von Ute Schäfer
Mal ganz im Land bleiben
Und dann doch so richtig loslegen mit dem Verreisen? Im Kopf reisen? Zu den Leuten hier im Land? Zu dem, wie sie sprechen? Zu den Wörtern, die sie dabei gebrauchen?
Mit Wörtern verreisen – Wörter, die es nicht im Wörterbuch gibt
Im Hochdeutschen gibt es sie nicht. Sie bringen Überraschendes, Erstaunliches, Erheiterndes. Auch wie boshaft sie sein können, charmant und lustig:
Anscheuseln heißt es in der Oberlausitzer Mundart: sich besonders scheußlich anziehen. Das Bild, das Niklaus Heidelbach dazu entwirft, übertrifft jede Vorstellung. Man erinnert sich an Touristen in den sogenannten Touristenhochburgen: Sonnenhütchen ( zu klein), Sonnenbrille (zu groß), Damen im Bikini (zu klein), Herren in bunten Hemden und Shorts (zu groß), dazu braune Socken und Sandalen.
Blomenkieker wird auf Schleswig-Holsteinisch ein Tourist genannt, der so langsam fährt, dass er jedes Blümchen am Straßenrand betrachten kann.
Adabei – bezeichnet auf Österreichisch und Bayrisch einen – heute vielleicht eher eine? – der / die immer und überall auftaucht, stets dabei sein will.
Zurückdummen – das letzte Wort (es sind insgesamt 50) als Kostprobe: allmählich wieder dümmer werden – ein Prozess, der im Alter eintreten kann. Dieser Prozess sei im alten Ostpreußen ebenso knapp wie boshaft als zurückdummen bezeichnet worden. Siegfried Lenz beschreibt in seinem Roman ‚Heimatmuseum‘ den alten Onkel Adam mit diesem Ausdruck.
Hirnforscher würden jedoch bestätigen (Lehrerinnen und Lehrer vermuteten es seit langem), dass nicht nur das Alter davon betroffen werden kann: Schon allein drei Wochen Sommerferien könnten dazu ausreichen. Die Illustrationen von Nikolaus Heidelbach gibt eine Ahnung, was gemeint sein könnte.
Ein herrlicher Lesespaß, dazu Genuss beim Anschauen: jedes Wort ist mit einem Bild illustriert, das weitere Dimensionen des Verstehens öffnet.
Blind, Sofia, Heidelbach, Nikolaus: Wörter, die es nicht auf Hochdeutsch gibt – Von Anscheuseln bis Zurückdummen (Dumont Buchverlag, Köln, 2019)