Die Völkerschlacht bei Leipzig und ihr Denkmal

von Sibylle Sättler

Im Jahre 2013 wird in Leipzig zweier großer Ereignisse gedacht: Zum 200. Mal jährt sich das Datum der Völkerschlacht und zum 100. Mal die Fertigstellung des imposanten Völkerschlachtdenkmals.

Die Völkerschlacht bei Leipzig, 16. – 19. 10. 1813

Die nackten Tatsachen belegen mehr als 120.000 Tote durch die Kampfhandlungen, Hunger und Seuchen nach der Völkerschlacht, der ersten großen Massenschlacht der Geschichte. Noch nie gab es eine Schlacht mit derartig vielen Teilnehmern (530.000 Soldaten). In der Völkerschlacht, unter Beteiligung Preußens, Österreichs, Russlands und Schwedens als Verbündete, wurde Napoleon am 18. 10. 1813 vernichtend geschlagen und Deutschland und weite Teile Europas von der französischen Herrschaft befreit. 30.000 französische Soldaten gerieten in Gefangenschaft. Das politische Ende Napoleons besiegelte endgültig die Schlacht bei Waterloo 1815.
Der Wiener Kongress 1814 und 1815 regelte die Machtverhältnisse neu zwischen Preußen, Österreich, Russland, Großbritannien und Frankreich.

Pläne zum Bau des Völkerschlachtdenkmals

Foto: Tobi87, by-sa

Viele Prominente erdachten Möglichkeiten, der siegreichen Schlacht gegen Napoleon ein Denkmal zu setzen. So hatte der Dichter Ernst Moritz Arndt (er war selbst Kriegsteilnehmer) 1814 ein Ehrenmal für die Gefallenen vor Augen. Zitat: „Groß und herrlich“ soll es sein, „wie ein Koloss, eine Pyramide, ein Dom zu Köln“.  Schinkels Entwürfe von 1816 für einen „Nationaldom aller Deutschen“ konnten aus politischen und finanziellen Gründen nicht ausgeführt werden. Jahrzehnte vergingen ohne Konkretisierung eines Plans. Mit Gründung des Deutschen Patriotenbundes 1894, Spenden und Lotterieeinnahmen für die „Errichtung eines Völkerschlacht-Nationaldenkmals“ schaffte der Leipziger Architekt Clemens Thieme die finanzielle Grundlage für die erforderlichen sechs Millionen Goldmark.
Verwirklicht wurden aber erst die Pläne des Berliner Architekten und Freimaurers Bruno Schmitz ab 1898. Der Bau konnte beginnen; die Stadt stiftete 40.000 Quadratmeter Baugelände. Ausgehoben wurden 82.000 Kubikmeter Bodenfläche, und bearbeitet wurden 26.500 heimische Granitporphyrblöcke.

Annäherung an das Denkmal

Foto: Gahlbeck, Friedrich, by-sa

Weithin sichtbar in der Ebene erhebt sich im Leipziger Stadtteil Probstheida das Völkerschlachtdenkmal in seinen kolossalen Ausmaßen an der Straße des 18. Oktober. (Eine derartige Adresse zur Erinnerung an eine ruhmreiche Schlacht kenne ich in Deutschland sonst nicht.) Zu DDR-Zeiten war die Adresse Leninstraße. Das Monument mit Aussichtsplattform in 91 m Höhe stellt den größten Denkmalbau Europas dar. Es ist von Wällen und breiten Treppenaufgängen umgeben. Ein vorgelagerter trapezförmiger Wasserspiegel schafft Distanz. Bei entsprechenden Lichtverhältnissen verdoppelt sich das Denkmal durch die Spiegelung im Wasser. Man kommt dem Denkmal nur langsam näher; es ist einfach gewaltig, der Granitporphyr dunkel.
100 Jahre seit Bestehen haben an dem Denkmal Spuren hinterlassen. Im Dezember 2012, als ich zu einem Familientreffen in Leipzig war, gab es überall Absperrungen für Reparatur- und Sanierungsarbeiten. Der 1998 gegründete Förderverein beteiligt sich wesentlich an deren Finanzierung. Weitere Spendenaktionen unterstützen ihn, auch die Stadt Leipzig engagiert sich großzügig. Mit den „Stifterbriefen 2013“ in Gold, Silber und Bronze konnten einflussreiche Bürger und Unternehmen der Stadt als Spender gewonnen werden. Der Aufzug wurde bereits erneuert und ein behindertengerechter Zugang angelegt. Die zum Denkmal führende Haupttreppe wird noch erneuert.

Späte Erstbesteigung des Denkmals

Mit fast 70 Jahren packte mich erstmals der Ehrgeiz, das Denkmal zu besteigen, und zwar zu Fuß, nach dem Prinzip der Bergbesteigung. Zu überwinden waren 364 Stufen. Oben angekommen, hat sich die Mühe gelohnt: Ein wunderbarer Blick über die Stadt in der Leipziger Bucht in alle Richtungen, das spezielle Rot der Dächer, die Türme, die Universität (Weisheitszahn genannt), neue Hochhäuser und Wohngebiete am Stadtrand, dazwischen immer wieder die vielen grünen Inseln der Parkanlagen. Im Südosten liegt die neue Seenplatte, entstanden durch Flutung des ehemaligen Braunkohletagebau-Geländes.

