von Erna Subklew
Der Fremde ist nicht der Wandernde, der heute kommt und morgen geht, sondern der, der heute kommt und morgen bleibt. (G. Simmel) Denken wir an die Fremden bei uns, so meinen wir die angeworbenen Arbeitnehmer, die Asylanten und ein wenig auch die Spätaussiedler.
Fremde
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts, als Deutschland nach dem Krieg in der großen Aufbauphase war, warb die Deutsche Regierung in den unterschiedlichsten Ländern Arbeitskräfte an. Die Länder, aus denen die meisten Arbeiter kamen, waren Italien, Griechenland, Portugal, die Türkei, Spanien, Exjugoslawien und Marokko. Man nennt sie – die Anwerbeländer. Daneben kamen viele Spätaussiedler aus Polen und der Sowjet-Union, politisch Verfolgte und Asylanten aus verschiedenen Ländern.
Als die Arbeitssuchenden einreisten, waren sie verhältnismäßig jung, vor allem die so genannten Gastarbeiter waren meist erst um die 30 Jahre alt, oft noch jünger. Die Vorstellung von ihnen, in einem Jahr so viel verdient zu haben, dass man wieder nach Hause könnte, erwies sich als trügerisch. Den Ruhestand wollte man aber auf jeden Fall im Heimatland verbringen. Dies bekundete man auch dadurch, dass man im Herkunftsland Eigentum erwarb.
Im Rentenalter
Die zuerst Eingereisten, die erste Generation, sind heute grau und erhalten schon seit einigen Jahren die Rente, aber sie befinden sich immer noch hier.
Bereits eine Million Migranten über 60 Jahre leben in Deutschland und bis 2030 wird ihre Zahl auf 2,8 Millionen steigen. Der Prozentsatz dieser Gruppen bezogen auf ihre ethnische Herkunft ist geringer als bei den Deutschen, nämlich bei 10 Prozent im Gegensatz zu 25 Prozent. Prozentual gesehen bilden die spanischen Senioren mit 13,2 Prozent die stärkste ethnische Rentnergruppe.
Die zahlenmäßig stärkste Gruppe stellen die Türken, gefolgt von den Exjugoslawen, den Italienern und den Griechen.
Genau wie bei der einheimischen Bevölkerung ist das hohe Alter weiblich. Von den 85jährigen sind 60 Prozent Frauen und 40 Männer.
Durch die große Heterogenität der alten Migranten gibt es bisher wenig verlässliche Zahlen.
Sichtbarkeit
Trotz der beachtlichen Größe der Gruppe der Rentner mit Migrationshintergrund werden diese Menschen kaum wahrgenommen. Wahrscheinlich denkt noch ein großer Teil der einheimischen Bevölkerung, dass die Fremden zurückkehren werden. Dagegen sprechen aber wichtige Gründe:
Seit ihrer Übersiedlung nach Deutschland hat sich auch in ihren Heimatländern viel verändert. Aus agrarischen Ländern sind mehr oder weniger Industrieländer geworden. Die Dorfbewohner haben ihre Dörfer verlassen und die älteren, die vielleicht zuerst noch geblieben waren, sind zu ihren Kindern in die Stadt gezogen. Das alte Umfeld gibt es vielfach nicht mehr.
Fast alle Senioren mit Migrationshintergrund haben hier Kinder und Enkel. Da die Bindung an die Familie verhältnismäßig stark ist, bleibt man gern in ihrer Nähe.
Da die erste Generation herkam um zu arbeiten, sind sie alle sozial- und krankenversichert. Ein anderer wichtiger Grund für das Bleiben ist auch die in Deutschland gute ärztliche Versorgung.
Abwägungen
Aus Untersuchungen weiß man, dass die Wohnsituation der ersten Generation hier nicht gut ist. Wenn man Wohnungseigentum erwarb, so war es im Heimatland, hier begnügt man sich mit kleinen einfachen Wohnungen. In der Regel zieht man aber nicht gänzlich ins Heimatland sondern lebt nur einen Teil des Jahres dort, den anderen, meistens den Winter, verbringt man hier. Vor allem der nötig werdende Arztbesuch, die Feiertage, die man mit der Familie verbringen möchte, sind Gründe für ein Leben in beiden Ländern.
Das geht so lange, wie man es körperlich verkraften kann. Einmal muss man sich dann doch entscheiden wo man bleibt. Für die meisten moslemischen Rentner gibt es daher im Tod noch eine Heimkehr. Nur verhältnismäßig wenige lassen sich hier begraben, obwohl viele Friedhöfe ein Feld für Muslime ausweisen. Eine große Anzahl von Sterbekassen und Beerdigungsinstituten sorgt für eine Überführung.
Das Alter aus der Sicht der Fremden
Die ausländischen Alten, vor allem jene, die ihr ganzes Leben an eine Rückkehr gedacht haben, leben in einem starken Spannungsverhältnis zwischen den Bildern, die sie vom Alter aus ihrer Heimat mitgebracht haben und denen, die sie aktuell hier sehen. Vor allem vermissen sie den Paternalismus, die ihnen zustehende Autorität, die Familienstruktur und die Versorgung durch die Familie. Sie vergessen dabei vollkommen, dass auch das Altersbild in der Heimat sich gewandelt hat.
Viele alte Moslems gehen daher jeden Tag zur Moschee, der meistens eine Teestube angegliedert ist. So wie man es früher im Dorf getan hat.
Frauen und Männern fällt es noch viel schwerer als gleichaltrigen Deutschen in ein Heim zu gehen. Um dazu einzuwilligen, muss es schon schwerwiegende Gründe geben.
Angebote
Zwar hat man schon vor mehr als 15 Jahren angefangen Altenheime, besonders für Menschen mit ausländischem Hintergrund zu konzipieren, aber damit dürfte man noch nicht sehr weit gekommen sein. Vor allem deswegen, weil man nach Möglichkeit die Angebote nicht nach den Besonderheiten der Nationen ausweisen möchte. So wie unterschiedliche Ethnien in der Realität zusammen leben müssen, sollten sie es auch im Alter tun.
Die größte Schwierigkeit dabei dürften die Essensvorschriften der Religionen bereiten, denn dabei handelt es sich nicht nur um das Fleisch. Es betrifft viele Lebensmittel, die unter das Essverbotfallen, bei denen man es nicht vermutet, die dennoch Bedenken verursachen.
Die Charta für kultursensible Altenpflege hält es auch immer Alter für wichtig: Aufeinander zugehen – von einander lernen.
Quellen:
Arbeitskreis für eine kultursensible Altenpflege KDA(2002)
Özcan, V. & Seifert, W. (2006) Lebenslage älterer Migrantinnen und Migranten in Deutschland Expertise zum 5. Altenbericht (2006)
Simmel, G. (1992) Exkurs über den Fremden in Soziologie Bd. 11
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