Die ältesten Kunstwerke der Welt

von Dietrich Bösenberg

Eine Sensation konnten vor wenigen Jahren deutsche Archäologen melden – Fundstücke aus Höhlen in Südwestdeutschland erwiesen sich als die derzeit ältesten Kunstwerke der Welt. Sie gehören in die Zeit des Jungpaläolithikums ca. 40.000 Jahre v. Chr.

Die Fundorte

„Hohle Fels“, und „Geissenklösterle“, „Vogelherdhöhle“ und „Hohlenstein-Stadel“ –
so nennen sich die verschiedenen Höhlen, westlich und nördlich von Ulm im Achtal und im Lonetal. Dort waren aufschlussreiche archäologische Gegenstände schon vor über 150 Jahren geborgen worden, u.a. Elfenbeinskulpturen und Bruchstücke anderer Objekte. Weitere Grabungen führten zu den nunmehr veröffentlichten spektakulären Erkenntnissen über Alter und Bedeutung.

Die Kunstwerke

Löwenmensch Bild gemeinfrei

Bei den Objekten handelt sich um deutlich erkennbare geschnitzte Darstellungen von Tieren und menschlichen Figuren sowie auch um Mischformen von Mensch und Tier. Außerdem konnten diverse Flöten aus vielen Einzelteilen rekonstruiert werden.

Menschendarstellungen

Venus vom Hohle Fels Bild Silosarg CC

Aus der Höhle Hohlenstein-Stadel waren schon früher zahlreiche Elfenbeinfragmente geborgen worden. In langjähriger, mühevoller Arbeit konnten sie zusammengefügt werden und ergaben den berühmten Löwenmenschen (s.o.). Die ca. 30 cm hohe Figur hat menschliche und tierische Bestandteile, – einen menschlichen Körper mit einem Löwenkopf. Verwendungszweck könnte  Zauber bzw. Jagdmagie gewesen sein.
In der Höhle „Hohle Fels“ wurde 2008 die bislang älteste Menschenfigur  der Welt gefunden. Es handelt sich um eine Figur mit eindeutig weiblicher Charakteristik. Die sechs Zentimeter große sogenannte „Venus“ war fast vollständig erhalten und extrem detailliert geschnitzt. Sie stellt wahrscheinlich einen künstlerischen Ausdruck von Fruchtbarkeit dar.

Tierdarstellungen

Wildpferdchen Bild LoKileCh CC

In diesen Formenkreis gehört ein Wildpferdchen aus der Vogelherdhöhle, gearbeitet aus Elfenbein, mit ca. 4,8 cm Länge. Es hat eine für unser heutiges Empfinden fast grazile Gestalt und weist eine sorgfältig bearbeitete Oberfläche auf. Ebenfalls aus dieser Höhle stammt ein plastisch gearbeitetes Mammut aus Elfenbein, mit ca. 3,7 cm Länge. Eine weitere Elfenbeinfigur stellt ein katzenartiges Tier dar, vielleicht einen Löwen. Sie ist 8,8 cm lang und weist am Körper eingeritzte Kreuzmuster auf, deren Bedeutung unbekannt ist. Alle drei Objekte demonstrieren die erstaunlichen Fähigkeiten der Menschen zur Herstellung hochwertiger, handwerklich anspruchsvoller und kunstvoller Gegenstände.

Musikinstrumente

Knochenflöte
Bild José-Manuel Benito Álvarez CC

In der Höhle Geissenklösterle wurden drei Flöten gefunden, zwei davon aus Tierknochen, eine aus Elfenbein. Ein weiterer Fund aus der Vogelherdhöhle ergab ebenfalls eine Flöte von 12,7 cm Länge, die aus vielen Einzelfragmenten zusammengesetzt werden konnte. Als Material konnten die Flügelknochen eines Schwanes identifiziert werden.
Und noch eine weitere Flöte wurdevon Spezialisten aus Elfenbeinfragmenten der Höhle Geissenklösterle rekonstruiert. Sie wird aus zwei Halbröhren aus Elfenbein gebildet, die zusammengeklebt wurden. Drei sorgfältig gearbeitete Grifflöcher liegen in einem Tonabstand einer Terz, womit sich auch für unsere heutigen Ohren durchaus akzeptable Melodien erzeugen lassen.

Die Bedeutung der Musikinstrumente

Die Wissenschaftler sprechen von den ältesten Belegen von Musik in der Steinzeit. Sie leiten davon ab, dass in Südwestdeutschland eine Musiktradition schon 35.000 Jahre zurückverfolgbar ist. Natürlich stellt sich dabei auch die Frage, ob die gefundenen Flöten nicht evtl. dem kultischen Raum zuzuordnen sind, oder ob die Ausübung von Musik auch im normalen Leben der damaligen Menschen anzunehmen ist. Ausgehend von der Häufigkeit der Funde, d. h. Vorkommen an mehreren Orten sowie der Fundlage der Objekte, die nicht auf Kulthandlungen schließen lässt, vermutet man, dass Kunst, in diesem Falle Musik, offensichtlich zum alltäglichen Leben der Menschen gehört hat. Die kulturelle Höhe und Vielfalt der damaligen Gesellschaft kommt darin zum Ausdruck.

Die „Künstler“

Die einzigartigen Kunstwerke aus den Albhöhlen erlauben es, ihre Schöpfer als „Künstler“ zu bezeichnen, mehr noch, wir müssen in ihnen die frühesten Künstler der Welt sehen.
Nun stellt sich die Frage, was wir über die Menschen, die vor 40.000 Jahren in diesem Gebiet lebten, überhaupt wissen. Mit einiger Sicherheit ist davon auszugehen, dass es sich um den „homo sapiens“ handelt, also den anatomisch modernen Menschen, der den zuvor hier schon vertretenen Neandertaler ablöste. Zwar wurden zusammen mit den Kunstgegenständen keine Menschenknochen gefunden, dennoch ist sich die Archäologie aufgrund bestimmter Indizien sicher, dass der Neandertaler als Urheber derartiger Artefakte nicht in Frage kommt.

Die Herkunft

Woher stammen die Menschen, die in dieser Zeit, die als Aurignacien bezeichnet wird, hier lebten und künstlerische Fähigkeiten an den Tag legten? Wann und wie kamen sie in die Region der Schwäbischen Alb?
Der homo sapiens ist aus seinem höchstwahrscheinlichen Ursprungsgebiet in Afrika um 35 -40.000 v. Chr. nach Europa gekommen war und hat an verschiedenen Orten seine Spuren hinterlassen. Vermutlich hat er den Weg von Südosten über den Balkan genommen, u.a. entlang der Donau und ist so auch zur Schwäbischen Alb gelangt. Eine der Wiegen der modernen Kultur könnte sich hier entwickelt haben.

Bilder: Wikipedia – CC-Lizenz

Literatur: Steinzeit in Baden-Württemberg, Reihe Kultur Geschichte BW, hg. vom
Staatsanzeigerverlag, Stuttgart 2008

Links
Die Höhlen bei Blaubeuren

Lonetal


Eiszeitkunst

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