Das Monument

Erzengel Michael,
Foto: Sir James, by-sa

Das Denkmal ruht auf 65 Gründungspfeilern mit einer Höhe von 26 m, die durch Erdaufschüttung den späteren Wall ergeben. Bautechnisch gegliedert ist das Denkmal in Krypta, Ruhmeshalle und Kuppel mit Aussichtsplattform.
Ich betrete zunächst die Krypta zur Ehrung der Gefallenen. Der Raum verbreitet eine feierliche Atmosphäre. Hier halten je zwei auf ihre Schilde gestützte Krieger die Totenwache neben mächtigen Pfeilern mit Schicksalsmasken. Darüber erhebt sich die Ruhmeshalle, der Hauptraum des Denkmals. Licht lassen vier große runde Fensterbögen herein. Beherrscht wird die Halle von 9,60 m hohen mächtigen Figuren, die die Tugenden eines Volkes als Tapferkeit, Selbstvertrauen, Volkskraft und Opferbereitschaft darstellen.
Die Kuppel besteht aus elf übereinander liegenden Ringen, die als Relief 324 lebensgroße Reiter darstellen. Außen umstellen die Kuppel 12 m hohe geharnischte Wächter. Der Unterbau weist zudem ein riesiges Steinrelief auf mit Nachbildungen des Leipziger Schlachtfeldes, aus dessen Mitte sich die 12 m hohe Figur des gewappneten Erzengels Michael erhebt. Ein Siegesadler schwebt darüber und die Inschrift „Gott mit uns“. Als Bildhauer haben sich Christian Behrens und später Franz Metzner einen Namen gemacht.

Einweihung und Rezeption des Denkmals

Genau 100 Jahre nach der Schlacht wurde das 300.000 Tonnen-Denkmal von Kaiser Wilhelm II am 18. Oktober 1913 eingeweiht in Anwesenheit des sächsischen Königs, aller Fürsten der deutschen Staaten sowie der Vertreter, der Herrscher von Österreich, Russland und Schweden.
Heute dient das Bauwerk als Mahnmal der Befreiungskriege 1813 und als Ort und Forum offener Kommunikation und europäischer Identität.

Freundschaftliche Feste zur Erinnerung

Der Verband Jahrfeier Völkerschlacht bei Leipzig 1813 e.V. erinnert in jedem Jahr mit historischen Darstellungen an Original-Schauplätzen an das Geschehen rund um die Völkerschlacht. Alle mitwirkenden Personen tragen nach historischen Vorlagen bis ins Detail nachgearbeitete Kleidung beziehungsweise Uniformen. Alte Berufe von vor 200 Jahren werden dargestellt, ebenso die entsprechenden Wohnverhältnisse oder die Austragung von Kampfhandlungen nach damaliger Manier. Hier wird Geschichte lebendig gehalten, und Freund und Feind aus damals betroffenen Nationen treffen sich hier in Frieden und Versöhnung, im Gedenken der vielen Toten der Schlacht.

50 Apelsteine – Gedenksteine

Apelstein

11 km in südöstlicher Richtung vom Stadtzentrum entfernt liegt Liebertwolkwitz, der Wohnort unserer Familie väterlicherseits, das vor 200 Jahren mit zum Schauplatz der Kämpfe gehörte. Auf dem Gelände unserer Familie findet sich noch heute ein Gedenkstein (Markstein Nr. 9) für den französischen Leutnant Mortier, Herzog von Treviso, der dort 1813 mit seinen Soldaten kämpfte.
Dr. Theodor Apel (1811 – 1876), ein Leipziger Bürger, stiftete aus eigenen Mitteln zwischen 1861 und 1864 44 ungefähr 1,50 m hohe Marksteine aus Granit und Sandstein zum Gedenken an die Völkerschlacht. Im Laufe der Jahrzehnte kamen durch Stiftungen sechs weitere Gedenksteine dazu. Darauf vermerkt sind die Namen der Befehlshaber der verschiedenen Truppen sowie deren Stärke und Kampfrichtung. Es wird unterschieden zwischen den Steinen mit geraden Zahlen, spitzem Abschluss und dem Kennzeichen „V“ für die Verbündeten und denen mit ungeraden Zahlen, rundem Abschluss und dem Kennzeichen „N“ (Napoleon) für die französischen Truppen. Sie befinden sich an den jeweiligen historischen Standorten der Schlacht.

Folgen des Sieges über Napoleon

Eine konkrete Folge der Befreiung von der napoleonischen Herrschaft war die Gründung der deutschen Burschenschaft mit dem Ziel, die Einigung Deutschlands herbeizuführen. Diesem Ziel schlossen sich weitsichtige einflussreiche Bürger (wichtige Vertreter: Ernst Moritz Arndt, F.L. Jahn – später „Turnvater“, Theodor Körner) an, in der gemeinsamen Einsicht, dass die Zeit der Partikularstaaten überholt sei, und nur ein vereintes Deutschland sich gegen kriegerische Überfalle erfolgreich zur Wehr setzen könne.
Schließlich möchte ich auf den historischen Roman „1813 – KRIEGSFEUER“ von Sabine Ebert 100 Jahre nach der Völkerschlacht hinweisen, den sie am 14. März 2013 in der vollbesetzten Leipziger Nikolaikirche anlässlich der Buchmesse vorstellte.

Quellen

Leipzig: Baumeister und Bauten von der Romanik bis zur Gegenwart
von Wolfgang Hocquél, Tourist Verlag Berlin/Leipzig 1990.
Architekturführer DDR Bezirk Leipzig, VEB Verlag für Bauwesen, Berlin, 1976.

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