von Erna Subklew
Sakralbauten sind zumeist die ältesten Zeugen der Kultur eines Volkes. Sie geben Auskunft über Lebensgewohnheiten und Brauchtum der Menschen, die die Kunstwerke geschaffen haben. Die türkischen Moscheen zählen zu den schönsten Bauwerken der islamischen Welt.
Aussehen der Moschee
Die Moschee ist ein sakraler Raum, ein Ort der Niederwerfung vor Gott. Gleichzeitig ist sie aber auch der Ort des Freitagsgebets, der Ort wo die Predigt, nicht nur die geistliche sondern auch die politische, gehalten wird, wo Gemeindeleben stattfindet, wo sich Gruppen treffen und austauschen. Eine Moschee muss geweiht werden und sich im Besitz eines Moslems befinden.
Die wichtigste und älteste Moschee im Islam ist die Kaaba.
Das Charakteristikum türkischer Moscheen sind die Kuppeln. Alle klassischen türkischen Moscheen haben Kuppeln, angefangen bei einer bis zu einer Vielfalt. Moscheen können wie ein Haus überdacht oder oben offen sein. Sie haben Minarette für den Gebetsruf des Geistlichen, je nach Wichtigkeit zwischen einem und vier.
Viele Moscheen haben einen Säulengang um die Moschee und im Hof einen Brunnen für die rituelle Reinigung. Die Moschee darf nicht mit Schuhen betreten werden. Im Moscheenhof befindet sich auch der Stein für die Waschung der Toten.
An die Moschee angebaut ist oft eine Medrese (Schule), die für die Ausbildung künftiger Geistlicher sorgt.
Der Innenraum
Der Innenraum besteht aus einem großen Betsaal, der abgegrenzte Podeste für Frauen aufweist. An der nach Mekka gerichteten Wand befindet sich eine Gebetsnische, die nur in ritueller Reinheit betreten werden darf. Von einer Kanzel wird von einem Geistlichen (Imam) die Freitagspredigt gehalten. Die Kanzel und die Gebetsnischen haben vorwiegend Holzschnitzereien. Der Boden der Moschee ist mit einem Teppich bedeckt, der vielfach in kleine Teppiche unterteilt ist, so dass jeder Betende sein bestimmtes Teppichstück hat.
Der Innenraum weist keine Bilder auf, sondern ist mit Fayencen bedeckt und mit Suren geschmückt, die kalligraphisch sehr schön sind. Von der Kuppel herunter hängen die Lampen an langen Schnüren. Früher waren sie mit Öl gefüllt, heute sind sie elektrisch.
Die Bauperioden
Nachdem die Turkvölker Mittelasien verlassen und den islamischen Glauben angenommen hatten, zogen sie nach Westen und erreichten auf ihren Zügen Kleinasien. In den Orten, in denen sie sesshaft wurden, sahen sie es als ihre Aufgabe an, Moscheen zu bauen. Die ersten Moscheen, die in der heutigen Türkei entstanden, waren in Iznik und in Bursa die Orhan Camii (Moschee).
Bis zum Ende des Osmanischen Reiches (1335 – 1923) unterscheiden wir sechs Bauperioden:
1. Die erste osmanische Periode (1335 – 1501)
2. Die klassische Periode (1501 -1703)
3. Die Tulpenperiode (1703 – 1730)
4. Die Barockperiode (1730 – 1854)
5. Die Empireperiode (1854 – 1874)
6. Die Neoklassizistische Periode (1874 – 1923)
1923 hörte der Bau von Moscheen auf. Die Türkei war Republik geworden und hatte durch den verlorenen Krieg einen großen Bildungs- und industriellen Nachholbedarf. Man baute Schulen statt Moscheen. Soviel ich bei Neubauten von Moscheen gesehen habe, hat sich seitdem auch nicht ein eigener Stil herausgebildet.
Die Bauherren
Jeder Sultan hat es mehr oder weniger als seine Aufgabe angesehen, sich in der Hauptstadt, die damals Istanbul war, durch eine Moschee ein Denkmal zu setzen. Außer den Herrschern waren es aber auch die Sultansmütter oder andere verdiente Leute des Hofes, die sich durch eine Moschee verewigten.
Anders als bei den Christen tragen die Moscheen nicht den Namen eines Heiligen, sondern den des Bauherrn oder heißen neutral Yeni (neue) Moschee oder Ulu (erhabene) Moschee.
Die Blütezeit des Moscheenbaus liegt in der klassischen Periode. Mit der regen Bautätigkeit hatten auch die Handwerker, die dabei beschäftigt waren, ein gutes Auskommen. Ein Moscheebau braucht außer den Bauhandwerkern, Teppichknüpfer, Holzschnitzer, Kalligraphen, Töpfer, Kupferschmiede und noch viele andere.
In der klassischen Zeit lebte auch der größte Baumeister der Türkei, vielleicht einer der größten der ganzen Welt – Mimar Sinan. –
Mimar Sinan
Sinan wurde in dem Dorf Ağirnas in der Nähe von Kayseri geboren. Er gehörte wahrscheinlich der griechischen oder armenischen Minderheit an. Dies kann man daraus schließen, dass er bei den Janitscharen in Istanbul diente. Diese Truppe bestand nur aus Mitgliedern der türkischen Minderheiten. Er machte die Feldzüge der Sultane mit und war als Architekt und Städtebauer tätig. Unter seiner Leitung entstanden 84 große Moscheen, 52 kleine Moscheen, Mescid genannt, 57 Schulen, 18 Karawansereien, 7 Lesesäle, 17 Armenküchen, 3 Krankenhäuser, 8 Brücken und 5 Viadukte.
Die Meisterstücke Mimar Sinans
Mimar Sinan sagt von den Moscheen, die er für seine besten hält, dass die Şehzade Mosche seine Lehrlingsarbeit, die Süleymaniye sein Gesellenstück und die Selemiye Moschee in Edirne sein Meisterstück ist.
Der Grundriss der Süleymaniye Moscheeanlage besteht aus einem Rechteck und einem Quadrat. Der quadratische äußere Hof, in dem das Gebäude steht, ist von einer Mauer mit elf Toren umgeben, der rechteckige Hof von einem Säulengang auf dem sich 28 Kuppeln befinden. Die Moschee kann von 27.000 Menschen besucht werden. An den Feiertagen wird noch der rechteckige Hof dazu genommen, so dass 40.000 Gläubige gleichzeitig Gottesdienst feiern können.
Nach einer langen Zeit, in der kaum neue Moscheen entstanden, setzte seit 1980 wieder eine rege Bautätigkeit ein. Die Saudis bauten in Ankara die größte Moschee der Türkei. Der türkische Staatspräsident will diese jetzt noch überbieten, in dem er auf dem Çamlica eine Moschee bauen will (Fnp), die von jedem Punkt Istanbuls zu sehen ist.
Quelle: Nimet Bayraktar: Die berühmten Moscheen in der Türkei
Minyatür Verlag Istanbul
Eine kurze Biographie Mimar Sinans und sehr gute Bilder von Moscheen finden Sie in der „Enzyklopädie des Islams“ im Netz.