Otto Dix – Begegnung mit einem Landsmann.

von Liane Rohn

Otto Dix hatte Glück, dass er 1891 am Stadtrand von Gera, einem fürstlichen Kleinstaat zugehörig, geboren wurde. Und die Stadt Gera hatte die Ehre und Glück, diesem Sohn 75 Jahre später die Ehrenbürgerschaft zu verleihen, während ich mich glücklich schätze, ihm ein einziges Mal begegnet zu sein.

Jugend

Zwar wuchs Otto Dix in einer Arbeiterfamilie auf, die seinerzeit wenig soziale Aufstiegschancen bot, ärmlich waren die familiären Verhältnisse, aber die nahe dörfliche Umgebung, die thüringische Landschaft, Wiesen, Wald, Flussufer, das fürstliche Schloss und die Kirche durfte er erleben, im Gegensatz zu jenen Kindern des so genannten Stadtproletariats.
Sein Volksschullehrer Ernst Schunke bemerkte sehr früh das Zeichentalent seines Schülers Otto Dix. Also malte und zeichnete er auch an Sonntagen mit ihm in der Umgebung, an der Elster, dem Heuberg oder anderen idyllischen Plätzen. Von da an verfolgte sein Lehrer Otto Dix’ künstlerisches Mal- und Zeichentalent.
Der Fürsprache beim Fürsten Heinrich von Reuß um eine Förderung seines Schülers zufolge, wurde Dix ein Stipendium gewährt mit der Auflage, zunächst einen Handwerksberuf zu erlernen Bei einem Dekorationsmaler lernte der junge Otto Dix drei Jahre lang und arbeitete ein halbes Jahr als Geselle, um 1910 mit dem versprochenen Stipendium an der Kunstakademie Dresden sein Studium der Malerei und Grafik zu beginnen.

Veränderungen

„Ich konnte eigentlich schon immer ohne Vorlage malen. Das verdanke ich meinem alten Lehrer Schunke, der mich zur gestalterischen Freiheit führte. Und dem sauren Zwang der Malerlehre entronnen, habe ich freiwillig den Drill der Kamelslast an der Kunstakademie auf mich geladen!“
Bis 1912 galt für ihn der impressionistische Malstil, und zahlreiche Öl- und Aquarellbilder von Landschaften und nahestehenden Personen zwischen Gera und Dresden hatte der junge Dix „in seinem Gepäck“. Als er um 1912/13 van Goghs Malstil – Realität und Abstraktion, die neue und später eigentliche Sachlichkeit –  kennen lernte, im Zusammenhang mit seinem literarischen Wissen Nietzsches, und dem vielleicht wichtigsten Lehrer Richard Guhr, Bildhauer und Maler, begann der junge Otto Dix auch zu modellieren. Es entstand die Gipsbüste Friedrich Nietzsches, 60 cm hoch, sie nimmt unter den Nietzsche-Bildnissen einen hohen Rang ein. Vom Dresdner Stadtmuseum erworben, wurde sie 1937 als entartete Kunst entfernt und 1939 in Luzern, wo die Nazis konfiszierte Werke auf einer Auktion der Galerie Fischer versteigern ließen, verkauft. Die Büste ist seither verschollen.

Begegnung

Zeichnung Viktor Schlötzer 1953

Es ist an diesem Punkt sinnvoll, auf das Jahr 1951 voraus zu schauen. Es war Otto Dix 60. Geburtstag. Er weilte in seiner Geburtsstadt Gera, wie in großer Regelmäßigkeit in all den Jahren. Er war ein Pendler. Zeit seines Studiums zwischen Dresden und Gera, später zwischen seinem zur Heimat gewordenen Wohnsitz Hemmenhofen am Bodensee, Gera, Dresden und allen wichtigen Stätten seines künstlerischen Wirkens.
Und just in dem Jahr bin ich Otto Dix als Neunzehnjährige rein zufällig im Schreiberschen Haus in Gera begegnet. Zu jener Zeit trafen sich immer wieder interessante Menschen aus Ost und West von Politik, Wissenschaft und Kunst,  in dem von Prof. Dr. Oehlhey geleiteten Naturmuseum.
Erst ein paar Jahre später, beruflich und privat erfahrener geworden, war mir bewusst, mit welcher Persönlichkeit ich an jenem Tag bekannt gemacht wurde.
Dem Umstand, mit einem Absolventen der Dresdner Akademie der Künste befreundet gewesen zu sein, der ein Schüler von Prof. Otto Dix war (mein Buch Zufälle) habe ich zu verdanken, mein Porträt, eine Bleistift-Zeichnung von ihm aus dem Jahre 1953 zu besitzen.

Gemeinsamkeiten

Nach Jahrzehnten begann ich, mich mit Otto Dix zu beschäftigen. Wobei die Erkenntnis seiner Affinität zu Friedrich Nietzsche, einer meiner von Jugend an bevorzugten Philosophen nicht minder beitrug. Es berührte mich sehr, in Otto Dix nicht nur einen Landsmann, sondern gleichermaßen, und das im ähnlich jugendlichen Alter mit einem der schwierigsten, aber auch kritisch betrachteten Friedrich Nietzsche, als geistigen Bewunderer zu wissen.

