Freundschaft

von Antje Liemen

Ich stamme aus Meiningen, einer kleinen Stadt in Südthüringen mit einem bekannten, im 19. Jahrhundert in Europa berühmten Theater.

Das erste Gastspiel

Dieses Theater schloss Anfang der 60er Jahre einen Freundschaftsvertrag mit dem jihocesko divadlo in Ceske Budjovice. Für das erste Gastspiel – Schwanensee und Rusalka – wurden Quartiere gesucht. In der Stadt gab es zwar ein Hotel, dies aber war mit der Größe der Theatermannschaft total überfordert.

Meine Eltern meldeten sich und so bekamen wir Einquartierung von 2 Frauen: Maria, die Primaballerina, und Helena, eine Maskenbildnerin. Die beiden waren Freundinnen und ihre Ehemänner Schauspieler am südböhmischen Theater.

Maria tanzte die Odette im Schwanensee. Mit meinen 12 Jahren war ich hin und weg von dem romantischen Bühnenbild, von der Musik, von dem Tanz, von der ganzen Atmosphäre. Noch heute ist mir diese Vorstellung lebhaft in Erinnerung.

Beginn einer Freundschaft

Schon beim ersten Treffen sprang ein Funke über. Man war sich sympathisch und schloss sich ins Herz. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft. Wir lernten Marias Familie kennen, ihren Mann dessen Eltern und Bruder.

Mehrfach machten wir, meine Eltern und ich, Urlaub in Südböhmen – in Budweis und am Lipnostausee, besuchten das Sommertheater des Budweiser Theaters in Ceske Krumlow.

Am Lipnostausee lernten wir Helenas Familie kennen und mit ihrer Tochter Ivana freundete ich mich an. Wir Mädels unternahmen Vieles gemeinsam: baden, tanzen, „abhängen“ wie das heute wohl heißt.

Budweis

In Budweis hatte ich eine Brieffreundin, Alena. Ich wohnte bei ihrer Familie und meine Eltern bei Maria und Tonda. Alenas Vater war von Beruf Konditor, Zuckerbäcker wie die Tschechen sagen. Mmmmm, lecker. Jeden Tag unternahmen wir etwas in Budweis oder in der Umgebung. Es wurden unvergessliche Ferien für alle.

Mit Marias Schwiegereltern feierten wir in Prag Silvester. Der „alte Herr“, Vojtech, – eine stattliche Erscheinung – zeigte uns sein Prag. So schauten wir hinter die Kulissen der berühmten Uhr am Altstädter Rathaus. Die Apostel konnten wir ganz aus der Nähe betrachten und der Wärter der Uhr, ein Freund Vojtechs, erklärte uns das Uhrwerk.

Später

Auch mit meiner Familie machte ich Ferien im Sommerhaus der Familie am Lipnostausee bzw. in Prag. Meine Kinder erinnern sich noch immer an das Lagerfeuer am See und die Grillwürstchen, an die Ritterrüstungen in Hluboka, das Eis am Stiel. Vor allem beeindruckte sie aber das nächtliche Prag. Nachts auf der Karlsbrücke, oben die hell erleuchtete Prager Burg, unten plätschert die Moldau. Ein buntes Gewimmel auf der Brücke und in den Gassen. Sänger, Geiger, Gitarristen, Maler machten die Nacht zum Tag. Das prägte sich ein in unser Gedächtnis und für die Kinder war es ein unvergessliches Erlebnis.

Das war 1988 und unser letzter Besuch bei unseren Freunden.

Leider haben wir uns aus den Augen verloren. Wir denken noch oft an sie und unsere Erlebnisse mit ihnen.