von Erna Subklew
Der Beitrag über türkische Miniaturen hat als Quelle das 1981 erschienene Buch „Geschichte der türkischen Malerei“ aus dem Palasar S A Verlag. Zusammen mit der türkischen Ausgabe erschienen weitere in Englisch, in Französisch und in Deutsch. Die Ausgaben geben der Miniaturmalerei einen großen Raum.
Türkische Miniaturen – europäische Miniaturen
Im Gegensatz zu den europäischen Miniaturen, die vor allem in der christlichen Buchkunst ihren Raum hatten zur Illustration und Erklärung von biblischen Texten und Gebeten, sind die türkischen Miniaturen am Sultanshof gepflegt worden. Obwohl es nirgends im Koran einen Hinweis auf ein Bilderverbot gibt, haben die Koranauslegungen die Darstellung von Menschen abgelehnt. So wirkt der Koran allein durch seine Kalligraphie, die dort eine einzigartige Perfektion erreichte.
Die türkischen oder richtiger gesagt osmanischen Miniaturen findet man seit dem 12. Jahrhundert vorwiegend zur Illustration von Büchern, die von Ereignissen am Sultanshof berichten. Bis zum 18. Jahrhundert war die Miniaturmalerei die vorherrschende Form der Malerei in der Türkei. Ihren Höhepunkt hatte sie im 16. Jahrhundert.
Das Wesen der Miniaturmalerei
Die Miniaturmalerei wurde von Künstlern ausgeführt, die vollkommen im Islam aufgingen. Daher war für sie das oberste Gebot, die Welt und ihre Ereignisse so abstrakt wie möglich darzustellen. Das bedeutet nicht, dass keine Menschen gemalt wurden, sondern die Menschen wurden nicht als Individuen dargestellt, sondern als Teil ihrer Gruppe. Man konnte aus ihrem Äußeren schließen, welche Gruppen an dem Ereignis beteiligt waren und damit welcher Person zu Ehren das Bild gemalt wurde. Damit hatte das Bild auch den Bezug zum Text. Selbst der Prophet wurde dargestellt, hatte jedoch anstelle eines Gesichts einen Schleier.
Beim Betrachten der Miniaturen fällt auf, dass vorwiegend die Grundfarben vorherrschen: Rot, Blau, Weiß, Grün. Die Umrisse der Figuren sind gekennzeichnet und alle Flächen sind in der Regel mit Ornamenten verziert, die bei den verschiedenen Flächen unterschiedlich sind. Dadurch und durch das Fehlen von Licht und Schatten wirken die Miniaturen sehr plakativ. Meiner Ansicht nach weisen sie, vor allem die Portraits, eine Verwandtschaft zu den Ikonen auf.
Miniaturen in der osmanischen Zeit
Die Turkvölker übten die Miniaturmalerei schon in ihrer vorislamischen Zeit aus und nahmen sie bei ihren Zügen in den Westen als Kunst mit. Da die Stämme zu verschiedenen Zeiten im Westen ankamen, findet man zu unterschiedlichen Zeiten das Auftauchen bestimmter Richtungen. So weisen die Miniaturen der Seldschuken aus dem 12. Jahrhundert viele Übereinstimmungen mit den späteren aus der Zeit Akkoyunlu und Karakoyunlu auf.
Die Werkstatt der Malerei
Mehmet der Eroberer hatte an seinem Hofe ein Maleratelier eingerichtet, in dem er sowohl italienische als auch Maler aus dem Osten beschäftigte. In dieser Zeit veränderte sich der Stil der Miniaturen sehr. Erst nachdem die Werkstatt im 16. Jahrhundert eingegangen war, kehrte man wieder zu der alten islamischen Auffassung zurück.
In dieser Werkstatt arbeitete jeweils ein Team von bis zu 20 Künstlern an einer Handschrift, wenn man alle daran Beteiligten mitrechnet wie Kalligraphen, Buchbinder und andere.
Natürlich wurden diese Miniaturen zur Verherrlichung des jeweils regierenden Sultans benutzt. Die Maler stellten jeweils die Ereignisse der Epoche dar, seien es nun Kriege, Audienzen, Jagdszenen, Feste oder andere wichtige Begebenheiten. Auffallend oft wurde die Beschneidung der Söhne des Sultans gemalt.
So entstanden in dieser Zeit Chroniken, die über die Herrschaft des jeweiligen Sultans Auskunft geben.
Themen der Bilder
Bei den Bildern wurde der Sultan oder die für das Bild wichtigste Person nicht durch die Charakteristik ihrer Züge, sondern durch ihre Größe, den Platz auf dem Bilde und ihre Kleidung gekennzeichnet. Ein ganz besonderer Künstler war der Maler Nakkaş Osman, der über ein 52 Tage dauerndes Beschneidungsfest ein ganzes Miniaturenbuch gestaltet hat. Er verband meisterlich Tradition und zeitgenössische Komposition.
Religiöse Themen werden nicht anders behandelt als höfische. Ein beliebtes Motiv, das oft dargestellt wurde, ist die Sintflut. (Wie auch bei den Christen.) Im 18. Jahrhundert setzt erneut ein westlicher Einfluss ein. Kulturelle und wissenschaftliche Kontakte zu den europäischen Ländern führten zu Zirkeln, die die Anregungen aus dem Westen verarbeiteten.
Das Ende der Miniaturmalerei
Künstler und Dichter wandten sich nun ihrer eigenen Umwelt zu. Die bisher vorwiegend dargestellten Anordnungen auf den Bilder werden aufgelöst zugunsten einer individuellen Darstellung. Die Miniaturmalerei verliert immer mehr an Terrain.
Allerdings findet man auch heute noch viele Miniaturmalereien als Kartenmotive auf Glückwunschkarten. Sie sind daher bei der Bevölkerung noch sehr bekannt.
Quelle:
Hrsg.: Mustafa Aslier u. a.: Die Geschichte der Türkischen Malerei
Palasar Verlag S A. Istanbul 1989, ISBN 3-8030 -399 – 0