Nietzsche

Otto Dix, der 1911 begonnen hatte, Nietzsche gründlich zu lesen, sagte später rückblickend „….. ich bin erbost darüber, dass die Nazis ihn für sich in Anspruch nahmen, ihn mit ihrer totalitären Macht-Theorie völlig falsch verstanden, verstehen wollten.“ Es ist bekannt von Otto Dix` Frau Martha, dass er besonders gern „Die fröhlichen Wissenschaften“ von 1886 las und als das Buch pries. In dessen  Vorrede steht:“ Man kommt aus solchen langen gefährlichen Übungen der Herrschaft über sich als ein anderer Mensch heraus  . . . vor allem mit dem Willen, fürderhin mehr, tiefer, strenger, härter, böser stiller zu fragen.“ Und manche Nietzsche Sätze, auch in „Zarathustra“ und „Menschliches – Allzumenschliches!“ ließen ihn mit seinem unerbittlichen Feststellungswillen zu einem „harten, bösen Maler werden.“
Ja, der unmenschliche erste Weltkrieg  erschütterte Dix Kraft ans Gute und Schöne des menschlichen Daseins zu glauben –   „die Menschen zum Vieh machte“.

Entwicklung

Otto Dix erfuhr im ersten Weltkrieg als Freiwilliger Horror und Grausamkeiten eines Krieges. Kaum vorstellbar, aber nachweislich belegt, entstanden Skizzen in Schützengräben und Unterständen aus diesen Kriegserlebnissen, die seine künstlerische Ausdrucksweise und Themenwahl früh veränderten. und nachhaltig prägten.
Nach  Kriegsende kehrte Dix für  wenige Jahre an die Dresdener Kunstakademie zurück. 1921 übersiedelte er als  Meisterschüler an die „Akademie der schönen Künste“ nach Düsseldorf, und dem sozialen Realismus zugewandt, malte Otto Dix, vielmehr das Hässliche.
Kunst in ihrer Tiefe und Aussage zu erkennen, ist in der darstellenden Kunst, wie es Dix ausdrückt augenscheinlicher, und Umsetzung ins Bild deutlicher. „Das andere, das moralische, hat mich nie interessiert“ sagte er später einmal in Bezug auf seine Christus Darstellungen am Kreuz.
Es war für Dix „unrealistisch“, wie bei Jesus am Kreuz, egal welche Technik und Darstellungsmethode, kein Ausdruck von Schmerz, großem Leid und  auch Entsetzen  zu verspüren war.

Rückzug

Oft hilft nur ein  Rückzug, für eine Weile Abstand räumlich und veränderte Hinwendung zur ursprünglichen künstlerischen Ausdrucksform zu suchen und zu finden. Otto Dix` Rückzug in den 30er Jahren an den Bodensee, ins gebaute Haus von Hemmenhofen, die Wieder- und Neuentdeckung landschaftlicher und Porträt-Malerei macht das deutlich.
Immer dann, wenn künstlerische, sozialkritische oder zutiefst persönliche Brüche entstehen, und die gab es bei Dix zuhauf, verstärkten sich seine Sichtweisen, sein „Augenschein“ Zeit seines Lebens und künstlerischen Gestaltens. Eines änderte sich in seinem Leben nie, kompromisslos zu denken und zu schaffen.

Veränderungen

Vor, zwischen und nach den zwei Weltkriegen erlebte Dix große gesellschaftliche und politische Veränderungen auch die eines geteilten Deutschlands. Er war schon immer, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, ein „Pendler zwischen den Welten“, ohne sich verbiegen zu lassen.
Vergebene oder entzogene Professuren der Dresdner Akademie der Künste oder die in Düsseldorf – stets waren gesellschaftspolitische Verhältnisse ausschlaggebend, Lehraufträge aufgeben zu müssen.
Irrelevant war dagegen großes internationales Interesse an Otto Dix Werken, insbesondere an den in den zwanziger Jahren geschaffenen.

Bewundert und kritisiert

Weltweit geschätzt, heftigst kritisiert, missverstanden weil dem Verstand und Gefühl Kunstinteressierter die immer wieder dargestellte Brutalität und Hässlichkeit viel abverlangt. Aber ebenso erhoffte er, in schwierigen Zeiten, zumal während des Nationalsozialismus, in seinen künstlerischen Ausdrucksweisen jene Feinheiten von Kritik, gar Verachtung aus seinen Werken heraus zu spüren, zu erkennen.
Nicht jedem seiner zahlreichen Biographen gelang es.
Und wo immer sich einst bedeutende Künstler niederlassen, wird es auch künftig Stätten der Wieder- und Neuentdeckungen geben.
So, wie Otto Dix Werke und Leben in Hemmenhofen am Bodensee, in seiner Geburtsstadt Gera, im vereinten Deutschland  und weltweit fortbestehen.

Quellen:

Großer Katalog
Otto Dix. Zum 100. Geburtstag 1891 – 1991
Verlag Gerd Hatje
Otto Dix – Dietrich Schubert  rororo Bildmonographien

Links:

Otto Dix

Otto-Dix-Haus/Kunstsammlung Gera


Hinweis auf Ausstellung in Stuttgart

Ausstellungsdauer in Stuttgart: vom 11.12.2012 bis 07.02. 2013.