Interview mit einem Pfarrer

von Hildegard Keller

Ein Sturz wurde für den Landwirt Willi Mönikheim zum Wendepunkt in seinem Leben.Darüber und über die „Folgen“ seiner Berufung führte ich mit ihm ein Interview.

Das Interview

Quelle privat

Hildegard K (K)
Herr Pfarrer, vielen Dank, dass Sie meiner Bitte entsprochen haben.
Unser nächstes Lerncafe beschäftigt sich mit dem Thema Wendepunkte. Sie hatten ein Erlebnis, das Ihr Leben buchstäblich gewendet hat.

Lebensplanung

Pfarrer Mönikheim (Pf) :
Ich wurde 1944 als erster und einziger Sohn meiner Eltern in Creglingen/Tauber geboren und bin auf dem Bauernhof meiner Eltern in Niederstetten-Ebertsbronn aufgewachsen. Es war selbstverständlich: Der Stammhalter bleibt in der Landwirtschaft und übernimmt einmal den Hof. So kam es, dass ich nach der Schule eine landwirtschaftliche Ausbildung absolvierte und Bauer wurde. Die Arbeit auf den Feldern, im Weinberg, im Wald und mit den Tieren in den Ställen war oft hart, doch sie hat mir auch viel Freude bereitet. In einem Mundartgedicht habe ich das so beschrieben:
A Hohaloher Baurebua, des bin i immer g’weh,
sell werd ih bleiwe immerzua, i will a goor ned mäh!…
(siehe Anmerkungam Interview-Ende)Mit 25 Jahren übernahm ich den landwirtschaftlichen Betrieb und überlegte zusammen mit meiner Frau, wie man den Hof zukunftsfähig ausbauen könnte.

Der Wendepunkt

Pf:
Ein Sturz vom Hochsilo mit mehrwöchiger „Besinnungspause“ wurde schließlich die Initialzündung zum großen Wendepunkt in meiner Biographie. Ich war damals 28 Jahre alt.
Zunächst wollte ich eine pädagogische Laufbahn einschlagen.
Zwei befreundete Pfarrer meinten, ich könnte mich doch auch um Teilnahme an einem „Lehrgang für den Pfarrdienst“ bewerben. So kam ich zum Studium der Theologie und wurde Gemeindepfarrer.
Nach der harten körperlichen Arbeit auf dem Bauernhof schien mir das Studium und die damit verbundene Kopfarbeit geradezu erholsam. Da konnte ich mich den Grundfragen des menschlichen Seins widmen:
Wer bin ich? Was ist der Sinn unsres Lebens? Was glaube ich? Worauf vertraue ich? Wie lässt sich das Leben vom Glauben her sinnvoll entwickeln und gestalten?
Doch wenn es Frühling wurde und die Natur zu wachsen und zu blühen anfing, da juckte es den „Bauernbuben“ gehörig in den Fingern und ich wäre oft viel lieber aufs Feld oder in den Weinberg gegangen.
K:
Bei meinen Recherchen wurde mir klar, für Sie war Pfarrer sein ein Leben mit den Menschen. Nicht nur über das Evangelium predigen, sondern es leben war das Motto Ihrer vielseitigen Aktivitäten.

Wirkungsbereiche

Jugendstilkirche Gaggstatt Quelle
Memorino wikimedia Commons

Pf :
Als Gemeindepfarrer standen die Menschen für mich immer im Mittelpunkt. Ihnen wollte ich durch die befreiende Kraft des christlichen Glaubens helfen, ihr Leben als Geschenk zu verstehen, ihre Gaben und Fähigkeiten zu entdecken, zu nutzen und so ihren Glauben zu entfalten, die Freiheit zu lieben und die Liebe zu üben. Es ist faszinierend, welch weites Wirkungsfeld sich dabei aufgetan hat.

