von Erna Subklew
Not macht erfinderisch. Sicherlich kann man dies auch beim Bauen sagen. Wichtige Änderungen sind immer zu einer Zeit entstanden, als viel Wohnraum gebraucht wurde, weil er durch den Krieg vernichtet war oder die Einwohnerzahl aufgrund der besseren gesundheitlichen Versorgung anstieg. So auch nach den Weltkriegen.
Das Krankenhaus
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite unseres Hauses wurde vor ungefähr 50 Jahren ein Krankenhaus gebaut. Es gehört zu einer Stiftung, was bedeutet, dass es keinen Profit machen darf. Da es ein gutes Krankenhaus ist und wahrscheinlich auch gute kaufmännische Direktoren hat, erwirtschaftet es wohl doch einen Überschuss. Dies führt dazu, dass dieser immer wieder in Gebäuden angelegt wird. Und so kommt es, dass spätestens alle zwei Jahre etwas am Krankenhaus dazu gebaut wird. Für uns als Nachbarn bedeutet es, seit 50 Jahren mit einer Baustelle zu leben. Zwar entschuldigt man sich für den Lärm und erhöhten Verkehr, aber beides ist notwenigerweise nicht zu vermeiden. Gleichzeitig aber erleben wir den Wandel am Bau in dieser Zeit aus eigener Anschauung am Objekt.
Die vergangenen 50 Jahre
Ehe man mit dem Bau des Krankenhauses anfing, erstellte man ein Bürogebäude für die Bauleitung. Große Lastwagen mit Baumaterial fuhren Tag für Tag unsere Straße entlang. Das dauerte mehrere Monate. Wie man jetzt beim Schleifen des Gebäudes sah, war es teilweise noch gemauert. Danach kam das eigentliche Krankenhausgebäude dran, in L-Form. Wieder dauerte es Monate, bis es fertig war, und es wurde viel Stahlbeton verbaut.
Da man auch damals schon knapp an Pflegepersonal war, baute man kurze Zeit danach zwei Häuser für das Pflegepersonal und eine sogenannte Schwesternschule, eine Schule für die Pflege. Die Bediensteten hatten Kinder und man ist ein sozialer Arbeitgeber, also baute man auch einen Kindergarten.
Vor die Schwesternhäuser wurde später ein Kommunikationszentrum gebaut. Weil das Krankenhaus eine bekannte Onkologiestation hat, und somit auch von auswärtigen Patienten in Anspruch genommen wird, folgte ein Hotel.
Auf die Wiese, die Wohnstätte der Kaninchen, kamen einige Jahre später acht Wohnhäuser – dieses Mal nicht für die Angestellten des Krankenhauses.
Bauen heute
Es wird weiter gebaut. Vor einem Monat wurde das zuerst erstellte Bürohaus abgerissen. Es wurde von einem riesigen Kran in seine Teile zerlegt. Manchmal zitterten unsere Häuser, wenn der Kopf des Krans die Brocken zu zerlegen versuchte. Genau vis à vis von uns soll jetzt ein Mehrzweckbau hin, im Internet wird von einem Hospiz für Schwerkranke gesprochen. – Wir werden es sehen.
Weniger lang als das Zerlegen des Bürohauses dauerte das Montieren eines zweiten Stockwerks auf den Seitenflügel des Krankenhauses.
Nach der Vorbereitung des Daches brauchte es nur zwei Tage und der Flügel hatte ein zweites Stockwerk samt Dach. Nachdem es verputzt war, hätte niemand vermutet, dass das zweite Stockwerk gerade erst darauf gesetzt worden ist.
Auch das Auslagern der Onkologischen Station, das fast zur gleichen Zeit geschah, ging in Windeseile. Nach ungefähr acht Wochen war die Station mit ihren Krankenzimmern, dank der Modulbauweise zu beziehen.
