von Ute Lenke
Jetzt naht sie wieder: die Schenkezeit.
Kaum sind die letzten Sommertage verstrichen, naht sie wieder: die Schenkezeit. Von allen Seiten wird man erinnert, ja aufgefordert, sich Gedanken darüber zu machen, dass man rechtzeitig und „jetzt noch mit Rabatt“ die Geschenke für die Lieben und auch die weniger Lieben besorgen soll. Für viele Menschen artet so die Vor- und Weihnachtszeit zur Stresszeit aus, denn man darf ja keinen vergessen. Und wenn man sich alle Jahre wieder vornimmt: diesmal schenken wir uns nichts – und es dann doch tut – Geschenke gehören nun mal zu Weihnachten dazu.
Ist das wirklich so? Und ist es überall so?
Werfen wir einen kleinen Blick in die Geschichte.
Dass Soziologen und andere Wissenschaftler „schenken“ von Tausch und Gabe bzw. von „schänken, einschenken“ ableiten, soll uns an dieser Stelle nicht interessieren. Das vor allem mit Weihnachten verbundene und heute schon fast zwanghafte Schenken ist eine relativ junge Erscheinung, die viel mit unserer westlichen, christlichen Kultur, aber nicht mehr viel mit Christentum zu tun hat.
Im Mittelalter bis in die frühe Neuzeit war es Christenpflicht, dass reiche Leute den Armen halfen: man schenkte ihnen, was sie zum (Über-)Leben brauchten, besonders das Christfest war ein Anlass dazu, aber man wollte auch Kindern eine Kleinigkeit darüber hinaus schenken.
In vielen Biografien und Erinnerungen wird beschrieben, wie die „Herrschaft“ vor der eigentlichen Bescherung in der Familie die Dienstboten versammelte und jedem ein Geschenk gab; erst danach war wirklich Weihnachten (vgl. Theodor Fontane, Vor dem Sturm, 1. Band).
Kinderbeschenktag
Kinder zu beschenken hat dagegen eine längere Tradition: im frühen Mittelalter fand am 28. Dezember das Fest der Unschuldigen Kinder statt; im 13. Jahrhundert gab es am Tag des Heiligen Nikolaus, am 6. Dezember, den „Kinderbeschenktag“ für Jungen, am 13. Dezember, dem Fest der heiligen Lucia, den “Kinderbeschenktag“ für Mädchen. Weihnachten als Beschenktag war erst seit der Reformation bekannt, denn Heilige und deren Festtage wollte man im Protestantismus nicht.
Diese Unterscheidungen finden wir bis heute, auch wenn sich in Deutschland Weihnachten als Fest am 24. und 25. Dezember durchgesetzt hat: in katholischen Gegenden kennt man das Christkind, in protestantischen den Weihnachtsmann als Gabenbringer, daneben auch Nikolaus und Knecht Ruprecht am 6. Dezember. In englischsprachigen Ländern bringt „Santa Claus“ die Geschenke am 25. Dezember.
Der 6. Dezember ist auch heute noch in einigen Ländern (Niederlande) der eigentliche Beschenktag, in Skandinavien feiert man das Luciafest, in Spanien ist erst der 6. Januar, der Tag der Heiligen drei Könige, ein Festtag.
Familienfesttag
Erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts feiert man Weihnachten als Familienfest mit Tannenbaum und Geschenken auch für die Erwachsenen. Neben den Geschenken ist dann das Festmahl, oft als Weihnachtsgans, im Kreis der ganzen Familie einschließlich Verwandtschaft die Hauptsache (und Anlass für Familienfehden). Sind die Geschenke heute oft Statussymbole (wer hat das teuerste bekommen?), schenkte man früher vor allem Nützliches und Selbsthergestelltes: Socken, Mützen, und Kinder quälten sich mit den ersten selbstgehäkelten Topflappen für Oma.
Glaubt man den Medien, die es ja wissen müssen, setzt sich dieser Trend wieder durch.
Quelle
https://nikolaus-von-myra.de/de/brauchtum/schenken.html
Bild: Weihnachtsmann aus Tondern (Aufnahme Autorin)