Rollenwandel in der Familie

von Hildegard Neufeld

Die Rolle der Frau in der Familie, Jahrhunderte lang nur die der Hausfrau und Mutter,  hat sich in den letzten Jahrzehnten ebenso verändert wie die Rolle des Mannes als alleiniger Familienernährer und Vater.

Traditionelle Vorstellungen

Die Vorstellungen der Mutter- und Vaterrolle in Familie und Partnerschaft – und natürlich auch deren Wahrnehmung – unterliegen einem kontinuierlichen Wandel. Bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Aufgaben- und Rollenaufteilung  zwischen Vater und Mutter allgemein klar geregelt. Die Mutter war zuständig für die Haushaltsführung, die Versorgung und Erziehung der Kinder und die Berücksichtigung der Belange der Familienmitglieder. Der Vater war verantwortlich für die finanzielle Absicherung der Familie, ihre Vertretung nach außen und für ihren Schutz. Ihm oblag auch die  Machtausübung in der Familie.
Vor einem Jahrzehnt beschrieb die damalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann, im Anschluss an eine Studie die Rolle des Vaters folgendermaßen:

Die Rolle des Vaters

Die Rolle der Väter in den Familien hat sich im Vergleich zu früheren Generationen sichtbar gewandelt. Heute gibt es immer mehr Väter, die auch verstärkt Erziehungs- und Betreuungsaufgaben wahrnehmen. Sie wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und stärker am Leben ihrer Kinder teilhaben. Es ist nichts Außergewöhnliches mehr, wenn Väter Kinderwagen durch den Park schieben, wenn sie weinende Kinder trösten oder ihren Nachwuchs wickeln.
Viele junge Männer wollen heute Beruf und Familie miteinander in Einklang bringen. Sie spüren, dass ihnen durch die einseitige Fixierung auf den Beruf wichtige Erfahrungen entgehen. Sie wollen sich die Haus- und Familienarbeit partnerschaftlich teilen. Leider klaffen Wunsch und Wirklichkeit, Einstellung und Verhalten immer noch deutlich auseinander. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und gesellschaftliche Rahmenbedingungen spielen hier eine große Rolle.

Die Rolle der Mutter

Die Hauptverantwortung für die Kinder liegt, ebenso wie in früheren Zeiten, auch heute noch bei ihrer Mutter. Die Organisation ihres Alltags und Tagesablaufs ist auf die Bedürfnisse und Versorgung ihrer Kinder ausgerichtet. Alle weiteren Aufgabenbereiche, wie Hausarbeit, Haushaltsführung und dergleichen sind der Erfüllung der Mutterpflichten nachgeordnet.
Zwar beteiligen sich Väter heute mehr als in früheren Zeiten an der Hausarbeit  und teils auch an der Versorgung der Kinder, aber insgesamt ist die Versorgung und Erziehung der Kinder sowie die Haushaltsführung auch heute noch die Aufgabe der Mütter, selbst dann, wenn sie berufs- oder erwerbstätig sind.
Die Bedeutung der Arbeit als wichtiger Lebensbereich der Männer nimmt bei Frauen einen immer größeren Raum ein.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Angesichts der demographischen Entwicklung gewinnen Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf  und zur stärkeren Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben – bisher vornehmlich ein persönliches Anliegen der betroffenen Frauen – zunehmend auch auf politischer Ebene an Bedeutung. Es gilt, die Wirtschaftskraft unseres Landes auch durch Förderung der Erwerbsarbeit der Frauen zu sichern.
Aber auch im privaten Bereich, in der Familie, hat das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“  zu Veränderungen und neuen Entwicklungen geführt, denn es betrifft nun nicht nur die Frauen und Mütter, sondern mehr und mehr auch die Ehemänner und Väter. Auch Väter haben Schwierigkeiten Beruf und Familie zu vereinbaren, denn ‚Erfolg im Leben‘ bezieht sich für sie nicht nur auf berufliche Belange, sondern auch auf ihr Familienleben und verbindet sich mit Glück und Zufriedenheit für beide Ehepartner.

Ein Blick zurück..

Wenn ich an meine Kindheit denke, dann sehe ich meine Mutter im Mittelpunkt meines Lebens. Meinen Vater, dessen Leben und Wesen durch Jahrhunderte lang tätige Bauerngenerationen geprägt war, habe ich überwiegend als Respektsperson in Erinnerung. In unser Familienleben schien er mir als Vater nur wenig integriert, und er suchte auch nicht die Nähe seiner Kinder, spielte nie mit uns. Unsere kindliche Zuneigung galt einzig meiner Mutter.
Als ich erwachsen war, habe ich meinen Vater nach seiner Beziehung zu uns, seinen Kindern, befragt, und mein Vater gestand: „Natürlich habe ich, wie wohl manche Väter Eure Windeln gewechselt, wenn es erforderlich und niemand sonst zur Hand war, aber euch außerhalb des Hauses und in aller Öffentlichkeit im Kinderwagen spazieren fahren – nein, das war unmöglich!“

Resümee

Die Rollen und das Selbstverständnis von Männern und Frauen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Sie sehen den Mann in der Familie nicht mehr länger nur als Ernährer, sondern als gleichberechtigten Partner in der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder.
Die heutige Frauengeneration ist selbstbewusst, zunehmend qualifiziert und beruflich engagiert. Mütter wollen nicht länger nur Mütter sein, sondern auch berufstätig. Väter dagegen wollen auch praktizierende Väter sein und nicht mehr ausschließlich  Ernährer ihrer Familie. —
Auf wie viel Zuneigung haben die Väter früherer Generationen durch ihre Rollenzuweisung verzichten müssen, um nicht als „unmännlich“ zu gelten? Und welche Befreiung haben die Männer der heutigen Generationen erfahren. Sie dürfen Vater sein, ihren Kindern Liebe geben und die Liebe ihrer Kinder empfangen.

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http://www.hwwi.org/fileadmin/hwwi/Publikationen/Policy/HWWI_Policy_Paper-59_Kurzfassung.pdf

http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=76920.html