Die Geschichte des Bauens
Die ersten Fertig-Häuser dürften nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sein. Einer der bekanntesten Architekten hierfür war Konrad Wachsmann aus Frankfurt/Oder. Er absolvierte eine Tischlerlehre und studierte in Berlin und Dresden. Unter anderem war er ein Meisterschüler von Hans Poelzig, der in Frankfurt den IG-Farbenbau konzipiert hat.
Ab 1926, als Wachsmann Chefarchitekt eines Holzbauten herstellenden Unternehmens war, beschäftigte er sich mit der Vorfertigung von Holzbauwerken. In dieser Zeit entstand sein bekanntestes Haus – das Einsteinhaus in Caputh.
In neun Stunden konnten fünf ungelernte Arbeiter das Holzhaus aufstellen.
Als freier Architekt baute er dann auch ein Wohnhaus in Massivbauweise in Jüterbog.
Da Wachsmann Jude war, emigrierte er über Paris in die USA. Mit Walter Gropius entwickelte er ein Fertighaussystem, mit dem er international bekannt wurde.
Ab 1956 leitete er in Salzburg die Sommerakademie und begeisterte österreichische Architekten für die Idee des industriellen Bauens. Es war sein Ziel, mit möglichst wenigen Teilen eine große Vielfalt an Konstruktionsmöglichkeiten zu erzielen.
Industrielles Bauen
Zur gleichen Zeit als Wachsmann mit dem industriellen Bauen anfing, verwendete ein anderer Architekt – Ernst May (Frankfurt am Main) – für seine vielen Siedlungen bereits vorgefertigte Bauteile.
Wenn Ernst May eher als Vorkämpfer des sozialen Wohnungsbaus angesehen werden kann, so wäre der Bau der 15.000 Wohnungen (allein in Frankfurt am Main drei Siedlungen), sicherlich nicht in der verhältnismäßig kurzen Zeit ohne die Verwendung von vorgefertigten Teilen möglich gewesen.
Heute kann man, angefangen vom Einfamilienhaus bis zu riesigen Hangars alles in der vorgefertigten Bauweise erstellen. Allein unter den Holzhäusern gibt es eine Anzahl von vorgefertigten Möglichkeiten wie die Block-, Tafel- und Skelettbauweise.
Die Vorzüge des vorgefertigten Bauens
Welches sind nun die Vorzüge dieser industriellen Bauweise? Wohl einer der wichtigsten Vorzüge dürfte die kurze Bauzeit sein. Aufgrund der geprüften Typenstatistiken verkürzt sich das Genehmigungsverfahren, das alle Bauvorhaben durchlaufen müssen. Durch die Produktion der Module in einem Werk ist man nicht mehr vom Wetter abhängig und gleichzeitig wird die Qualität gesteigert.
Die Festpreisgarantie gibt Planungssicherheit, ein nicht zu verachtender Vorteil. Das verwendete Material erlaubt den schnellen Bezug und verspricht ein gutes Raumklima.
Durch die Produktion mit passgenauen Materialien gibt es kaum Reststoffe und am Ende der Nutzungszeit kann alles leicht demontiert und recycelt werden.
Die Modulbauten entsprechen auch den Energiesparverordnungen. Mit ihnen können sowohl hochwärme gedämmte Gebäude als auch Passivhäuser erstellt werden.
Je nach Wunsch gibt es unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, denn beim industriellen Bauen können unterschiedliche Materialien wie Holz, Metall, Keramik oder Glas verwendet werden.
Vorzüge bis zum Ende
Die Modulstruktur lässt jederzeit eine Veränderung der Raumstruktur zu. Außer den tragenden Wänden kann jede Wand verschoben werden. Von der Aufstockung bis zur Umsetzung an einen anderen Ort ist alles möglich.
Da heute die meisten Bauten nicht mehr für die Ewigkeit gebaut werden, dürfte auch der vergleichsweise einfache Abriss ein Pluspunkt sein.
Aber das Wichtigste des industriellen Bauens ist wohl die verhältnismäßig leise und saubere Baustelle ohne große Belastung durch Staubund Lärm und die kurze Zeitspanne des Errichtens des Bauwerkes.