Seniorenfeindlichkeit

von Roma Szczocarz

Erklärung
„Seniorenfeindlichkeit“ bezeichnet eine Diskriminierung aufgrund des Alters.
Hierbei finden drei Prozesse gleichzeitig statt:
– Eine Etikettierung d.h. die Zuordnung einer Person zu einer Altersgruppe
– Eine Stereotypisierung d.h. die negative Bewertung von Eigenschaften einer Personengruppe hier: Altersgruppe
– Eine Diskriminierung, d.h. ein negatives Verhalten gegenüber der Person aufgrund der zugeordneten stereotypen Eigenschaften.
In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist ein Verbot einer Altersdiskriminierung enthalten, im Artikel 3, Absatz 1 und auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Wertewandel für den Begriff “Alter“

„Senat und Volk von Rom“; Foto: Lamré, CC

Traditionell ist der Begriff “Alter“ jedoch positiv besetzt. Das zeigen Begriffe wie “Senat/Senator“ (lateinisch: “senis“= alt), aber auch der immer noch positiv besetzte Begriff Ältestenrat. Konnotation: In schwierigen Situationen brauchen Gemeinschaften die Weisheit und das Wissen ihrer ältesten Mitglieder. In dieselbe Richtung weist das vierte Gebot im Judentum und Christentum “Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“.
Eine Wertschätzung des Alters gibt es noch. In einer Altendiskriminierung ist sie aber weitgehend überdeckt von einer eher kritischen Einstellung dem Alter gegenüber mit ganz anders gearteten Konnotationen: senil, leistungsschwach, krank, Kosten verursachend usw. Aber auch das Gegenteil (die “provozierende“ Fitness vieler Senioren) ist geeignet, Ressentiments gegen Senioren auszulösen, denen viele einen jahrzehntelangen Bezug einer Rente nicht gönnen.

Werbewirksamkeit

Im Bereich der Medien ist eine starke Gewichtung der Jugend, physischer Attraktivität und Sexualität zu beobachten, während ältere Menschen viel eher ignoriert oder negativ dargestellt werden.
Als rein trendbestimmt kann beispielsweise das bis heute weitgehend fehlende Angebot an einfachen und benutzerfreundlichen, für ältere Benutzer konzipierten elektronischen Geräten betrachtet werden.

Altendiskriminierung als Verdrängung

Viele Menschen nähern sich dem Alter mit Furcht. Was unter anderen Bedingungen als ein natürlicher Prozess angesehen werden könnte, wird unter den Bedingungen des Jugendwahns als soziales Problem bewertet. Seniorenfeindlichkeit spiegelt eine tief sitzende Unsicherheit wider bei jungen und im mittleren Alter stehenden Menschen gegenüber Realitäten wie dem Älterwerden an sich, der möglichen Invalidität, dem Gefühl der Macht- und Nutzlosigkeit sowie letztlich der Annäherung an den Tod. Personen, die von ihrem physischen Auftreten abhängig sind, erfahren im Alter einen Verlust an Selbstachtung.

Widersprüchlichkeit

Das Paradoxe an diesem Verhalten liegt darin, dass Altendiskriminierung (wie die Diskriminierung behinderter Menschen) zu denjenigen Formen der Diskriminierung gehört, bei denen sich relativ schnell die Täter-Opfer-Beziehung umkehren kann (z.B. durch einen Unfall, der das Identitätsmerkmal “gesund“ beseitigt), was die davon Betroffenen “alt aussehen lässt“. Insofern kann es eigentlich noch weniger als bei anderen Formen der Diskriminierung ein Interesse daran geben, ältere Menschen zu diskriminieren.

Weitere Bereiche von Seniorenfeindlichkeit.

Diskriminierung (im Sinne von Benachteiligung bei der Zuteilung von Chancen in verschiedensten Lebensbereichen) gibt es auch bei der Möglichkeit der Bürger, Waren und Dienstleistungen kaufen zu können. So trägt das Alter beim Abschluss und der Prämienhöhe von Lebens-, Kranken- und Reiserücktrittsversicherungen eine wesentliche Rolle. Das Alter ist ein wichtiger Faktor bei der Vergabe von Krediten oder Hypotheken durch Geldinstitute. Ein fortgeschrittenes Alter macht sich bei Kreditscoring-Verfahren durch eine Verringerung des Punktwerts negativ bemerkbar.
In die engere Wahl für das “Unwort des Jahres“ kam 2005 der Begriff“ „Langlebigkeitsrisiko“. Durch diesen versicherungsmathematischen Begriff wird die Tatsache, dass die Menschen in den Industrieländern eine zunehmend höhere Lebenswartung haben, als “Problem“ definiert (als ob die Probleme der Finanzierung der Altersrenten dadurch bedingt wären, dass Menschen “einfach nicht sterben wollen“).

Ich habe nur einige Aspekte des “Problems“ Seniorenfeindlichkeit dargestellt. Das Paradoxe liegt darin, dass wir die Probleme gut erkennen, aber uns noch sehr schwer damit tun, darüber zu diskutieren und dagegen zu protestieren.

Das Alter

Das Alter ist ein höflich Mann:
Einmal übers andre klopft er an;
Aber nun sagt niemand: herein!
Und vor der Tür will er nicht sein.
Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,
Und heißt’s er sei ein grober Gesell.
Johann Wolfgang von Goethe

Links:

CC-LizenzInformationen über Seniorenhandy

Europäische Menschenrechtskonvention


Altersdiskriminierung