Immaterielles Kulturerbe in der Welt und in Deutschland

von Dietrich Bösenberg

Es ist weithin wenig bekannt, dass die UNESCO immaterielles Kulturgut weltweit unter ihren speziellen Schutz stellt und seine Erhaltung fördert.
Dieser Artikel bietet eine kurze Einführung in das Thema und lädt zur weiteren Beschäftigung ein; die im Text eingearbeiteten Links führen zu den ausführlichen Seiten der UNESCO.

Was versteht man unter diesem Begriff?

Die vollständige Bezeichnung lautet „Immaterielles Kulturerbe der Menschheit“. Damit sind zum einen lebende Traditionen gemeint, die über Generationen bestehen, bis heute praktiziert werden und sich laufend weiterentwickeln. Auch gehören hierher bestimmte Ausdrucksformen, in denen sich besonderes Wissen und Fähigkeiten der Menschen manifestieren, sei es in Kunst, Handwerk oder Umgang mit der Natur.
Davon unterscheidet sich das sog. „Weltkulturerbe“, das sich im Wesentlichen auf Bauwerke sowie Kultur- und Naturlandschaften erstreckt und den Charakter der Einmaligkeit hat.
Weitere Informationen hier – siehe auch das enthaltene Video.

Die Vorgehensweisen

Im Jahre 2003 hat die UNESCO eine internationale Konvention ins Leben gerufen, in deren Rahmen Kulturgüter in drei Kategorien erfasst werden können:

  • Eine „Repräsentative Liste“ der immateriellen Kulturgüter der Menschheit aus allen Regionen der Welt. Die Liste enthält derzeit 314 Vorgänge.
  • Eine „Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Kulturerbes“, mit z. Zt. 38 Projekten.
  • Eine „Liste guter Beispiele aus der Praxis“, mit z. Zt. 12 Projekten.

Dieses völkerrechtliche Abkommen haben inzwischen 160 Staaten ratifiziert, Deutschland ist im Jahre 2013 dazugekommen.

Ein Beispiel für anerkanntes Kulturerbe – international

Auf Vorschlag einer Gruppe von Ländern, darunter Katar, Belgien, Tschechien u.a. wurde das Gemeinschaftsprojekt

Die Falknerei“

im Jahr 2007 in die „Repräsentative Liste“ aufgenommen.
2015 hat Deutschland eine Erweiterung beantragt, um die jahrhundertealte Praxis der Falknerei in Deutschland mit einzubeziehen:
„Falknerei, auch Beizjagd genannt, ist die Jagd mit abgerichteten Greifvögeln auf freilebendes Wild in seinem natürlichen Lebensraum. Das Zähmen und Abrichten, sowie Einjagen eines Beizvogels durch den Falkner bzw. die Falknerin ist ein sensibler Prozess, in dem der Greifvogel sich langsam und nur mit positiven Erfahrungen und Belohnungen an den Falkner gewöhnt.
Obwohl die Kunst der Falknerei mindestens 3.500 Jahre alt ist, sind die Grundprinzipien beim Abtragen und bei der Beizjagd im Kern die gleichen geblieben, wobei der technische und medizinische Fortschritt, wie auch die ethologischen Kenntnisse der heutigen Zeit, eine dem modernen Tierschutzgedanken Rechnung tragende Praxis ermöglichen.“

Die Situation in Deutschland

Die Deutsche UNESCO-Kommission e. V., Bonn, führt ein eigenes laufendes Verzeichnis über immaterielles Erbe in Deutschland, das eine langfristige Erhaltung und Fortentwicklung verdient.
Aus den zurzeit vorliegenden 34 Projekten wurde 2015 erstmals ein Projekt für die „Repräsentative Liste“ eingereicht:

„Das Genossenschaftswesen in Deutschland“

Obwohl Genossenschaften nicht nur in Deutschland praktiziert werden, sind es doch die Namen Raiffeisen und Schultze-Delitzsch, deren Wirken maßgeblich war für die Entwicklung der Genossenschaftsidee bis heute.
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Weitere deutsche Projekte
Beweise für die Vielfalt und Breite kulturellen Erbes in Deutschland sind die folgenden, beispielhaft ausgewählten drei Projekte:

– Schützenwesen in Deutschland
„Das Schützenwesen ist vielerorts ein wichtiger, historisch gewachsener und
lebendiger Teil der regionalen bzw. lokalen Identität. Es umfasst eine große Anzahl
von Bräuchen und Traditionen, die in ganz Deutschland in zahlreichen
unterschiedlichen Erscheinungsformen verbreitet sind.“
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– Kneippen nach Sebastian Kneipp
„Das Kneipp‘sche Naturheilverfahren hat den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der
Gesundheit des Menschen zum Ziel. Es basiert auf den Prinzipien des
regelmäßigen Trainings und der Abhärtung, beispielsweise durch Wassertreten. Die
ganzheitliche Kneipp-Therapie zielt darauf ab, Körper, Geist und Seele des
Menschen in Einklang zu bringen.“
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– Chormusik von Amateurchören:
„Die Tradition der deutschen Amateurchöre ist eine seit tausend Jahren praktizierte
kulturelle Ausdrucksform, die im religiösen Umfeld der Kirchen ihren Ursprung hat.
Im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert wurden die deutschen Laienchöre zum
Schwerpunkt bürgerlicher Musikkultur und lösten sich vom feudalen Umfeld.“    
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Anregung

Es lohnt sich, die Sammlung der Projekte der deutschen Kulturgüter näher anzuschauen. Hier drücken sich Vielfalt und Breite der kulturellen Traditionen in Deutschland aus. Die zumeist vor Jahrhunderten entstandenen, sorgfältig gepflegten und weiterentwickelten Bräuche, Feste und anderen Traditionen spiegeln Beständigkeit, Heimattreue und gleichzeitig Kreativität der Menschen wider.
Das bundesweite Verzeichnis wird durch Vorschläge einschlägiger Organisationen, Instituten und sonstigen Gruppen fortgeschrieben.

Anmerkung

Die in Anführungszeichen stehenden Passagen sind aus den Webseiten der Deutschen Unesco-Kommission entnommen und unter CC-BY-4.0 verwendet.

Link

Immaterielles Kulturerbe in Deutschland