schließt ein mächtiger Turm das Bild an. Die Kirche gehört zur Evangelischen Kirchgemeinde St. Stephani Bernburg-Waldau. In diesem Gotteshaus finden regelmäßig Gottesdienste und Andachten sowie Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen statt.
Auf hohem Sandsteinfelsen steht das Renaissanceschloss Bernburg – die Krone Anhalts. An gleicher Stelle stand im Mittelalter eine Rund- und Fliehburg aus dem 12. Jh., deren romanischer Bergfried heute noch erhalten ist. Seit einigen Jahrhunderten trägt er den Namen „Eulenspiegelturm„. Till Eulenspiegel soll in Bernburg einmal Turmwächter gewesen sein.
Die Schlosskirche St. Aegidien ist auf den Grundsteinen einer romanischen Basilika erbaut, was heute immer noch an dem Vierungsturm und der Apsis auszulesen ist.

Jerichow

Über Magdeburg weiter nach Norden erreichen wir in Jerichow das Prämonstratenserstift mit der Stiftskirche St. Marien und St. Nikolaus. Diese 1172 fertiggestellte romanische Kirche in künstlerisch gestalteter Vollendung gehört zu den ältesten Backsteinbauten Norddeutschlands. Während des 2. Weltkrieges erlitt sie große Schäden und wurde nach einem Brand 1946 zunächst stillgelegt. Zu DDR-Zeiten erfolgten eine Instandsetzung der Klosterkirche und die Wiederherstellung des romanischen Innenraums. Durch umfangreiche Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen konnte die Kirche 1999 nach einjähriger Sperrzeit den Besuchern wieder geöffnet werden.
2004 hat die Stiftung Kloster Jerichow die Betreuung der Anlage übernommen.
Mit großer Sorgfalt hat der Jerichower Heimatverein e.V. einen Klostergarten mit Heil- und Gewürzpflanzen nach mittelalterlichem Vorbild angelegt, den es lohnt, zu besuchen und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Musikliebhaber erfreuen sich an den weit über Sachsen-Anhalts Grenzen hinaus bekannten „Jerichower Sommermusiken“.

Beuster

Weit vor dem Dorfeingang unseres letzten Reisepunktes Beuster ragt die aus dem 12. Jh. stammende Stiftskirche der Augustiner Chorherren St. Nikolaus vor uns auf. Sie ist eine dreischiffige Basilika ohne Querhaus. Ungefähr um 1500 n.Chr. wurde der romanische Turm abgebaut und durch einen neuen gotischen Turm ersetzt. Gleichzeitig erhielt die Kirche ein Gewölbe. Von der ursprünglich romanischen Ausstattung ist nur noch der Taufstein erhalten. Sie ist eine reine Backsteinkirche, handwerklich hergestellt, da es zu der Zeit noch keine Formsteine gab. Selbst die zwei Meter tiefen Fundamente sind aus Ziegelsteinen gefertigt.
St. Nikolaus ist nicht nur allein als Baudenkmal bekannt. Beuster liegt direkt hinter dem Elbradweg. Und Radfahrer, die den Elberadweg zwischen Werben und Wahrenberg befahren, haben seit 2009 die Möglichkeit, hier Rast zu machen. Sie kennen das Signet „Radwegekirche“, dem sie gern folgen. Tische und Ruhebänke sowie Fahrradständer stehen bereit. Die von Ostern bis zum Reformationstag offen stehende Kirche lädt ein, die Hektik des Alltags für einige Minuten abzustreifen.

Abschied

Wir nehmen Abschied von diesen Zeugen der Vergangenheit und dennoch bleibt ein wenig zurück: der erhabene Eindruck dieser wertvollen, jahrhundertealten Baudenkmäler.
Einige Zeit konnte ich Sie auf dieser Straße der Romanik begleiten. Vielleicht verspüren Sie nach dem Lesen dieser Zeilen das Bedürfnis, diese Route selbst einmal zu erkunden. Vieles gilt es zu entdecken, was hier noch nicht beschrieben ist. Es wird eine großartige Reise in eine wunderbare Kulturlandschaft voller Überraschungen sein.

Links:

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Zahlreiche Audioguides bereitgestellt von TRANSROMANICA

Bilder von Kloster und Kaiserpfalz Memleben

Stadt Zeitz

Quellen:
MONUMENTE, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Wikipedia
Memleben Flyer