von Erna Subklew
Als ich noch Kind war, gab es die Sitte, zu den Feiertage zu den Großeltern zu gehen und zum Fest Glück zu wünschen. Als meine Enkel dann so weit waren, durften sie ohne weitere Diskussion sich diesem Brauch verweigern. Ich freute mich direkt, als ich den Brauch auch bei Familie Goethe fand.
Bei dem erfreulichen Anbruch des 1757 Jahres.
Erhabner Groß-Papa! Ein neues Jahr erscheint,
Drum muss ich meine Pflicht und Schuldigkeit entrichten,
Die Ehrfurcht heißt mich hier aus reinem Herzen dichten,
So schlecht es aber ist, so gut ist es gemeint,
Gott, der die Zeit erneut, erneure auch Ihr Glück,
Und kröne Sie dies Jahr mit stetem Wohlergehen,
Ihr Wohlsein müsse lang so fest wie Zedern stehen,
Ihr Tun begleite stets ein gütiges Geschicke,
Ihr Haus sei wie bisher des Segens Sammelplatz,
Und lasse Sie noch spät Mönines Ruder führen
Gesundheit müsse Sie bis an Ihr Ende zieren,
Denn dies ist gewiss, der allergrößte Schatz.
Erhabne Groß-Mama! Des Jahres erster Tag
Erweckt in meiner Brust ein zärtliches Empfinden,
Und heißt mich ebenfalls Sie jetzo anzubinden
Mit Versen, der vielleicht kein Kenner lesen mag,
Indessen hören Sie die schlechten Zeilen an
Indem sie wie mein Wunsch aus wahrer Liebe fließen.
Der Segen müsse sich heut über Sie ergießen.
Der Höchste schütze Sie, wie Er bisher getan.
Er wolle Ihnen stets, was Sie sich wünschen geben,
Und lasse Sie noch oft ein neues Jahr erleben.
Dies sind die Erstlinge, die Sie heute empfangen,
Die Feder wird hinfort, mehr Fertigkeit erlangen.
Johann Wolfgang von Goethe 1757
Acht Jahre Alt.