Arm oder reich? oder Slibovic zum Frühstück

von Maria Schmelter

Arm oder reich? Eine Reise verschiebt die Perspektive.

Herzensarmut – Herzensreichtum

Es gibt mehrere Arten von Armut – nicht nur finanzielle. 
Neben der objektiv bezifferten Armut, die aussagt, ab welchem verfügbaren Einkommen, man nicht mehr in angemessener Weise am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, gibt es eine andere Art der Armut, ich nenne sie Herzensarmut, die mir in reichen Ländern stärker verbreitet scheint, als in armen.

Herzensreichtum

Seltener findet man das Gegenteil: den Herzensreichtum, beeindruckend besonders bei Menschen, die mit materiellen Gütern nicht gesegnet sind.

Als Beispiel möchte ich eine Geschichte aus meiner Studienzeit erzählen.

Wir fuhren in den Semesterferien häufig nach Griechenland, um dort Freunde zu besuchen. Die lange Autofahrt durch das damals noch ungeteilte Jugoslawien schreckte uns nicht. Wir hatten ja ein Zelt dabei und übernachteten unterwegs.

Auf dieser Fahrt waren wir zu dritt – mein Freund, meine Schwester und ich. Wir hatten uns vorgenommen, dieses Mal in den Bergen der Provinz Montenegro zu übernachten. Diese Berge hatten wir sonst immer nur von Ferne gesehen.

Seitab vom Autoput


Wir bogen also vom Autoput ab. Die Straße, die immer schlechter wurde schlängelte sich in die Berge. Es gab atemberaubende Ausblicke. Allerdings durfte man den Blick nicht nach unten wenden, denn am unbefestigten Rand der Straße ging es steil bergab und in den Schluchten lag so manches Autowrack, – vielleicht von einem, der zu lange nach oben geschaut hatte? Vor jeder Kurve wurde gehupt, die Hoffnung war aber, es möge einem keiner entgegen kommen, denn für zwei hätte die Straße nicht gereicht und Ausweichbuchten – Fehlanzeige.

Wo übernachten?

Wir kamen nach dieser abenteuerlichen Fahrt irgendwann auf einer Hochfläche an. Dort gab es Gott sei Dank ein Bauernhaus, in dem wir fragen konnten, ob wir auf der angrenzenden Wiese das Zelt aufschlagen durften. Es begann schon zu dämmern. In den Bergen von Montenegro sollten noch Wölfe leben und die hörten wir in unserer Phantasie schon heulen.

Mit Händen und Füßen gestikulierend hatten wir unser Anliegen vorgebracht. Wir konnten auf der eingezäunten Wiese unser Zelt aufbauen.

Nach dieser anstrengenden Fahrt schliefen wir schnell ein.

Die Überraschung

Stimmengewirr ganz nahe am Zelt weckte uns sehr früh am nächsten Morgen. Uns war sehr beklommen zu Mute. Was nun, wenn man uns hier in der Wildnis, fern ab der Zivilisation, ausrauben würde? Wir hatten keine Schätze dabei, aber für die Menschen, die in dieser Kargheit überlebten, mochten wir dennoch reich erscheinen.

Wir öffneten den Reißverschluss des Zeltes, um uns mutig der Situation zu stellen. Drei wild aussehende Gesellen standen gestikulierend vor dem Zelt und bedeuteten uns, ihnen ins Haus zu folgen. Unsere Herzen klopften laut, als wir ihrer Aufforderung Folge leisteten.

An der Schwelle des Hauses roch es nach frisch gebackenem Brot. Dieses lag auf dem Tisch neben einer Schüssel Käse. Man bedeutete uns Platz zu nehmen. Mit Interesse betrachteten uns die Frauen. Die Männer brannten darauf zu erfahren, wie das zuginge, dass ein Mann im gleichen Zelt mit zwei Frauen schlief. Wir erklärten, dass wir Schwestern seien.

Slibovic zum Frühstück

Inzwischen hatten die Männer eine Flasche Slibovic auf den Tisch gestellt und daraus eingeschenkt. Wir prosteten einander zu. Ob es zu diesem Frühstück auch Kaffee gab, ist mir nicht mehr in Erinnerung, aber das Brot und der Käse mundeten köstlich.

Beschämt von so viel Gastfreundschaft und unseren furchtsamen Gedanken, durchwühlten wir unsere Rucksäcke, auf der Suche nach Gegenständen, die wir unseren Gastgebern zum Geschenk machen könnten. Es waren keine Schätze, aber wir schenkten von Herzen.

Teaserfoto

www.pixabay/montenegro  -2009_1280(CC frei)