Beispiele

Quelle Baier-Verlag

Pf:
Beispiel Tauflieder:
K:
Ihr Manuskript zu dem Namensliederbuch hat mich mit Bewunderung erfüllt. Der zugrunde liegende Gedanke, jedem Täufling sein Lied mit auf den Lebensweg zu geben, ist eine seelsorgerische Leistung, die mit Sicherheit in vielen Situationen zu einer großen Lebenshilfe wird.
Pf:
Zuerst war es nur der Wunsch einem befreundeten Ehepaar zur Taufe ihrer Tochter eine persönliche Überraschung zu bereiten. Dies brachte mich auf die Idee ein Lied zu schreiben, in dem die Anfangsbuchstaben der einzelnen Strophen, von oben nach unten gelesen den Namen des Kindes ergeben.
Für mich sind diese Namenslieder ein Beispiel für das, was den Kindern und ihren Eltern in der Taufe zugesagt und versprochen wird: Wie im Lied der Name des Kindes mit dem übrigen Text verbunden ist, so unverwechselbar und unauflöslich verbindet sich Gott nach unserem Glauben durch das Sakrament der Taufe mit dem getauften Kind.
Zusammen sind im Buch 79 Lieder.
K:
Die Namenslieder sind für Sie nicht nur Kinderlieder
Pf:
Das stimmt! Es sind Lieder und Gedichte vom Glauben und zum Glauben, zur Erbauung, zur Ermutigung, zur Besinnung. Sie machen Mut zum Leben, geben Hoffnung auf Gott und Kraft zum Tragen,
Beispiel: Das Lied für Tim letzte Strophe:
„Mit Gott geh ich meine Wege, mit ihm komme ich zum Ziel.
Führt er mich auch raue Stege, nehm ich’s an, wie er es will.
Gott, der Herr, der wird mich bringen, dahin, wo die Engel singen
und ich werde ihnen gleich, dort in Gottes ewigem Reich“.
Dankbar bin ich dem Seniorchef des Verlags, der trotz Verteuerung der Produktion meine Idee, das Buch mit farbigen Bildern von Taufsteinen aus dem Hohenloher Land zu illustrieren, aufgenommen und mitgetragen hat. Es sind 15 Taufsteine aus dem 14. bis zum 21. Jahrhundert abgebildet.

Beispiel Dorfweihnacht:
Jedes zweite Jahr wurde in unsrer Gemeinde eine Dorfweihnacht im Freien gefeiert. Dazu schrieb ich verschiedene Stücke in heimischer Mundart. Diese wurden zuerst nur von Kinderkirchkindern später auch von Erwachsen neu inszeniert und aufgeführt; selbstverständlich mit Ochs und Esel, mit Lagerfeuer, Schafpferch auf dem Hirtenfeld, einem Stall von Bethlehem in einer Schafscheuer. Erfreulich war, dass immer mehr Gemeindeglieder bereit waren, sich aktiv an der Vorbereitung und Durchführung zu beteiligen und das nicht nur als Hilfspersonal sondern sogar in den Hauptrollen des Spiels:
Ein junges Landwirtsehepaar spielte Maria und Josef, ein Fernfahrer saß zusammen mit seinem Enkelsohn am Hirtenfeuer, andere übernahmen die Rollen der Wirte. Dieses Spiel hat das ganze Dorf mobilisiert und hat mit dazu beigetragen, dass die alte Geschichte von der Menschwerdung Gottes in unsere Gegenwart und in die eigene Lebenswelt übertragen werden konnte.

Quelle Heimvolkshochschule Hohebuch

Beispiel Pfarrscheuer:
Ein wichtiger Beitrag zur Dorfkultur war die Sanierung und der Ausbau der „Alten Pfarrscheuer“ zum Dorfkulturhaus. 120 Frauen und Männer haben, zusammen mit örtlichen Handwerkern in ca. 3.500 Arbeitsstunden aus einer baufälligen Hütte ein Haus mit viel Atmosphäre entstehen lassen. Der Umbau wurde als „Gemeindebau-Projekt“ weitgehend gemeinschaftlich geplant und umgesetzt. Zur Einweihung gab es ein Gedicht in dem es u.a. heißt „Die Scheuer konnte nur gelingen, weil viele mit zu Werke gingen. Mit Planen, Schaffen, Finanzieren, man darf da wirklich gratulieren: Die Pfarrscheuer ist eine Pracht, das habt ihr wirklich gut gemacht!“
Um den Bau gut zu nutzen boten Frauen aus der Gemeinde Gruppenverpflegung in der Pfarrscheuer an, die besonders von Busgruppen aber auch für Familienfeste viel genutzt wurde.
Rückblickend kann ich sagen: Wir haben in unserer Dorfgemeinde auch bei der kirchlichen Gemeindearbeit Wendpunkte geschaffen.

K:
Als Landesbauernpfarrer waren Sie Leiter der Heimvolkshochschule Waldenburg-Hohebuch. Dort hat die Auswahl Ihrer Bildungsthemen und die Begeisterung dafür die Schule sogar vor der Schließung bewahrt.

Pf:
Ich war mir wohl bewusst, dass mit dem Wechsel zum Leiter der Heimvolkshochschule wieder ein Wendepunkt in meinem Leben anstand: Die Umstellung von der lieb gewordenen Arbeit in einer überschaubaren Kirchengemeinde, wo das Pfarrhaus Wohn- und Arbeitsbereich zugleich war in eine Einrichtung mit über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit 80 Gästebetten, die im Interesse der Wirtschaftlichkeit möglichst gut belegt werden mussten. Das erforderte einen flexiblen Arbeitsstil und viel Kreativität. Erleichtert wurde mir diese Umstellung durch einen guten Teamgeist der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein breit gefächertes Angebot an Tagungen und Seminaren zur kirchlichen Erwachsenenbildung.
Wenn dann 50 Leute zu einer Bibelwoche zusammenkamen, gemeinsam hörten, diskutierten und von sich erzählten, war das für mich oft mehr Vergnügen als Arbeit.

