von Dietrich Bösenberg
Augsburg war zu Beginn der Neuzeit eine der glänzendsten Städte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Handel, Kunst und Handwerk blühten und erfolgreiche Kaufmannsfamilien hatten die Stadt zu einem bedeutenden Handels- und Finanzzentrum gemacht.
Die Situation
Im Laufe des 15. Jahrhunderts hatten es wagemutige Familien in süddeutschen Städten wie Augsburg, Memmingen oder Ravensburg verstanden, in den Handel mit lukrativen Gütern einzusteigen. Gewürze, Textilien und Metalle bildeten die Grundlage für die Entstehung von Unternehmen mit europaweiten Geschäftsbeziehungen.
Besonders erfolgreich betätigten sich einige Augsburger Familien, die außer dem Fernhandel mit Waren auch Bergwerke für Kupfer und Silber erworben hatten. Ihr wirtschaftlicher Aufstieg führte dazu, dass sich diese Unternehmen zunehmend auch in Geldgeschäfte begaben und in großem Stil als Finanziers für Kirche und Fürsten agierten. Ihre Beziehungen waren so weitgespannt, dass sie im Zeitpunkt ihrer Hochblüte gleichrangig mit den berühmten Medici aus Florenz galten und diese zeitweilig sogar überflügelt hatten.
Wer waren die Familien?
Aus den damals bestehenden Augsburger Familienunternehmen ragen einige heraus: die Fugger, die Welser und die Höchstetter,die beispielhaft vorgestellt werden sollen.
Die Fugger
Die berühmteste Augsburger Handels- und Finanzdynastie ging aus kleinen Anfängen hervor. Der Barchentweber Hans Fugger aus Graben bei Augsburg legte 1367 mit Herstellung und Handel mit Textilien den Grundstein für eines des bedeutendsten Unternehmen seiner Zeit. Sohn Jakob Fugger der Ältere und dessen Sohn Jakob (1459 – 1525), schon damals „der Reiche“ genannt, bauten einen Konzern auf, der mit Handel (Gewürze, Metalle, Textilien) und Bergbau sowie als Bankhaus Weltgeltung erwarb.
Die Familie Fugger stieg bald in den Adel und später in den Hochadel auf. Familienmitglieder stellten kirchliche und weltliche Würdenträger, unter anderem . als Fürstbischöfe von Konstanz und Regensburg. Jakob Fugger und sein Neffe Anton (1493 – 1560) führten das Unternehmen klug und umsichtig, sie beteiligten sich an vielen einträglichen Projekten, nicht zuletzt im Kupfer- und Silberbergbau in Osteuropa. Auch in die Entdeckungsfahrten des Columbus sowie die Öffnung des Seeweges nach Indien investierten sie.
850 000 Gulden für den Kaiser
Als Bankiers nahmen die Fugger Geldeinlagen von vermögenden Privatkunden entgegen, um sie zusammen mit eigenen Mitteln gewinnbringend auszuleihen. Bevorzugte Kunden waren die katholische Kirche in Deutschland und Rom sowie vor allem das damals mächtigste Herrschergeschlecht in Europa – die Habsburger. Kaiser Karl V. (1500 –1558) , in dessen riesigem Reich die „Sonne nicht unterging“, verdankte seine Wahl einer Gruppe von Geldgebern, die die unvorstellbare Summe von 850 000 Gulden zur Gewinnung der Kurfürsten zur Verfügung stellte. Den größten Teil brachte das Haus Fugger auf, gefolgt von den Welsern, ebenfalls aus Augsburg, sowie den Medici aus Florenz. Die Reihenfolge lässt die Verteilung von Macht und Geld erahnen.
Kluge Kaufleute
Neben den Habsburgern zählten auch andere Königshäuser, unter anderem König Heinrich VIII. von England sowie der König von Portugal, zu den Kreditnehmern der Fugger. Riesige Gelder wurden für die Hofhaltung, ganz besonders aber für die ständigen Kriege benötigt, die das Habsburgerreich zur Erhaltung seiner Macht führen musste.
Die clevere Vorgehensweise der Fugger lässt sich unter anderem daraus erkennen, dass sie sich von den Herrschern für die geliehenen Summen stets Pfänder in Form von Ländereien, Bergwerken oder auch Münzrechten übertragen ließen. Wenn diese nicht eingelöst wurden, was häufig geschah, gingen sie in den Besitz der Fugger über und mehrten ihren immensen Reichtum.
Die kirchlichen Verbindungen
Das Haus Fugger erhielt große Geldeinlagen vermögender Privatleute, besonders auch von kirchlichen Würdenträgern, an der Spitze vom Fürstbischof/Kardinal von Brixen in Südtirol, Melchior von Meckau. Kredite wurden andererseits an kirchliche Stellen gegeben, nicht zuletzt an Päpste. Auf diese Weise finanzierten die Fugger zum Beispiel 1506 die Aufstellung der päpstlichen Schweizergarde. Sie organisierten auch den Ablasshandel, was großen Volkszorn auslöste und schließlich zur Reformation beitrug, ebenfalls Folgen ihrer intensiven Beziehungen zur Kirche.
