Mein erster Besuch im Theater

von Ute Lenke

Theater lagen nach dem Kriegsende 1945 wie fast alle Gebäude in der Stadt in Schutt und Asche, aber Schauspieler müssen spielen und – wie man so sagt: „the show must go on“.

Ein neuer Anfang

Nach Bombenangriffen und Flucht waren wir bei Verwandten in Hildesheim gelandet, wo es uns gleich noch einmal erwischte. Aber schließlich war der Endsieg doch ein Endsieg, der Krieg war vorbei und man begann wieder zu leben. Es muss im Winter 1946/47 gewesen sein – bekanntlich der strengste Winter seit Beginn der Wetteraufzeichungen. Man wohnte beengt, mehr oder meist weniger warm, und freute sich auf Weihnachten. Zu Weihnachten gehört auch eine Theateraufführung für Kinder. Aber wie sollte das gehen? Die Theater waren zerstört, keine Kulissen, kein Zuschauerraum, keine Eintrittskarten.

Kohlen als Währung

Not macht bekanntlich erfinderisch und die Not in der Nachkriegszeit war groß, aber groß auch der Erfindergeist. Wir erfuhren, dass irgendwo am Stadtrand noch eine intakte Bühne, sei es in einer Schule oder wo, existierte und die Schauspieler und Schauspielerinnen des Stadttheaters in Hildesheim ein Weihnachtsmärchen aufführen wollten. Eintrittspreis: Briketts!

Nun, auch Briketts hatte damals nicht jeder und wer sie hatte, gab sie nicht unbedingt für kulturelle Genüsse her. Das muss man wissen, um zu verstehen, wie hoch der Eintrittspreis in Wirklichkeit war.

Trotzdem: der Zuschauerraum war brechend voll. Wir zahlten unser Brikett, diskret in Zeitungspapier gewickelt (das brannte auch!), und bewunderten, was auf der improvisierten Bühne geboten wurde. Die Schauspieler spielten mit Begeisterung, das Publikum war begeistert – kurz: es war eine Stimmung, die ich nie wieder erlebt habe, die aber auch Maßstab wurde für spätere Theatererlebnisse. Welches Märchen damals aufgeführt wurde, weiß ich nicht mehr, aber eine Szene und ein Satz darin ist mir in Erinnerung geblieben: eine trotz Nachkriegszeit wohlgenährte Darstellerin einer Köchin schwang ihren Kochlöffel drohend und sagte empört: „Nu brat mir einer einen Storch“.