Vielfalt

K:
Ihre Arbeit trug immer neue Früchte. Sie brachten vielfältige Projekte auf den Weg

Pf:
Bei der Gestaltung des Jahresprogramms konnte ich Themen anbieten, die mich selbst interessierten: Schöpfung erleben, erhalten, bewahren, Glauben erleben und weitergeben, Hohebucher Mundarttage.
Zur Gestaltung der Erntebittgottesdienste bereiste ich als Landesbauernpfarrer ganz Württemberg von Edelfingen bis Friedrichshafen, von Heidenheim bis Freudenstadt.
Weitere Schwerpunkte meiner Arbeit waren
– Vorträge zu aktuellen Themen
– Begegnungstage
– die seelsorgerische Betreuung und Begleitung der bäuerlichen Familien
– Studienreisen nach Rom, Kampanien, Sizilien, in den Libanon, nach Südost-Anatolien.

K:
Im Hohelohischen sind Sie als Mundartpfarrer bekannt. Welche Bedeutung hat die Mundart aus Ihrer Sicht?

Pf:
Mir war es immer wichtig die Mundart weder als Köder zu nutzen, noch sie zur Volksbelustigung zu missbrauchen. Ich wollte einfach die altbekannte, oft zu vertraute Botschaft des Evangeliums neu zu Gehör bringen in einer Sprache, die der Mehrzahl unserer Gemeindemitglieder vertraut war, weil es immer noch ihre Alltagssprache ist. Zudem ist es ja auch meine eigene Muttersprache, in der ich geredet und gedacht habe, längst bevor ich in der Schule Hochdeutsch als erste Fremdsprache gelernt habe.

Ein Beispiel aus 1. Korinther 13:
„Kennt ih schwätze wi a Prophet, der scho im Vorraus wisse däht,
wos do kummt und wi des wärd, mit uns Mensche uff dr Erd;
 und hätt‘ an Durchblick, uuverschdellt, und an Glaawe, wenns’em gfellt,
 der wua Bärch versetze kou; und s’wär ko  L i a b  ou allem drou,
 noa miaßt mer sooche: Geh mer weg! Du bischd wi dr letschde Dregg…“)
Mundart hat Zukunft
(siehe Anmerkung am Ende des Interview-Textes)
Die positive Resonanz hat zum Weitermachen animiert. So gab es zuletzt jährlich 6-8 Mundartpredigten und Übertragungen von Schriftlesungen und Predigttexten.
Zuletzt waren die Besucher so zahlreich, dass unsere Dorfkirche mit 300 Sitzplätzen sie oft nicht mehr fassen konnte.
(siehe Anmerkung am Ende des Interview-Textes)

Quelle Baier-Verlag

K:
Sie haben ein Besinnungsbuch zur Weihnachtszeit geschrieben und über den Baier-Verlag veröffentlicht.

Pf:
Das handliche Büchlein bietet auf 186 Seiten neun Geschichten, welche die Geburt im Stall von Bethlehem jeweils aus anderer Perspektive beleuchten:
Aus der Sicht von Hirten, eines Wirts, von Josef und Maria, von Ochs und Esel, vom Verkündigungsengel und von Weisen aus dem Morgenland.
Einige Weihnachtslieder und -gedichte, eine kritische Weihnachtspredigt und ein Abschnitt in Hohenloher Mundart mit dem Kinderkirch-Dorfspiel „Sou als wär’s bo uns basiert“ runden den Inhalt ab.
Die Vorlesegeschichten und Anregungen machen das Büchlein zum idealen Geschenk bei vielerlei Anlässen in der Advents- und Weihnachtszeit.

K:
Herr Pfarrer Mönikheim, das Interview hat viel Engagement von Ihnen gefordert. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Mühe und vor allem auch für Ihre Bereitschaft persönliche Befindlichkeiten zu überwinden um das positive Ergebnis der verschiedenen Wendepunkte in ihrer Biographie erlebbar zu machen

Anmerkungen zum Interview-Text

Bücher von Pf. Mönikheim im Baier Verlag
www.baierverlag.de/684.0.htm

Aus dem Leben
www.elk-wue.de/ arbeitsfelder/ kirche-und-menschen/ portraets-aus-der-landeskirche/ archiv-portraets/ willi-moenikheim

Hinweis:
Wer Interesse an den Mundarttexten hat, kann sich bei Herrn Pf. Mönikheim über die Mail-Adresse melden
willi_moenikheim@web.de