Martinsbräuche

Von Lore Wagener

St. Martin ist ein beim Volk sehr beliebter Heiliger. Um seinen Namenstag ranken sich zahlreiche altüberlieferte Bräuche.

Martinus, der Soldat

Martinus, so der lateinische Name, lebte von etwa 317 bis 397 n. Chr. Sein Vater war ein römischer Militärtribun, der im heutigen Ungarn stationiert war. Dort liegt auch der Geburtsort von Martinus. Sein Vorname ist von dem römischen Kriegsgott Mars abgeleitet. Entsprechend kriegerisch war zunächst seine Erziehung. Er wurde Offizier des römischen Kaisers. Der junge Offizier diente unter anderem in der Leibwache des Kaisers Konstantin II. in Mailand, hatte aber auch Einsätze in Gallien und kam bis nach Worms. Er interessierte sich schon früh für das Christentum und bat mehrfach um seine Entlassung aus dem Militärdienst. Er erklärte, er sei nicht mehr ein Soldat des römischen Kaisers, sondern “miles Christi“, Soldat Christi. Er wurde jedoch erst 356 nach 25-jährigen Dienstzeit im Alter von 40 Jahren entlassen.

Martin von Tours

351 war Martin getauft worden. Nach der Entlassung aus dem Militärdienst ging er zunächst nach Gallien zu seinem Taufvater, dann zog er sich als Einsiedler auf eine Insel bei Genua zurück. Aus der Einsamkeit wurde dort aber nichts, weil ihm viele Anhänger folgten. Nach einem Besuch bei seiner Mutter begab er sich erneut nach Gallien. Dort begründete er in Ligugé das erste Kloster des Abendlandes. 375 errichtete er bei Tours das Kloster Marmoutier. Mit Liborius, dem Bischof von Le Mans, war er sehr befreundet. Er selbst wurde der dritte Bischof von Tours und bewährte sich auch als Bindeglied zwischen Rom und dem Reich der Franken und reiste mehrfach nach Trier. Martin blieb auch im Bischofsamt der asketische Mönch. Als Nothelfer und Wundertäter wurde er im Volk berühmt. Er hatte zahlreiche Jünger und festigte auch die Missionierung der Landbevölkerung. Martin von Tours starb im Jahre 397 n. Chr. in einem kleinen Ort seiner Diözese. Während der Regierungszeit des Frankenkönigs Chlodwig im 5. Jahrhundert wurde er als erster „Nicht-Märtyrer“ heiliggesprochen.

Der Martinstag

Die katholische Kirche feiert den Namenstag des heiligen Martin jeweils am 11. November, dem Tag seiner Grablegung, mit Umzügen und kirchlichen Festen. Und an diesem Tag gab es an manchen Orten auch ein Volksfest, die Kirchmesse, die Kirmes.

Auf den Martinstag bezogen sich zudem viele geschäftliche Bräuche, die eher mit seiner praktischen Lage am Ende einer Ernteperiode zu tun hatten. So konnte ein Geschäftsjahr von Martini bis zum nächsten Martini vereinbart werden. Zahlreiche alte Urkunden bestimmen den Martinstag als Ziel- und Zahltag zum Beispiel für Lehen und Pachtzinsen.

Auch Bauernregeln, die das Wetter des kommenden Winters vorhersagen, beziehen sich auf den Martinstag, ein Beispiel hierzu:

„Hat Martini einen weißen Bart, wird der Winter lang und hart“.

Legenden

Foto Eleonore Zorn

Über Martin von Tours sind bis heute etliche Legenden in Umlauft, zum Beispiel: „Martin teilt seinen Mantel“, „Martin erweckt Tote“, „Martin heilt Kranke“, „Martin fällt einen angeblich heiligen Baum“, oder „Martin im Gänsestall“. Der letztgenannten Legende sollen wir die Martinsgans verdanken. Es wird erzählt, dass Martin vor seiner Ernennung zum Bischof asketisch in den Höhlen von Tours lebte. Er hatte aber viele Anhänger im Volk. Als die Volksmenge eines Tages anrückte, um ihn zum Bischof weihen zu lassen, wollte er sich dieser Ehre entziehen und versteckte sich in einem Stall. Das war aber ausgerechnet ein Gänsestall und dessen Bewohner erhoben ein großes Geschnatter. So entdeckte ihn die Menge und konnte ihn zur Bischofsweihe bringen. In Erinnerung an diese Geschichte brät man heute noch die Martinsgans und lädt zu einem festlichen Essen ein.

Historiker meinen aber, dass diese Sitte mehr mit der ökonomischen Bedeutung des Martinstages zu tun hatte. Pachtzinsen wurden damals auch in Naturalien gezahlt, das konnten auch Gänse sein

Die Mantelteilung

Gemälde von El Greco [Public domain]

Das bekannteste Martinslied handelt von der Mantelteilung, die noch in der Militärzeit von Martin stattfand. Martin trug damals den Offiziersmantel des römischen Heeres, einen mit Lammfell gefütterten Umhang. Das Lied beschreibt die gute Tat des Heiligen.

Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind
sein Ross das trug ihn fort geschwind.
Sankt Martin ritt mit leichtem Mut,
sein Mantel deckt ihn warm und gut.
Im Schnee, da saß ein armer Mann,
hatt‘ Kleider nicht, hatt‘ Lumpen an.
„O helft mir doch in meiner Not,
sonst ist der bitt‘re Frost mein Tod!“
Sankt Martin zog die Zügel an,
sein Ross stand still beim armen Mann
Sankt Martin mit dem Schwerte teilt
den warmen Mantel unverweilt.
Sankt Martin gibt den Halben still,
der Bettler rasch ihm danken will.
Sankt Martin aber ritt in Eil‘
hinweg mit seinem Mantelteil.

Bräuche am Martinsabend

Am Martinsabend gilt das „Heischerecht“ für Kinder und so zogen und ziehen am Martinsabend Kindergruppen singend von Haus zu Haus und bekommen für ihren Gesang Martinsgebäck und Äpfel geschenkt. Im Ruhrgebiet und im Rheinland gibt es die Weckmänner, die in anderen Gegenden Stutenkerle heißen. Eigentlich sind sie ein Nikolausgebäck, doch im Rheinland und im Ruhrgebiet werden sie bereits zu St. Martin verschenkt.

Martinsumzüge

Martinsumzüge finden vielerorts im deutschsprachigen Raum statt. Die Organisation beginnt mit dem Sammeln von Geldern hierfür durch Schulen und Vereinen oder auch Kirchengemeinden. Eine Musikkapelle und ein als Sankt Martin verkleideter Reiter sind in vielen Gemeinden ein Muss. Die Kinder tragen bunte Laternen und singen Martinslieder. Der Umzug endet meist auf einem größeren Platz, wo die Mantelteilung dargestellt wird und die Kinder ihre Martinsgaben bekommen. Die vielen Laternen, die in der Dunkelheit aufleuchten, und die frohen Kinder sind ein schöner Anblick, besinnlich und heimelig. Er stimmt schon auf die Adventszeit ein. Ich möchte meine schönen Kindheits-Erinnerungen daran nicht missen. Es wäre schade, wenn diese alten Bräuche in Vergessenheit gerieten und dem poppigeren Halloween-Feiern weichen müssten.

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