Vom großen Schwörbrief zur Ulmer Nabada

Von Barbara Heinze /Jutta Gotthardt

Noch heute legt der Oberbürgermeister den Eid auf die Stadterfassung alljährlich und öffentlich ab. Er gibt Rechenschaft über die Vorgänge und Erfolge der Stadtpolitik des abgelaufenen Jahres.

Der Schwörbrief

Rede des Oberbürgermeisters

Der große Schwörbrief von 1397 beendet einen langen Streit zwischen den Zünften und Patriziern in Ulm, er gilt als eine der ältesten Stadtverfassungen im Reich. Die Handwerker und Händler erhalten nun die Mehrheit im Stadtparlament. Zehn Patrizier bilden mit dreißig Zunftvertretern und dem Bürgermeister den Großen Rat der Stadt. Dadurch erhalten alle Mitglieder aktives Wahlrecht zur Wahl des Bürgermeisters. Nach jeder Wahl legt der Bürgermeister den Eid auf die Verfassung ab. Weitere Rechte wurden im Schwörbrief festgelegt. Er hatte in dieser Form 180 Jahre Gültigkeit und sicherte der Stadt Ulm eine politische und wirtschaftliche Blütezeit und eine Führungsposition in Süddeutschland.

Das Schwörhaus

Das Schwörhaus, 2011

Das Schwörhaus wurde auf dem ältesten Siedlungsplatz (wo ehemals die erste karolingische Pfalz stand) im Jahr 1612 errichtet. Im Laufe der Jahrhunderte hatte es verschiedene Funktionen. Seit 1726 wird es vorwiegend als Stadtbibliothek genutzt. Heute ist es als „Haus der Stadtgeschichte“ und damit als Stadtarchiv Ulm das „Gedächtnis der Verwaltung“ sowie zentrale Anlaufstelle für Forschungen zur städtischen Geschichte.

Die Schwörzeremonie

Zuhörer beim Rechenschaftsbericht

Vom Balkon dieses Schwörhauses hält der Oberbürgermeister seine Schwörrede jeweils am Montag um den 20. Juli herum mit dem öffentlichen Rechenschaftsbericht über alle wichtigen Beschlüsse und Ereignisse des vergangenen Jahres in Ulm. Die Schwörzeremonie vollzieht sich vor geladenen Gästen und allen Bürgern, die zuhören wollen. Das ist Tradition bis zum heutigen Tag.

Das „Nabada“

Das Nabada

„Nabada“ das ist ein schwäbischer Begriff und heißt in etwa: hinunter schwimmen bzw. hinunter baden und bezieht sich in unserem Fall auf den größten Fluss der Stadt, auf die Donau, auf dem in jedem Sommer ein Festzug stattfindet. Das erste offizielle Nabada gab es 1927. Auf die Zeremonie der Schwörrede am Weinhof folgt am Nachmittag der fröhliche Teil des Tages, das unbeschwerte Fest des „Nabada“. Alle Ulmer Schulkinder haben am Schwörmontag schulfrei. Dann wandern oder fahren die Ulmer mit „Kind und Kegel“ an der Donau entlang bis zum einladenden Erholungspark „Friedrichsau“, wo sie sich am Ufer möglichst bald einen „Logenplatz“ sichern, denn nun haben die Bürger das Sagen! Sie dürfen fröhlich sein, unbeschwert, aber auch kritisch und deutlich: In monatelanger Vorarbeit haben viele Gruppen der Stadt, aus den Institutionen, der Universität, den Betrieben ihren Wünschen und Ärgernissen des öffentlichen Lebens, der Politik, Gestalt gegeben in Form von phantasievollen und auch spektakulären Festaufbauten auf Wasserfahrzeugen,(ähnlich wie im rheinischen Karneval), die mit viel Hallo von den Zuschauern an den Ulmer und Neu-Ulmer Donauufern begrüßt werden. Jedes Schiff/Boot zeigt in humorvoller Art ein Ereignis aus dem städtischen Leben des letzten Jahres, da wird gelobt, beschimpft, durch den Kakao gezogen Die Bürger dürfen die Präsentationen bewerten, das schönste, witzigste oder originellste Schiff wird später prämiert. Umrahmt werden die Festschiffe von zahlreichen Musikgruppen der Ulmer Umgebung, natürlich auch auf schwankenden Wasserfahrzeugen. Und sie tragen zur heiteren Atmosphäre bei. Der Zuschauer sollte Zeit und einen Sonnenhut mitbringen, das Spektakel zieht sich über einige Stunden hin.

Alle feiern

Ordinari-Schiff

Es ist nicht übertrieben zu sagen “halb Ulm ist auf den Beinen“ und teilweise auch auf dem Wasser. Unzählige Schlauchboote, Floße, Paddler und Schwimmer malen ein buntes Bild auf den friedlichen Donaufluss.

Der Festzug auf dem Wasser findet seinen Abschluss mit dem „Ordinarischiff“, einer „Ulmer Schachtel“ (altes Ulmer Schiffsmodell), die Honoratioren der Stadt befinden sich auf diesem Boot, an der Spitze die Bürgermeister von Ulm und Neu-Ulm, deren Hauptbeschäftigung das Winken und Grüßen des Volkes am Ufer der Donau ist.

Kurz vor der Donaubrücke im Park hält das Ordinarischiff an und die Stadtväter und -mütter begeben sich an Land in die Gefilde der sommerlichen Friedrichsau. Auch die Masse der Ulmer/innen strömt nun in Richtung der erfrischenden Stationen oder macht es sich auf den großzügigen Wiesen bequem. Ringsherum laden Erfrischungsbuden und Restaurants zum Löschen des Sommerdurstes ein. Nun wird auch an allen Enden und Ecken der übrigen Stadt, nicht nur in der „AU“, gefeiert bis in die warme Julinacht hinein.

Weitere Veranstaltungen

Die Lichterserenade 2014

Weitere traditionelle Festlichkeiten umrahmen den Schwörmontag, z.B. das Fischerstechen (ein Wettkampf auf dem Wasser), welches aber nur alle 5 Jahre stattfindet, der Bindertanz und das Schwörkonzert im Münster. Besonders erwähnenswert ist ein Schmankerl für Auge und Seele: die Lichterserenade Anbruch der Dunkelheit werden in der Stadt ca. 4 – 5000 gelbe und rote Windlichter, das Lichterfest auf der Donau am Samstag vor Nabada: Nach auf die Donau gesetzt, die dann, je nach Strömung, zügig oder ganz langsam und leise, sich nach Osten bewegen, hin und her tanzen, lange Schlangen bilden, auch mal zum Ufer driften. Ein traumhaftes Licht- und Farbenspiel und ein fantastisches Erlebnis für jeden Zuschauer, ob er in einem der Ufercafes sitzt, dichtgedrängt an der Uferböschung steht oder fern vom Trubel in Ruhe das Schauspiel genießt.)

So ist der Bogen gespannt von den selbstbewussten Bürgern der ehemals freien Reichsstadt im 14.Jahrhundert zur Tradition der Schwörrede und zur Lebendigkeit der heutigen Ulmer und Ulmerinnen beim schönsten Volksfest der Welt.

Quellen und Links

Texte: 600Jahre Schwörbrief“, SÜDWESTPRESSE-Sonderdruck, 1997

„Ulm, Geschichte einer Stadt“, Herbert Wiegandt, Konradverlag, 1989

„Ulm, Rundwege“, Eberhard Neubronner, 1983

„Kleiner Führer der Stadt Ulm“, Freyja Seisler, 1996

Fotos: Barbara Heinze

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