Die Fuggerei
Jakob Fugger der Reiche hat mit einem weiteren Werk Ruhm erworben. Zur Sicherung seines Seelenheils stiftete er 1521 in Augsburg ein Sozialwerk, bestehend aus einer Reihenhaussiedlung, in die bedürftige Stadtbürger Aufnahme fanden. Voraussetzung waren unverschuldete Verarmung sowie ein frommer Lebenswandel. Die Jahresmiete betrug 1 Rheinischen Gulden. Noch heute leben in der Anlage cirka 50 Bewohner, die die ursprünglichen Bedingungen erfüllen müssen. Die symbolische Jahresmiete beträgt €0,88.
Die Welser
Die Augsburger Familie der Welser war im 15. Jahrhundert mit Produktion und Handel von Textilien – wie so oft aus Baumwolle/Barchent – zu Reichtum und Einfluss gekommen,ihre Unternehmen waren in Augsburg und Nürnberg angesiedelt. 1479 expandierte man durch eine Heiratsverbindung mit der Memminger Kaufmannsfamilie Vöhlin. In ihrem gemeinsamen Handelsunternehmen übernahmen die Welser bald eine führende Rolle und schließlich die Alleinherrschaft.
Die rasante Entwicklung brachte es mit sich, dass auch Finanzierungsgeschäfte aufgenommen wurden, wozu enge Beziehungen zu den führenden Herrscherhäusern Europas geknüpft worden waren. Die Habsburger und andere Fürstenhäuser benötigten laufendgroße Geldsummen für ihre luxuriöse Hofhaltung und für die Finanzierung ihrer häufigen Kriege. Unter anderem beteiligten sich die Welser zusammen mit Fuggern und den Medici an der Bereitstellung großen Summen für die Wahl Karls V. zum Kaiser.
Venezuela
Inzwischen hatten die Welser auch gewinnbringende Geschäfte mit überseeischen Ländern, zumal mit den spanisch beherrschten Regionen Südamerikas aufgenommen. Edelmetalle, Gewürze und Sklaven gehörten zu den wichtigen Handelsgütern. In Venezuela wurde den Welsern 1528 die Statthalterschaft übertragen, die sie aber durch unglückliche Aktivitäten schon 1556 wieder verloren.
Als kurz danach im Jahre 1557 Spanien den Staatsbankrott anmelden musste, erlitten die Welser, wie viele andere Geldgeber,große Verluste, dieschließlich zum Ende der Welser’schen Erfolgsära führten.
Das Vermögen der Familie war jedoch schon rechtzeitig in Immobilien angelegt worden und hat sich weitgehend erhalten.Noch heute bestehen verschiedene Zweige weiter.
Die Hoechstetter
Der Name dieser Familie ist weniger bekannt, jedoch zählten die Hoechstetter zeitweise zu den größten Handelsunternehmen Deutschlands und standen an dritter Stelle nach Fuggern und Welsern.
Die Wurzeln der Handelsfamilie reichen zurück bis ins 13. Jahrhundert. Ursprünglich Nachkommen der Ritter von Höchstädt an der Donau, deren Namen sie weiterführten, siedelten sich spätere Abkömmlinge in der damaligen Metropole Augsburg an. Dort erwarben sie Bürgerrecht und stiegen erfolgreich in den Groß- und Fernhandel mit Textilien und Gewürzen ein. Ihre Bedeutung kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie in Venedig im berühmten „FondacodeiTedesci“, der Niederlassung deutscher Händler, ein eigenes Gewölbe besaßen.
Ein Schwerpunkt der Tätigkeiten der Hoechstetter-Unternehmen war der Bergbau in Tirol und in Ungarn, wo sie sowohl Kupferbergwerke als auch metallverarbeitende Betriebe – Messinghütten und Schmelzwerke – betrieben.
Der Sprung nach England
Einem Zweig der Familie Hoechstetter gelang der Sprung nach England. Joachim Hoechstetter hatte einen umfangreichen Getreide- und Tuchhandel mit England und wurde 1528 vom englischen König Heinrich VIII zum Hauptaufseher (Principal Surveyor and Master oft he Mines Royal) der königlichen Minen in England und Irland ernannt. Sein Sohn Daniel gründete 1568 die „Society ofMines Royal“, eine Gesellschaft, mit der er mehrere Minen, eine Schmelzhütte und ein Hammerwerk betrieb.
Auch die nachfolgenden Generationen waren in England erfolgreich tätig. Ein Familienangehöriger wurde geadelt und von König Georg zum Ritter geschlagen, ein anderer brachte es zum obersten Bürgermeister (Lord Mayor) von London.
Daneben trieben die Hoechstetter gemeinsam mit diversen Partnern weltweit Handel mit Schwerpunkt im Seiden- und Gewürzhandel. Als dann einige Partner Ende des 16. Jahrhunderts Bankrott gingen, führten diese Verbindungen schließlich zum Zusammenbruch der Hoechstetter Unternehmen.