Streik im Tal der Könige

von Erna Subklew

Im Frühjahr 2013 war zu lesen, dass die ägyptischen Touristikangestellten im Tal der Könige streiken oder dass das Tal der Könige für Touristen gesperrt ist. Das erinnerte mich, dass der erste Streik, von dem in der Geschichte berichtet wurde, auch im Tal der Könige vor ungefähr 3500 Jahren stattgefunden hat.

Das Tal der Könige

Kein Tourist, der Ägypten besucht, wird das Tal der Könige auslassen. Nachdem die Pharaonen sich nicht mehr in Pyramiden beisetzen ließen, verlegten sie ihre Ruhestätten westlich in die Nähe von Theben. 500 Jahre lang von 1551 bis 1070 v. Chr. fanden die Pharaonen dort in Felsengräbern ihren letzten Ruheplatz. Diese riesigen Monumente wurden von Arbeitern in den Fels gehauen und mit gewundenen Gängen, falschen Kammern und Geheimtüren versehen. Bereits damals gab es nämlich Grabräuber. Das Bauen der Grabstätten konnte nur von erfahrenen Handwerkern durchgeführt werden. Für sie ließ Amenophis I. einige Kilometer von der Arbeitsstätte entfernt eine Arbeitersiedlung bauen.

Das Dorf Deir el-Medina

In der Zeit zwischen 1922 und 1947 gruben französische Archäologen in der Nähe des Tals von Theben das Dorf Deir el-Medina aus, das aus ungefähr siebzig eingeschossigen Häusern bestand. Die  Ruinen der einstigen Lehmhäuser hatten eine Grundfläche von ungefähr 70 qm. In den meisten Häusern gab es Wohn-, Schlaf- und Vorratsräume. Diese Räume waren verputzt und teilweise auch ausgemalt. In der Regel gab es sogar eine Dachterrasse. Es fehlten aber  Wasserstellen und Toiletten. Wahrscheinlich wurden für diese Bedürfnisse der Nil und die Wüste benutzt.
Die Siedlung hatte eine Straße, die sie in zwei Teile trennte, die gleichzeitig auch die beiden Arbeitsgruppen bildete, in die die Arbeiter eingeteilt waren. Den Ort umgab   eine Mauer, die nur ein einziges Tor hatte, das Tag und Nacht bewacht wurde.
In der Nähe des Ortes befand sich ein Friedhof, auf dem die Bewohner der Ansiedlung begraben wurden.

Die soziale Stellung der Einwohner

Alle Arbeiter, die an den Felsengräbern arbeiteten, mussten mit ihren Angehörigen, Bediensteten und Sklaven in dieser Siedlung wohnen.
Die Siedlung unterstand unmittelbar dem Wesir – dem Ratgeber des Pharaos –  der an die Spitze den Schreiber setzte, den einzigen Einwohner, der schreiben konnte. Zwei Vorarbeiter, die den gleichen Rang inne hatten wie der Schreiber, waren Bürgermeister und Richter. Es folgten zwei Magazinverwalter. Diese hatten in der Verwaltungshierarchie große Macht. Sie waren verantwortlich für die ganze Verpflegung des Dorfes, dessen Bewohner nichts anbauen konnten, da es am Rande der Wüste lag und sie dazu auch keine Zeit hatten.
Die Vorarbeiter waren zuständig für die Werkzeuge, die sehr wertvoll waren, aber durch die Bearbeitung des harten Gesteins auch einem erhöhten Verschleiß unterworfen waren. Daneben hatten sie die Anwesenheit der Arbeiter, ihre Leistung und eventuelle Fehlzeiten zu registrieren.

Organisation und Berufe

Die Straße, die den Ort durchzog, teilte die Arbeiter in zwei fast gleich große Gruppen ein. In diesen Formationen erfolgte die Arbeit, bei der jede Gruppe an einer anderen Stelle arbeitete. Der Weg zur Arbeit dauerte ungefähr eine Stunde Fußmarsch. War die Arbeitsstelle weiter entfernt, wurde eine Dekade lang am Arbeitsplatz geblieben, um dann am freien Tag in die Siedlung zurückzukehren. Die Arbeit war zwar sehr hart, aber es gab Gründe, die einen von der Arbeit befreiten: Krankheit, Geburtstag, die Teilnahme am Gottesdienst oder an einer Beerdigung.
Folgende Berufe waren beim Bau der Gräber vertreten: Arbeiter, die Schutt wegräumten und Löcher in den Felsen schlugen. Steinmetze für das Glätten der  Wände, Gipser für das Beseitigen der Löcher und  Stuckateure, die die Wände für die Zeichner vorbereiteten. Es gab die Zeichner, die in Schwarz und solche, die in Rot die Zeichnungen vom Plan des Schreibers auf die Wände übertrugen. Als letzte kamen die Maler, die die Zeichnungen mit Farbe füllten.
Nicht in der Siedlung wohnten die Schmiede, die für scharfe Meißel sorgen mussten und die Gipshersteller.

