Das Eisenwalzwerk

von Lore Wagener

Zu unserem Thema über die Welt der Arbeit gehört auch das „Eisenwalzwerk“, ein Bild, das im Jahre 1875 von Adolph von Menzel gemalt wurde. Es gilt als eines der wichtigsten Industriegemälde des 19. Jahrhunderts.

In der Fabrik

Es war die Zeit der Frühindustrialisierung. Die  Künstler hatten sich zuvor nur mit dem neuen Erscheinungsbild der rauchenden Schlote in der Landschaft befasst. Menzel nun war in die Fabrikhallen hinein gegangen und hatte das, was er sah, realistisch auf die Leinwand gebracht. Und das war der harte Arbeitstag von Fabrikarbeitern in einem Walzwerk für Eisenbahnschienen. Dem Maler der Hohenzollern-Dynastie wäre es nicht in den Sinn gekommen, sein Bild als sozialkritisches Werk aufzufassen. Und die Zeitgenossen waren vom Fortschritt der Technik so fasziniert, dass sie Menzels Arbeiter als „moderne Kyklopen“ bezeichneten, sie also mit den Gehilfen des griechischen Schmiedegottes verglichen. Die Arbeiter, die Menzel malte, waren auch keine Elendsgestalten, sondern kräftige Männer. Menzel beobachtete sie 1872 im Schienenwalzwerk Königshütte und fertigte als Vorarbeit zu seinem Ölgemälde über 150 Bleistiftskizzen an.

Spiel mit dem Licht

Die Szene, die Menzel abbildete, war recht düster. Die dunklen Grau- und Brauntöne überwogen. Durch die Fenster kam fahles Tageslicht. Elektrische Glühbirnen waren damals erst in den Anfängen. So war die einzige Lichtquelle das weißglühende Eisenstück im Mittelpunkt. Dies muss den Maler inspiriert haben. Er breitete von diesem Mittelpunkt aus einen hellen Feuerschein über Menschen und Maschinen. Aus den benachbarten Werkshallen leuchtete ähnlicher Feuerschein herüber. Der malerische Hell-Dunkel-Kontrast ließ aber dennoch die schmutzige Atmosphäre und die Schwere der Arbeit erkennen.

Der Arbeitsprozess

Im Zentrum des Bildes wird das glühende Eisenstück von einigen Arbeitern mit langen Stangen und Zangen bearbeitet, während andere das Eisen halten und in die richtige Position bringen. Wieder andere drehen mit aller Kraft an dem großen Rad hinter der Walze.
Die Halle war gleichzeitig Sozialraum. Links oben sieht man einen Arbeiter, der sich an einer blechernen Schüssel wäscht. Rechts unten in einer dunklen Ecke sitzen einige Leute und verzehren ihr mitgebrachtes Essen. Eine Frau holt ihren Mann nach seiner Schicht ab.

Der technische Fortschritt

Schema einer einfachen Walze

Der Maler muss auch eingehend die Technik, die er abbildete, studiert haben. Sein Bild entsprichtgenau der lexikographischen Beschreibung. Man sieht  eine eiserneMaschinemit zwei eisernen Streckwalzen. Zwischen ihnen wird das glühende Eisen hindurchgezogen. Dabei wird die eine Welle von dem großen Rade herumgedreht und auf die zweite Welle gepresst und so das Eisen in Form gebracht. Heute läuft ein solcher Vorgang automatisch ab. Damals war es Knochenarbeit.

Der Direktor

Und den Aufpasser im Hintergrund, den hat Menzel auch nicht vergessen. Er steht mit Gehrock und hohem Hut an einer lichteren Stelle im mittleren Teil des Bildes. Aus seiner Kopfhaltung kann man schließen, dass er ziemlich hochnäsig ist. Wer der Herr genau war, weiß man nicht. Einige Betrachter meinen, es sei der Direktor, andere halten ihn für einen Inspektor. Jedenfalls ist er derjenige, der das ganze Geschehen zu überblicken scheint.

Arbeitsbedingungen

moderne Schutzkleidung

Aus heutiger Sicht hat Menzel ein erschreckendes Bild von den damaligen Arbeitsbedingungen in den Fabrikhallen gezeichnet. Jedem Arbeitsschutzbeauftragten unserer Zeit müssen bei diesem Anblick die Haare zu Berge stehen. Die Arbeiter hatten weder einen Lärmschutz noch eine Schutzbekleidung, von einem Helm oder Schutzbrillen ganz zu schweigen. Ihre nackten Füße steckten in Schuhen, die hinten offen waren. Das könnten Holzpantinen gewesen sein. Die Ärmel ihrer Kleidung waren meist hochgekrempelt. Kein Wunder, dass es damals viele schwere Arbeitsunfälle gab.

Die sozialen Verhältnisse

Und auch die hygienischen Verhältnisse waren aus heutiger Sicht nicht tragbar: Die wohl einzige kleine blecherne Waschschüssel für alle und die schmutzige Pausenecke zeugen davon. Und dann zahlten die Fabrikherren wohl Niedriglöhne. Kein Wunder, dass die Fabrikarbeiter rebellierten. Nur mit Militärgewalt konnte 1871 auch in Königshütte ein Arbeiteraufstand unterdrückt werden.
Menzel hat in der Fabrikhalle die Realität gemalt. Es ist nicht anzunehmen, dass er mit den rebellierenden Arbeitern oder gar mit dem 1863 gegründeten „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ sympathisierteSein Bild hängt heutein derBerliner Nationalgalerie.

Links

Adolph Menzels Fabrikgemälde „Das Eisenwalzwerk“
Die Alte Nationalgalerie
Adolph von Menzel in der Preußen-Chronik