Deutschland und Finnland: die finnische Sicht

von Horst Hoppe

Seit vielen Jahrzehnten ist meine Familie mit einer finnischen Familie befreundet, die im Norden Finnlands lebt. Kennen gelernt haben wir uns Ende der fünfziger Jahre in Tampere und ein reger Austausch an Gedanken und Meinungen hat uns in all den Jahren verbunden. Unsere Freundin Pirkko hat uns in Deutschland mehrfach besucht und der Kontakt ist nie abgerissen. Per Email berichte ich ihr vom

Lerncafe und dem neuen Thema:

Unsere europäischen Nachbarn – wie sehen wir sie, wie sehen sie uns?

Die finnische Sicht

Auf meine Anfrage, was sie so von uns Deutschen hält, antwortet Pirkko mir schnell und präzise in wunderbarem Deutsch:

 „Als aller erstens muss ich sagen, wie dankbar ich bin für euch alle meine lieben, deutschen, hilfsbereiten und vieljährigen Freunde und Freundinnen. Mit den meisten von Euch dauert die Freundschaft trotz der großen Entfernung schon seit über 60 Jahren. So etwas ist doch ungewöhnlich und besonders wertvoll. Schon davon könnte man viel schreiben und erzählen.

Die Unterschiede

Und was ich von Deutschen so im Allgemeinen denke: Die Deutschen sagen öfters genau, was sie denken und wollen auch direkte Antworten kriegen. Die Finnen versuchen manchmal etwas nicht so ganz genau zu sagen, weil sie es so ein bisschen höflicher finden. Trotzdem finde ich die Deutschen viel höflicher als die Finnen. Sie bedanken öfters und entschuldigen sich häufiger als die Finnen. Die Deutschen siezen einander viel mehr als die Finnen. Das ist doch höflich, aber die Finnen finden so etwas manchmal irgendwie abstoßend. Auch für sehr fleißig halten wir die Deutschen.

Sprache

Ich finde es Besorgnis erregend, dass in meinem Land die jungen Leute heute meistens nur Englisch eifrig studieren und andere Sprachen u.a. Deutsch vergessen. Der finnische 84-jährige Schriftsteller, Regisseur und Politiker Jörn Donner hat neulich gesagt: „Heute kann in Finnland keiner mehr Deutsch sprechen und kennt Deutschland. Dies ist kurzsichtig und albern. Kaum jemand von unseren leitenden Politikern spricht Deutsch gut und ordentlich.“

Übrigens:

Die Finnen nennen die Deutschen nicht Deutsche, sondern in unserer Sprache seid ihr die Sachsen. Deutschland heißt auf Finnisch einfach Saksa und seine Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Saksan liittokansleri. Die Deutschen sind die saksalaiset. Das finnische Wort saksa geht auf die Sachsen zurück. Die deutschen Hanse-Kaufleute stellten sich schon im 13. Jahrhundert den Finnen mit der Bezeichnung „Sachsen“ vor. Deshalb wurde das Wort saksa im Finnischen früher auch in der Bedeutung „Kaufmann“ verwendet.
Interessant für Dich wäre es vielleicht zu lesen, was Frau Prof. Helena Ruotsala über Stereotype von Deutschen und Finnen sagt:

So, lieber Freund, das wäre meine „kleine“ Antwort auf Deine Fragen.“

weiterführender Link:

https://www.uni-hamburg.de/newsletter/archiv/Juli-2012-Nr-40/Ueber-Stereotype-von-Deutschen-und-Finnen-Gespraech-mit-der-Ethnologin-Helena-Ruotsala.html