Die Versorgung der Bevölkerung

Da in der Siedlung kein Getreide oder Gemüse angebaut wurde, war die Bevölkerung auf die ständige und pünktliche Lieferung aller Waren, sogar mit Wasser, angewiesen. Zur Speicherung standen das Schatzhaus, die Scheunen und Königsmagazine zur Verfügung. Wenn einmal eine Verzögerung eintrat, sprangen auch schon die Magazine der Tempel ein.
Um den Unterhalt einer so großen  Einwohnerzahl zu gewährleisten, musste das Logistiksystem  schon sehr gut klappen. Herr über so eine riesige Warenmenge zu sein, verführte dazu, nicht redlich damit umzugehen. Vielleicht gab es auch manchmal  Schwierigkeiten beim Beschaffen der Waren, weil die Ernte nicht so gut ausgefallen war. Auf jeden Fall gab es Zeiten, wo die Lieferungen über Wochen hinaus überfällig waren. Ein vom Nekrologenschreiber Neferhotep aufgesetzter Brief, der auf einer Tonscherbe (Ostrakon) gefunden wurde, berichtet von diesem Zustand.

Der Brief des Neferhotep

 „ An den Wedelträger zur Rechten des Königs, dem Vorsteher der Stadt (Theben) und Wesir Ta: Der Schreiber (der Nekropole) Neferhiotep schreibt an seinen Herrn in Leben und Heil und Gesundheit. Das ist ein Brief, um meinen Herrn folgendes wissen zu lassen:
Ich teile meinem heran mit, dass ich an den Gräbern der Königskinder (dem Prinzengrab ?) die mein Herr (der König) in Auftrag gegeben hat, arbeite. Ich arbeite sehr sorgfältig und sehr vortrefflich mit schönen und trefflichen Fortschritten. Möge mein hehr sich darüber keine Sorgen machen, denn die Arbeit ist hervorragend. Ich werde nicht im Mindesten nachlässig. Es ist ein schönes, nützliches Werk.“

Dann fährt der Schreiber fort

“Weiter Mitteilungen an meinen Herrn:
Wir sind verarmt  (äußerst elend geworden sind die Nekropolenarbeiter). Sämtliche Zuwendungen für uns, die wir aus dem Schatzhaus, dem Getreidespeicher und dem Magazin erhielten, hat man uns ausgehen lassen. Aber das Schleppen der Steins [am Platz der Schönheit (Den „ Stein)] ist nicht leicht!
Man hat uns auch sechs Oipe (1 Oipe /11/2 Sack = anderthalb Zentner /da 19 Liter) Gerste wieder genommen (d. h. fehlen uns) um sie uns als sechs Oipe Dreck zu geben.
.
Möge mein Herr Maßnahmen treffen, so dass unser Lebensunterhalt (uns) gewährt wird! Denn wir sind hier schon am Sterben, wir werden kaum noch am leben bleiben, denn man gibt sie uns nicht.
 (Quelle: http://www.nefershapiland.de/ramses_iii__arbeiterstreik.htm)

Folgerungen

Als auch auf diesen Brief keine Waren eintrafen, beschlossen die Arbeiter, nicht zur Arbeit zu gehen. Wahrscheinlich hat man das Demonstrationsrecht noch nicht gut gekannt oder man wollte nichts auf die Spitze treiben, aber die Straßen blieben leer. Die Arbeiter hatten sich an die Wände der Häuser gesetzt. Es blieb übrigens nicht das einzige Mal, dass die Arbeiter streikten, man war sich dieses Machtmittel sehr wohl bewusst.
Es ist übrigens gut für eine Siedlung, einen Schreiber zu haben. In Deir el-Medina haben die Archäologen unzählige Schrifttäfelchen (Ostrakons) gefunden, die uns vom Leben der Arbeiter berichteten und Irrtümer beseitigen halfen.

Mehr über den Streik der Arbeiter im Tal der Könige können Sie erfahren:

Der Streik der Grabbauer

Arbeitskämpfe in Ägypten

Wir sind hungrig