Die Alternswissenschaftlerin, Frau Prof. Dr. Ursula Lehr, und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen, äußert sich in ihrem Grußwort anerkennend über die beispielgebende Arbeit für aktives Altern, die mit dem LernCafe geleistet wird. Die Wissenschaftlerin führt aus, was zu aktivem Altern befähigt. Mit dem LernCafe sind Leser/-innen und Redakteur/-innen da gut aufgestellt.
Liebe Leserinnen und Leser des LernCafes,
es freut mich sehr, zu sehen, dass ViLE mit seinem LernCafe das umsetzt, was ich als Alternswissenschaftlerin immer wieder gefordert habe und fordere: das lebenslange Lernen. Besonders freut es mich, dass sich die Dezember-Ausgabe dem Thema „Alter“ widmet. Da kompetentes und erfolgreiches Älterwerden und Lernen eng zusammenhängen, erlauben Sie mir, dass ich mich in meinem Grußwort etwas eingehender damit beschäftige.
Lebenslanges Lernen
Mein Credo als Alternswissenschaftlerin und auch als Vorsitzende der BAGSO lautet: Ziel aller Bemühungen, die durch den demografischen Wandel hervorgerufenen Herausforderungen zu bewältigen, muss es sein, dass die uns geschenkten Lebensjahre wirklich zu einem Gewinn werden: für den einzelnen Menschen und für unser Gemeinwesen. Dabei steht der Erhalt der Selbstständigkeit bis ins hohe Alter an erster Stelle. Um dies zu erreichen, sind auch die älteren Menschen selbst gefordert, und zwar, indem sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um möglichst lange gesund und auch geistig fit zu bleiben.
Lernen im Alter – warum?
Lernen als Lebenselixier
Monika Fauss schreibt in ihrem sehr lesenswerten Buch „Lernen ist Leben“: „Lernen, Neugier und Begeisterungsfähigkeit sind Lebenselixier schlechthin. Wer etwas Neues erkennt, erforscht und begriffen hat, erntet ein nachhaltiges Glücksgefühl.“ Dem kann ich nur zustimmen!
Lernen, um möglichst gesund zu altern
Dem Philosophen Arthur Schopenhauer, er lebte von 1788 bis 1860, wird folgender häufig zitierter Spruch zugeschrieben: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!
Wir wissen, dass viele der sogenannten Alterserkrankungen durch einen gesunden Lebensstil zu beeinflussen sind. Wir sind daher gefordert, uns kundig zu machen: über präventive Maßnahmen im Bereich der Ernährung, der Bewegung und Entspannung, über Diagnose- und Therapieformen etc.
Aber der Erhalt der geistigen Aktivität ist ein wichtiges Ziel in einer Gesellschaft des langen Lebens. Internationale Längsschnittstudien stellen übereinstimmend fest: Geistig aktive, interessierte und lernfreudige Menschen erreichen ein höheres Lebensalter bei körperlichem und seelischem Wohlbefinden als jene, die kaum Interessen haben und geistig weniger aktiv sind.
Auch wenn sich durch gesunde Ernährung und Bewegung viele Beschwerden lindern lassen, so bleiben doch des Öfteren Belastungen, Einschränkungen oder Behinderungen im körperlichen, aber auch im geistig-seelischen und sozialen Bereich, mit denen wir uns auseinandersetzen und mit denen wir lernen müssen, angemessen umzugehen.
Lernen, um Alltagskompetenzen zu erwerben
Lernen spielt beim Erwerb von Alltagskompetenzen eine Schlüsselrolle, denn wir leben in einer Zeit des rasanten Wandels, in einer Zeit, in der morgen schon veraltet, „out“ ist, was heute noch als neueste Errungenschaft gilt. Die Zeiten, in denen – noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts – ein alter Mensch auf das Wissen zurückgreifen konnte, das er sich als Jugendlicher erworben hatte, sind endgültig vorbei. Heute geht man von einer „Halbwert-Zeit“ des Wissens von nur fünf Jahren aus, d. h., das, was man „gelernt“ hat, ist nach fünf Jahren nur noch halb so viel wert. Dies gilt sicher insbesondere für den beruflichen Bereich, aber auch im häuslichen Alltag gibt es zahlreiche Veränderungen. Daher ist lebenslanges Lernen in unserer schnelllebigen Zeit geradezu zur Existenznotwendigkeit geworden. Wir müssen ein Leben lang mehr und „anders“ lernen, als es von unseren Eltern und Großeltern gefordert wurde, weil wir uns mit den gewaltigen Veränderungen unserer Umwelt auseinandersetzen und uns anpassen müssen.
Lernen, um mitreden und mitgestalten zu können
Viele ältere Menschen möchten an der Entwicklung der Gesellschaft teilhaben, sei es bei der Gestaltung ihres Wohnumfeldes, ihres Dorfes, sei es in der Pfarrgemeinde. Um sich Gehör zu verschaffen und um wirklich ernst genommen zu werden, müssen sie sich jedoch kundig machen, gut und umfassend informiert sein.
Lernen, um Isolation und Vereinsamung entgegenzuwirken
Die Gefahr, dass unser Lebens- und Gedankenradius mit zunehmendem Alter immer kleiner wird, ist groß. Um andere Menschen, besonders auch die jüngeren Generationen, besser zu verstehen, müssen wir lernen. Viele Menschen neigen im Alter dazu, Neues und Unbekanntes, Ungewohntes von vornherein abzulehnen, noch bevor sie sich die Mühe gemacht haben, es kennenzulernen, nur weil es eben „neu“ ist, „weil es das früher auch nicht gab“, und sie werden wegen dieser Haltung von der jüngeren Generation – verständlicherweise – nicht für voll genommen. Haben sie sich jedoch mit einer Neuerung auseinandergesetzt, sie kennengelernt und haben sie daraufhin begründete Argumente für ihre Ablehnung, wird dies auch von der jüngeren Generation anerkannt. Lernen und Weiterbildung knüpfen und verstärken das Band zwischen den Generationen.
Wir müssen „lernend altern“ und „Altern lernen“. Dabei wünsche ich Ihnen viel Freude und viel Erfolg!
Ihre
Ursula Lehr