von Hildegard Neufeld
Mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft verändern sich auch die Einstellungen zum Alter und zum Älterwerden. Journalisten kommt bei der Vermittlung des gesellschaftlichen Bildes vom Alter eine Schlüsselrolle zu.
Die Studie
Alter und Demografie ist eines der Schwerpunkt-Themen der Robert Bosch Stiftung, die zahlreiche Projekte in diesem Bereich fördert. Die Studie „Alter und Älterwerden aus der Sicht von Journalisten und der Bevölkerung“ wurde von der Robert Bosch Stiftung in Auftrag gegeben, um herauszufinden, welche Vorstellungen Journalisten vom Alter und Älterwerden haben und inwiefern diese Einschätzungen mit den Ansichten der Bevölkerung übereinstimmen.
Das Institut für Demoskopie Allensbach befragte im Auftrag der Robert Bosch Stiftung 232 Journalisten, vor allem von Tages- und Wochenzeitungen, und parallel dazu einen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt von 1773 Personen.
Ergebnisse
Mit dem demografischen Wandel verändert sich nicht nur die gesellschaftliche Einstellung zum Alter, sondern auch das Lebensgefühl der älteren und alten Menschen selbst. So kommt die Studie zu dem Schluss, dass das Selbstbewusstsein der älteren Menschen im langfristigen Trend deutlich gewachsen ist. Vor allem für die „jungen Alten“ zwischen 60 und 69 Jahren ermittelte die Untersuchung eine durchschnittlich hohe Lebenszufriedenheit, erst jenseits des achtzigsten Lebensjahres nimmt die Zufriedenheit etwas ab.
Die Äußerungen der Bevölkerung zum Alter beziehen sich überwiegend auf die späte Altersphase, die von geistigem Nachlassen und körperlichen Gebrechen geprägt sein kann, weit weniger auf die frühere Zeit. Auch wenn die befragten älteren Menschen das Alter persönlich viel positiver erleben, denken viele, dass die meisten Menschen bei uns das Alter vor allem als mit Beschwerden und Mühen verbunden sehen, weniger als Lebensabschnitt, der viele neue Chancen bietet.
Wahrnehmung und Erleben des Alters
Es zeigt sich, dass die Schwelle, ab der jemand als alt gilt, sich mit der wachsenden Lebenserwartung vieler alter Menschen und angesichts der immer sichtbarer werdenden Alterung der Gesellschaft immer mehr nach oben, also hin zu einem höheren Alter verschiebt. Zudem beziehen sich die spontanen Assoziationen der Befragten überwiegend auf die späte und weit weniger auf die frühe Altersphase der oft noch sehr fitten und ihr Leben genießenden aktiven „jungen Alten“ zwischen 60 und 69 Jahren.
Alter und Alterungsprozesse werden heute altersspezifischer und stärker individualisiert erlebt, abhängig vom jeweiligen Gesundheitszustand, von körperlicher und geistiger Aktivität, aber auch in Abhängigkeit von den jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen.
Die Studie belegt die größere Fitness der jungen Alten, aber auch noch der 70- bis 79-Jährigen im Vergleich zu Gleichaltrigen vor einem Vierteljahrhundert.
Last oder Chance
Viele Journalisten teilen die Vermutung, dass in der Bevölkerung tradierte negative Klischeevorstellungen vom Alter überwiegen, obwohl ihre eigenen Betrachtungen in der Regel ganz anders und viel positiver sind. 60 Prozent der Journalisten gehen davon aus, dass in der Bevölkerung Alter vor allem im Zusammenhang mit Mühen und Beschwerden gesehen wird, aber persönlich urteilen sie zu 63 Prozent, dass die Vorstellung, Alter sei vor allem eine Last wegen der zunehmenden körperlichen Gebrechen, nicht zutreffe.
Die überwiegende Mehrheit der Journalisten, nämlich 83 Prozent, meint sogar, dass das Alter neue Chancen biete, weil man dann mehr Zeit für Dinge habe, die den alten Menschen wichtig sind.
Ausgegrenzt von der Gesellschaft?
Der überwiegende Anteil der älteren und alten Menschen hat nicht den Eindruck, von der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden. In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen versichern 65 Prozent, sie würden das Gefühl, als Ältere nicht mehr dazuzugehören, nicht kennen und auch keinen gesellschaftlichen Druck empfinden, dass alte Menschen bei uns keine Bedeutung mehr haben. Und auch von den 70-Jährigen und Älteren hat die Mehrheit diesen Eindruck nicht.
Die Journalisten sehen dies allerdings anders. Fast jeder zweite Journalist stimmt der Aussage zu, dass viele ältere Menschen bei uns von der Gesellschaft ausgegrenzt werden.
Das Selbstbewusstsein der älteren und alten Menschen ist deutlich gewachsen. Dass alte Menschen das Gefühl beschleicht, ausgegrenzt zu werden, vermuteten 1989 noch 40 Prozent, heute nur noch 26 Prozent der Bevölkerung.
Angst vor dem Alter
Wirklich Angst vor dem Alter hat nur eine Minderheit der Bevölkerung von 19 Prozent. Aber viele ab 70-Jährigen und Älteren sind nicht frei von der Sorge, wie es sein wird oder zumindest sein könnte, wenn sie bei wachsender Lebenserwartung immer älter werden.
Die neuen Lebenschancen in den hinzugewonnenen Lebensjahren werden zwar nicht verkannt, aber bedroht durch die Furcht vor körperlichen und geistigen Gebrechen bis hin zum Verlust der Selbstständigkeit und Pflegebedürftigkeit im hohen Alter. Hinzu kommt, die wachsende Unsicherheit über die finanzielle Absicherung des gewohnten Lebensstandards.
Zum neuen Altersbild
Nach Auffassung der meisten Journalisten haben die Medien die Aufgabe, sich für eine Änderung des überkommenen Altersbildes einzusetzen. Das neue Altersbild sollte differenzierter sein, die ganze Bandbreite von Lebenssituationen älterer Menschen umfassen. Vor allem wird gefordert, das Leben im Alter chancenorientierter darzustellen, die Potenziale der Älteren stärker zu betonen und Wege aufzuzeigen für ein aktiveres, sinnerfülltes Leben im Alter.
Die befragten Journalisten erwarten mehrheitlich, dass die Bereitschaft der Älteren länger zu arbeiten, zunehmen wird (64 Prozent). Viele sind überzeugt, dass sich immer mehr ältere Menschen für andere einsetzen, sich ehrenamtlich betätigen (73 Prozent), und 87 Prozent erwarten, dass die Menschen in Zukunft offener mit Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer umgehen.
Link:
Eine vergleichende Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Robert Bosch Stiftung.